Bayern taumelt im Titelkampf: Wo bleibt das "mia san mia"?
Von "mia san mia" weit entfernt:Entlarvende Ratlosigkeit in München
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Nach der Pleite gegen Leipzig und dem Rückschlag im Titelrennen herrscht Wut und Ratlosigkeit beim FC Bayern. Vom mia san mia ist man in München derzeit weit entfernt.
Münchens Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn (r.) und Sportvorstand Hasan Salihamidzic sitzen nach dem 1:3 gegen RB Leipzig wie versteinert auf der Tribüne..
Quelle: dpa
Uli Hoeneß konnte beim nächsten Titel-Schock seines geliebten FC Bayern kaum noch hinsehen. Von Kummer gezeichnet verfolgte der Ehrenpräsident an der Seite des ebenfalls konsternierten Ex-Chefs Karl-Heinz Rummenigge, wie die Münchner Stars im Kampf um die Schale erneut patzten - und Trainer Thomas Tuchel damit wie nie zuvor erzürnten.
Durchhalteparolen von Vorstandsboss Kahn
Die drohende erste titellose Saison seit 2012 wird beim taumelnden Rekordmeister für heftige Turbulenzen bis hinauf in die Chefetage sorgen. Fassungslos erlebte Vorstandsboss Oliver Kahn oben auf der Tribüne die Gegentreffer beim 1:3 gegen RB Leipzig, während Sportvorstand Hasan Salihamidzic geladen auf ihn einredete. Was wird aus dem Duo?
Joshua Kimmich, Thomas Müller und Oliver Kahn vom FC Bayern München nach dem Spiel der Münchner gegen RB Leipzig im Interview.20.05.2023 | 1:46 min
Gut zwei Jahrzehnte nach der emotional zelebrierten Last-Minute-Meisterschaft im Fernduell mit dem FC Schalke 04 raffte sich der damalige Torwart-Titan Kahn am Samstagabend zu einer trotzigen Durchhalteparole auf, dass es doch noch eine große Meisterparty in Rot und Weiß am 28. Mai auf dem Münchner Marienplatz geben könnte. Doch ungemütlich wird die zum Tag der Entscheidung erkorene Aufsichtsratssitzung zwei Tage danach selbst im Last-Minute-Titelfall.
Tuchel zürnt - Hoeneß hält sich bedeckt
Nach drei zweiten Plätzen 2012 gab es die letzte große Zäsur. Auch jetzt ist ein Umbruch erforderlich. Die Frage ist nur, wie umfassend dieser ausfallen wird. Hoeneß wird maßgeblich entscheiden, wie es mit seinem Lebenswerk weitergeht.
Nach zwei Monaten im Amt verspürte Tuchel beim unerklärlichen Leistungsabfall seiner Stars "ein bisschen das Gefühl" von Ohnmacht. Der 49-Jährige hörte überhaupt nicht auf, die Mängelliste nach einer auch nur ordentlichen ersten halben Stunde aufzuzählen. "Krasse, krasse" technische Fehler, Positionierung, Entscheidungen, Laufverhalten - eigentlich gefiel Tuchel nichts.
Tuchel: "Werden alles auf den Kopf stellen"
Wirklich ratlos machte ihn aber, dass all das selbst für ihn als erfahrenen Trainer so unvermittelt gekommen sei. Nach vielen kleinen Schritten des Teams in die richtige Richtung sei es für ihn unerklärlich, "wieso wir uns dann entscheiden, in die komplett andere Richtung mit Siebenmeilenstiefeln zu gehen", schimpfte Tuchel. Er kündigte eine radikale Analyse an: "Wir werden alles auf den Kopf stellen."
Bayern-Trainer Thomas Tuchel steht nach der Pleite seiner Münchner gegen RB Leipzig ZDF-Reporter Boris Büchler Rede und Antwort.20.05.2023 | 4:46 min
Tuchel geht nach dem Aus in DFB-Pokal und Champions League sowie den Rückschlägen in der Bundesliga mit einem ramponierten Image in die neue Saison, für die die Münchner viel Geld für neue Stars in die Hand nehmen müssen. "Wir werden uns nach der Saison zusammensetzen und schauen, was am Transfermarkt gemacht werden muss", sagte Salihamidzic: "Es sind auf jeden Fall ein paar Themen."
Dringender Handlungsbedarf auf dem Transfermarkt
Im Sommer 2012 kam Javi Martínez für 40 Millionen Euro als damaliger Rekordeinkauf für das defensive Mittelfeld. Ein Jahrzehnt später wünscht sich Tuchel dem Vernehmen nach für diese Position einen robusten Abräumer. Dringender Handlungsbedarf für das Sturmzentrum ist ohnehin ausgemacht. "Mein Glaube ist immer da. Ich werde den Teufel tun und hier irgendwas abschenken", sagte Kahn. Diese Haltung könnte auch für seinen eigenen Job gelten. 2012 kam Matthias Sammer als neuer Sportvorstand für Sportdirektor Christian Nerlinger. Trifft es jetzt Kahn? Oder Salihamidzic? Oder beide? Einig sind sich Entscheider und Stars: Ein Weiter-so kann es nicht geben.
Kahn schimpft, Tuchel wirkt ratlos, nur Müller versucht, Optimismus zu verbreiten. Nach der 1:3-Niederlage gegen Leipzig ringen sie beim noch amtierenden Abo-Meister um Fassung.
von Maik Rosner
In den vergangenen zehn Jahren wurde der FC Bayern immer mindestens Meister. Ein Jahr nach der tränenreichen Tristesse 2011/12 gab es sogar das Triple, das Thomas Müller und Co. 2020 wiederholen konnten. "Dass die Mannschaft vielleicht keinen Titel gewinnt, ist auch für mich verwunderlich. Ich stehe immer hinter der Mannschaft. Vielleicht brauchen sie auch mal eine Saison, in der sie erleben, wie es ist, keinen Titel zu bekommen", sagte Salihamidzic. Entlarvend ehrlich fügte der Sportvorstand hinzu: "Die Probleme sitzen tief. Ich kann aber nicht sagen, was unsere Probleme sind."
Dem FC Bayern droht ein Jahr ohne Titel: Die Münchner haben die Tabellenführung an Dortmund verloren, das 1:3 zuhause gegen RB Leipzig könnte eine Niederlage zu viel gewesen sein.22.05.2023 | 11:49 min