Privatinsolvenz: Wie Sie schuldenfrei werden können
Privatinsolvenz:Wie Sie schuldenfrei werden können
von Zarah Reinders
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Für überschuldete Menschen ist das Insolvenzverfahren ein möglicher Weg aus der Schuldenfalle. Ein Überblick zum Ablauf und zur Dauer des Verfahrens.
Eine Privatinsolvenz ist für viele die einzige Möglichkeit schuldenfrei zu werden.
Quelle: dpa
In drei Jahren schuldenfrei - das ist mit einer Verbraucherinsolvenz, umgangssprachlich Privatinsolvenz genannt, möglich. Für Menschen, die ihre Schulden zu Lebzeiten nicht mehr begleichen können, ist es oft der einzige Ausweg. Ein großer Vorteil: Um schuldenfrei zu werden, brauchen die Schuldner kein Privatvermögen oder pfändbares Einkommen.
Hilfe von Beratungsstellen oder Anwälten
Bekommen Personen ihre Schulden nicht selbst in den Griff, können sie bei verschiedenen Beratungsstellen Hilfe erhalten. Schuldnerberatungen bieten zum Beispiel die Verbraucherzentralen oder Wohlfahrtsverbände wie die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz oder die Arbeiterwohlfahrt an. Zudem gibt es Anwälte, die auf Schuldner- und Insolvenzberatungen spezialisiert sind.
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Gemeinsam mit der beratenden Person entscheiden die Schuldner, ob das Insolvenzverfahren der richtige Weg ist. Bei ungeklärten Vermögensverhältnissen wie zum Beispiel Erbschaften kann es sinnvoll sein, eine Insolvenz aufzuschieben.
Wichtig sei zudem eine realistische Einschätzung darüber, ob die Person mit dem Teil ihres unpfändbaren Einkommens auskommen würde, erklärt Roman Schlag, Fachreferent für Schuldernberatung. "Entscheidend ist, dass die Person keine neuen Schulden während Privatinsolvenz aufnehmen müsste", ergänzt er.
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Genaue Aufstellung der Schulden und des Vermögens
In der Beratung erfolge eine genaue Aufstellung der einzelnen Schulden und verschiedenen Gläubiger, so Roman Schlag. In diesem Zuge sei auch wichtig festzustellen, wie hoch das eigene Vermögen ist.
Bei der Entscheidung für ein Insolvenzverfahren würden die Gläubiger zunächst aufgefordert, die Höhe und den Grund ihrer Forderungen anzugeben. "Zum einen, um zu prüfen, ob die Forderung und ihre Höhe berechtigt ist, und zum anderen, um einen außergerichtlichen Einigungsversuch zu starten", erklärt Schlag.
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Versuch der außergerichtlichen Einigung
Der Versuch der außergerichtlichen Einigung ist bei jedem Verbraucherinsolvenzverfahren notwendig. Das bedeutet, dass den Gläubigern ein möglicher pfändbarer Betrag zur Begleichung der Schulden angeboten wird. Daran muss eine geeignete Beratungsstelle oder Anwälte für Schulden beteiligt sein.
Diese Einigung kommt nur zustande, wenn alle Gläubiger einwilligen. Die Absage nur eines Gläubigers führt zum Scheitern des Verfahrens.
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von Karen Grass
mit Video
Antragsstellung beim Insolvenzgericht
Ist der Versuch der außergerichtlichen Einigung erfolglos, wird ein Antrag auf Eröffnung des Verfahrens beim Insolvenzgericht gestellt. Bevor dieses startet, prüft zunächst auch das Gericht, ob ein weiterer Einigungsversuch mit den Gläubigern sinnvoll sein könnte.
Erst danach wird das gerichtliche Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses wird auf der Website der Insolvenzbekanntmachungen veröffentlicht. Zudem wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt. "Der Schuldner hat dann keine Verfügungsgewalt mehr über sein Vermögen," sagt Roman Schlag, Experte für Schuldnerberatung. Der Insolvenzverwalter verfügt während des Verfahrens über das pfändbare Einkommen und das verwertbare Vermögen.
Regelungen für pfändbares Vermögen
Wie hoch das pfändbare Einkommen ist, wird mithilfe der Pfändungstabelle vom Bundesjustizministerium bestimmt. Der Rest des Einkommens - der unpfändbare Teil - kann auf einem sogenannten Pfändungsschutzkonto eingezahlt werden. Dieses müssen die Schuldner selbst einrichten.
