Kritik an Militärführung:Russischer General Iwan Popow muss gehen
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Weil er die Führung in Moskau kritisierte, ist General Iwan Popow - zuständig für den Süden der Ukraine - entlassen worden. Er ist nicht der erste Befehlshaber, den Moskau abzieht.
Nach Kritik an der Militärführung in Moskau entlassen: General Iwan Popow
Quelle: Reuters
Im russischen Militär mehrt sich die Kritik an der Kriegsführung in der Ukraine. Und Moskau entlässt diejenigen, die sich widersetzen. General Iwan Popow, der die im Süden der Ukraine eingesetzte 58. Armee befehligte, wurde nach eigenen Angaben wegen Kritik an der militärischen Strategie vom Posten des Kommandeurs entbunden.
Er habe die Militärführung über die Lage an der Front und über Versäumnisse der obersten Befehlshaber informiert, die eigene Soldaten das Leben gekostet hätten, erklärte Popow. Daraufhin sei er entlassen worden, heißt es in seiner Sprachnachricht, die der Abgeordnete Andrej Guruljow veröffentlichte. Eine solche öffentliche Kritik nicht einmal drei Wochen nach der Meuterei der Wagner-Söldner zeigt, wie groß die Unzufriedenheit im Militär ist.
Prigoschin wollte Wechsel im Verteidigungsministerium
Zudem hatte Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin seit langem Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow Versagen vorgeworfen und wollte ihre Absetzung erzwingen. Präsident Wladimir Putin, der auf einen raschen Sieg bei der am 24. Februar 2022 begonnenen Invasion gesetzt hatte, ließ beide im Amt. Dagegen wurde General Sergej Surowikin, Gerassimows Stellvertreter als Kommandeur des Ukraine-Einsatzes, seit der Meuterei nicht mehr gesehen.
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Von wann die Sprachaufnahme Popows stammt, war unklar. Ihre Authentizität konnte nicht unabhängig überprüft werden. Guruljow ist ein früherer Armeekommandant, der oft im Staatsfernsehen auftritt. Das Verteidigungsministerium äußerte sich nicht dazu. Popow ließ offen, wann er die Kritik geäußert hat.
Popow erklärte, er habe die Wahl gehabt zu schweigen und feige zu sein oder die Dinge anzusprechen. Seine Vorgesetzten hätten ihn wohl als Gefahr gesehen und in nur einem Tag einen Befehl des Ministeriums ausgeheckt, um ihn loszuwerden. "Die ukrainische Armee konnte unsere Reihen an der Front nicht durchbrechen", sagte er.
Popow: "Ich erwarte mein Schicksal"
Er verwies auf den Tod russischer Soldaten, die durch ukrainische Artillerie getötet wurden, und sagte, der eigenen Armee fehle es an geeigneter Artillerie zur Abwehr und an Aufklärung der Stärke des Feindes. "Ich hatte kein Recht, in ihrem Namen, im Namen meiner gefallenen Mitstreiter, zu lügen, also habe ich alle bestehenden Probleme dargelegt", sagte Popow. "Ich erwarte mein Schicksal."
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Die Entlassung des 48-Jährigen ist nicht der erste Fall, der Anlass zu Spekulationen gibt. Direkt nach der Söldner-Meuterei traten zwar Putin und Schoigu öffentlich auf, nicht aber die Top-Generäle. Deswegen begann die Gerüchteküche zu brodeln, ob sie womöglich vorab von der Söldner-Meuterei wussten und was mit ihnen geschehen ist.
Gerassimow war erst gut zwei Wochen nach der Rebellion wieder zu sehen. Erst am Montag zeigte das Verteidigungsministerium ein Video, das ihn bei einer Sitzung mit führenden Generälen am Sonntag zeigen soll. In dem Clip wird er als Chef des Generalstabs der russischen Streitkräfte bezeichnet, also seinem offiziellen Posten.
Was ist mit General Surowikin?
Das Schicksal Surowikins, der auch "General Armageddon" genannt wird, lässt die russische Führung dagegen offen. Unklar ist auch, was mit Prigoschin und seiner Privatarmee geschehen ist. Seine Meuterei stellt für Putin die größte Herausforderung dar, seit er 1999 erstmals Präsident wurde. Der Staatschef warf Prigoschin Verrat vor.
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Am Mittwoch teilte das Verteidigungsministerium mit, die Wagner-Söldner, die vor allem an der Ostfront eine wichtige Stütze des Militärs waren, seien dabei, die Übergabe ihrer Waffen an die Armee abzuschließen. Sie wurden nach der Meuterei am 23. und 24. Juni vor die Wahl gestellt, sich in die Armee zu integrieren, mit Prigoschin ins Exil nach Belarus zu gehen oder sich ins Privatleben zurückzuziehen.
Wo Prigoschin sich aufhält, ist unklar. Die Zukunft seines Firmenkonglomerats und der Einsätze seiner Privatarmee unter anderem in Syrien, Mali und der Zentralafrikanischen Republik ist ungewiss. Dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zufolge ist Prigoschin nicht mehr in Belarus, sondern in Russland. Vor wenigen Tagen teilte das Präsidialamt in Moskau mit, Putin habe sich am 29. Juni mit Prigoschin getroffen - nur fünf Tage nach der Meuterei.
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