Kritik an Getreide-Deal-Stopp: Russland agiert "skrupellos"
Kritik an Stopp von Abkommen:Getreide-Deal: Russland agiert "skrupellos"
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Moskau hat das Getreideabkommen mit Kiew gestoppt - international stößt das auf Kritik. Die EU spricht von einer weltweiten Ernährungskrise, die USA von "skrupellosem" Verhalten.
Nach rund einem Jahr seit Bestehen ist das Getreideabkommen zwischen Moskau und Kiew ausgesetzt worden - Russland stoppte den Deal.
Quelle: AFP
Als letztes Schiff aus der Ukraine wurde der türkische Frachter "TQ Samsun" am Montag in den Gewässern vor Istanbul kontrolliert und machte sich auf die Fahrt in die Niederlande. Dann lief abends das Abkommen über den Seeexport des ukrainischen Getreides nach knapp einem Jahr aus - eine Verlängerung lehnte Russland diesmal ab.
International wurde das russische Nein zu einer Verlängerung scharf kritisiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einer "schlechten Botschaft". UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte, Millionen der "ärmsten Menschen" würden den Preis für das Auslaufen des Abkommens zahlen.
US-Außenminister Antony Blinken nannte die Aufkündigung "skrupellos". Damit würden Lebensmittel als Waffe eingesetzt. Während die ukrainischen Exporte damit zunächst in der Schwebe sind, schloss Kremlsprecher Dmitri Peskow eine Rückkehr Russlands zu der Vereinbarung nicht aus. Erst müssten aber Probleme mit der Zulassung von russischem Getreide und Dünger auf den Weltmarkt gelöst werden.
Einen Tag nach dem Auslaufen des Getreideabkommens mit der Ukraine hat Russland derweil die Sicherheitsgarantien für ukrainische Getreideexporte aufgehoben. Dies bedeute, dass es im Nordwesten des Schwarzen Meeres wieder "eine temporär gefährliche Zone" gebe, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow nach Angaben seines Ministeriums am Dienstag in einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan. Das Koordinierungszentrum zur Umsetzung des Getreideabkommens erklärte Russland unterdessen für aufgelöst.
Selenskyj will weiter Getreide ausliefern
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte an, den Getreide-Deal alleine fortsetzen zu wollen. Schiffseigner seien bereit, ukrainische Häfen für Getreidelieferungen anzulaufen.
Lediglich das Abkommen zwischen Russland, der Türkei und der UNO sei aufgekündigt worden. Das zweite Abkommen zwischen der Ukraine, der Türkei und der UNO bestehe also weiter.
Selenskyj habe dies auch dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einem Brief mitgeteilt. Das Abkommen könne auch ohne Russland weiterlaufe. Die Welt habe eine Gelegenheit zu zeigen, dass keine Erpressung geduldet werde bei der Frage, wer genug Essen auf dem Tisch habe. Benötigt werde Schutz vor dem "Wahnsinn Russlands".
Eine Reaktion darauf gab es vonseiten der UN und der Türkei bislang nicht. Erdogan kündigte aber an, Putin umstimmen zu wollen:
Angst vor steigenden Weizenpreisen ohne Ukraine als Produzent
Ohne Getreide des wichtigen Produzenten Ukraine wächst die Furcht vor einem erneuten Anstieg der Lebensmittelpreise gerade für arme Länder. Die Weizenpreise seien "immer noch auf einem Zehnjahreshoch", sagte Martin Frick, Direktor des UN-Welternährungsprogramms in Deutschland, im "heute journal".
Abkommen schon mehrmals verlängert
Russland hatte nach Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2021 auch die Seehäfen des Nachbarlands blockiert. Nach fünf Monaten einigte man sich dann auf ein Abkommen. Es ermöglichte der Ukraine eine Ausfuhr übers Schwarze Meer, allerdings nur in beschränktem Umfang. Vertreter der UN, Russlands, der Ukraine und der Türkei kontrollierten die Schiffsladungen in Istanbul. Das Abkommen wurde mehrfach verlängert, zuletzt Mitte Mai um zwei Monate. In der Nacht zu Dienstag läuft die Vereinbarung nun offiziell aus.
Die Ukraine und Russland gelten als wichtige Lieferanten von Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl und anderen Nahrungsmitteln für Länder in Afrika, im Nahen Osten und in Teilen Asiens. Vor Kriegsbeginn lieferten sie fast ein Viertel der Getreideexporte weltweit. Russland war außerdem der weltweit größte Exporteur von Düngemitteln. 2022 konnte die Ukraine trotz des Krieges auch dank des Getreide-Deals mehr als 38 Millionen Tonnen exportieren und dabei Erlöse von umgerechnet über acht Milliarden Euro erzielen.
Moskau hat das Abkommen zur Getreideausfuhr aus der Ukraine über das Schwarze Meer vorerst gestoppt. Ankara will nun vermitteln. Welche Folgen ein Ende des Abkommens haben könnte.