Getreideabkommen: So treibt Putin Menschen in den Hunger

    Fakten zum Getreideabkommen:So treibt Putin Menschen in den Hunger

    Jan Schneider
    von Jan Schneider
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    Ukrainisches Getreide, das aufgrund des Krieges nicht exportiert wird, steigert die Zahl der Hungernden weltweit. ZDFheute erklärt die Hintergründe des Getreideabkommens.

    Am Montag hat das letzte Transportschiff Odessa verlassen. Seitdem wird kein Getreide mehr aus der ukrainischen Stadt am Schwarzen Meer in die Welt verschifft. Grund ist der Ausstieg Moskaus aus der "Initiative für den sicheren Transport von Getreide und Lebensmitteln aus ukrainischen Häfen", kurz Getreideabkommen.
    Seitdem eskaliert der Streit um das ukrainische Getreide. Wie könnte es nun mit dem Getreideabkommen weitergehen und wie wichtig ist es eigentlich?

    Was ist das Ziel des Getreideabkommens?

    Die Ukraine und Russland spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den globalen Hunger. Die Ukraine durch den Export von Getreide, Russland durch die Ausfuhr von Düngemitteln. Das Getreideabkommen sollte diese Exporte trotz des Kriegs in der Ukraine am Laufen lassen.
    Anders als stellenweise wahrgenommen, geht es dabei nicht darum, dass Getreide aus der Ukraine direkt in von Hunger betroffene Länder gebracht wird. Vielmehr geht es darum, den Preis von Getreide auf dem Weltmarkt niedrig zu halten.

    Das Problem beim Welthunger ist nicht, dass wir zu wenig Nahrungsmittel auf der Welt haben. Wir haben genug, aber es ist einfach zur falschen Zeit am falschen Ort zum falschen Preis.

    Martin Rentsch, World Food Program

    Nach Berechnungen der Weltbank sorgt schon ein Prozent Preissteigerung für Getreide dafür, dass zehn Millionen Menschen in absolute Armut und damit auch Hunger abrutschen. Mit den fast 33 Millionen Tonnen Getreide, die im vergangenen Jahr durch das Abkommen exportiert wurden, konnte der Weltmarktpreis gesenkt werden.
    Das Getreide aus der Ukraine lindert den Hunger auf der Welt also auch, wenn es in Länder im Westen oder nach China exportiert wird - dorthin wurde tatsächlich ein Großteil der ukrainischen Ernte gebracht. Getreide, das aufgrund des Kriegs nicht exportiert wird, steigert jedoch die Zahl der Hungernden weltweit.

    Nach Ende des Getreideabkommens
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    Was fordert Russland für eine Fortsetzung des Abkommens?

    Russland ist nach Darstellung von Präsident Wladimir Putin "sofort" zu einer Rückkehr zum Getreideabkommen bereit, wenn alle dafür gestellten Bedingungen erfüllt seien.
    Putin wirft dem Westen bei einer im Fernsehen übertragenen Sitzung mit Regierungsvertretern vor, das Abkommen "komplett verzerrt" zu haben. Geht man die russischen Forderungen jedoch Punkt für Punkt durch, sind viele nicht nachvollziehbar.

    Forderung #1: Aufhebung der Sanktionen im Agrarbereich

    Russlands hat als Grund für die Beendigung des Abkommens eine Behinderung der Ausfuhr von Düngemitteln aus Russland durch westliche Sanktionen angegeben. Tatsächlich existieren jedoch keine westlichen Sanktionen, die den Export von Düngemitteln oder Getreide verbieten.
    Die EU hat Düngemittelimporte aus Russland in der vergangenen Saison im Vergleich zum Vorjahr sogar mehr als verfünffacht. Was es Russland allerdings erschwert, Getreide und Dünger in die Welt zu liefern, ist, dass Transportunternehmen und Versicherungen sich scheuen, Geschäfte mit einem Land im Krieg zu machen.

    Forderung #2: Eingliederung der Agrarbank an SWIFT

    Die russische Landwirtschaftsbank wurde im Rahmen der Sanktionen aus dem Banken-Netzwerk SWIFT ausgeschlossen. Moskau fordert die Wiederaufnahme, um Geschäfte mit Dünger und Getreide abzuwickeln.
    Geschäfte können allerdings auch weiter über die US-Bank J.P. Morgan abgewickelt werden, wie der UN-Generalsekretär António Guterres kürzlich in einem Statement offengelegt hat. Auf diesem Weg hat Russland im vergangenen Jahr auch enorme Gewinne mit dem Export von Dünger und Getreide gemacht.

    Forderung #3: Aufhebung der Sanktionen auf Ersatzteile im Agrarbereich

    Russland will wieder Ersatzteile für landwirtschaftliche Maschinen importieren dürfen. Dies ist allerdings ein Punkt, bei dem sich die westlichen Staaten kaum bewegen werden. Die Ersatzteile werden als Dual-Use-Güter eingestuft, die auch in Militärfahrzeuge eingebaut werden können. Daher werden diese Sanktionen mit Sicherheit bestehen bleiben.

    Forderung #4: Wiederaufnahme der Ammoniakexporte

    Zu den Forderungen Russlands gehört die Wiederaufnahme seiner Ammoniakexporte über eine Pipeline zum ukrainischen Hafen Pivdenny. Diese wurde jedoch im Krieg schwer beschädigt und könnte frühestens in einigen Monaten wieder einsatzbereit sein. Außerdem hat sich die UN in der Zwischenzeit bemüht, Ammoniakexporte auf anderen Wegen zu organisieren.

    Wie könnte das Abkommen gerettet werden?

    Bei all der verbalen Eskalation ist es schwer vorstellbar, dass das Getreideabkommen nochmal weitergeführt wird. Russland-Experte Gerhard Mangott sieht verschiedene Szenarien, die aber alle eher unerreichbar sind:
    1. Der Westen könnte die russischen Forderungen erfüllen. Damit würde man sich aber der Erpressung aus Moskau unterwerfen und gerade bei den Dual-Use-Gütern ist das äußerst unrealistisch.
    2. Die Frachtschiffe könnten unter den militärischen Schutz der Türkei oder eines anderen Nato-Staates gestellt werden. Das würde aber im Falle eines Angriffs einen Konflikt mit dem Verteidigungsbündnis bedeuten, der bisher immer tunlichst vermieden werden sollte.
    3. Die Ukraine kann weiter Schiffe beladen und losschicken: Das ist allerdings unwahrscheinlich, da Reedereien und Transportunternehmen das Risiko eines Angriffs aus Russland nicht eingehen wollen.
    So liegt alle Hoffnung für eine Wiederaufnahme der Exporte auf dem Russland-Afrika-Gipfel Ende Juli. Der Kreml hat Vertreter afrikanischer Staaten zum Gespräch nach St. Petersburg geladen. Es wird sich zeigen, ob die von den steigenden Lebensmittelpreisen am härtesten getroffenen Staaten Putin zum Einlenken bewegen können.



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