Zum verwertbaren Vermögen gehört der Besitz der Antragsteller, den sie nicht zum Leben brauchen. Dazu zählen hochwertige Antiquitäten oder wertvoller Schmuck. Unangetastet bleiben in der Regel persönliche Gegenstände wie zum Beispiel der Ehering und die Einrichtung der eigenen Wohnung.
Das eigene Auto kann als verwertbares Vermögen gewertet werden. Dagegen können Schuldner nur vorgehen, wenn sie ihren Wagen beispielsweise für die Fahrt zur Arbeit oder aus gesundheitlichen Gründen brauchen.
Im Zweifelsfall kann aber auch das Auto als lebensnotwendiger Gegenstand gepfändet werden, wenn es einen bestimmten Geldwert überschreitet. Dann erhalten die Schuldner einen Teil des Geldes, das der Insolvenzverwalter mit dem Verkauf des Autos eingenommen hat. Damit haben sie dann die Möglichkeit, sich einen neuen, aber günstigeren Wagen zu kaufen.
Nicht gesetzlich verankert, aber notwendige Praxis ist das sogenannte Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Hier wird das Einkommen eingezahlt. Über den unpfändbaren Teil dieses Geldes können die Schuldner*innen frei verfügen. Zudem ist es möglich, auf dem Konto Geld wieder anzusparen, ohne dass es gepfändet wird.
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Beginn der Wohlverhaltensphase
Hat der Insolvenzverwalter das Vermögen und pfändbare Einkommen verteilt, beginnt die Wohlverhaltensphase. In dieser Zeit müssen die Antragsteller verschiedene Auflagen erfüllen. Dazu zählt zum Beispiel, geeignete Jobs nicht abzulehnen oder Jobs anzunehmen und sie nicht dem Insolvenzverwalter zu melden.
Die Wohlverhaltensphase dauert insgesamt drei Jahre. Im Anschluss wird geprüft, ob die Auflagen erfüllt wurden und das Verfahren erfolgreich abgeschlossen werden kann. Den Schuldnern wird dann der Rest der Schulden erlassen, die sie zu Beginn der Insolvenz angegeben haben.
Weitere wichtige Fragen und Antworten zur Privatinsolvenz
Das Insolvenzverfahren ist kostenpflichtig. Dazu zählen Gerichtskosten, die Kosten der Insolvenzverwaltung und gegebenenfalls Anwaltskosten. Grundsätzlich werden die Kosten vom Teil des pfändbaren Einkommens und Vermögens bezahlt. Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, können die Verfahrenskosten gestundet beziehungsweise auch im Nachhinein abbezahlt werden. Bis zu vier Jahre nach Ende des Verfahrens können die Kosten eingefordert werden. Nach diesen vier Jahren, egal ob und in welcher Höhe sie bereits abbezahlt wurden, wird auch diese Restschuld erlassen.
Gemeinsames Vermögen - beispielsweise eine gemeinsam gekaufte oder geerbte Immobilie - kann teilversteigert werden. Die Immobilie wird also verkauft und die schuldenfreien Personen erhalten ihren Teil des Vermögens. Der andere Teil fließt in das verwertbare Vermögen und wird von dem Insolvenzverwalter an die Gläubiger ausgezahlt.
Scheitert das Insolvenzverfahren, können Schuldner nach drei beziehungsweise fünf Jahren erneut einen Antrag beim Insolvenzgericht stellen. Ist das Verfahren erfolgreich, muss eine Frist von elf Jahren abgewartet werden, bis ein neues Verfahren eröffnet werden kann. Die Wohlverhaltensphase dauert dann fünf statt drei Jahre.
Sowohl bei der Schufa als auch auf der Website der Insolvenzbekanntmachungen werden die Daten über die Privatinsolvenz sechs Monate nach Ende des Verfahrens gelöscht.
Grundsätzlich werden die Schulden erlassen, die zum Zeitpunkt des Verfahrensbeginns bestehen. Dazu zählen allerdings nicht Schulden aus vorsätzlichen Straftaten wie zum Beispiel Körperverletzung, Sachbeschädigung oder vorsätzliche Unterhaltspflichtverletzungen.