Wahl in Thüringen: Die Top-Themen der Spitzenkandidaten

    Migration, Ukraine, Ampel-Streit:Die Top-Themen der Thüringer Spitzenkandidaten

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    Am 1. September wird in Thüringen gewählt. Migration, der Ukraine-Krieg und die Bundespolitik bestimmen den Wahlkampf. Wie sich die Kandidaten positionieren: ein Überblick.

    Blick vom Schloss Friedenstein auf die Altstadt von Gotha mit den historischen Rathaus. Im Hintergrund Windräder.
    "Es geht hier um viel" sagt Melanie Haack, ZDF-Studioleiterin in Thüringen über die Landtagswahl.23.08.2024 | 4:21 min
    Noch zehn Tage sind es bis zur Landtagswahl in Thüringen. Ähnlich wie in Sachsen, wo ebenfalls am 1. September gewählt wird, liegt die AfD laut Zahlen des aktuellen ZDF-Politbarometers mit 30 Prozent der Stimmen vorn.
    Die Koalitionsbildung in Thüringen dürfte nach der Wahl schwierig werden. Die rot-rot-grüne Regierung des amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, die aktuell ohne parlamentarische Mehrheit regiert, ist in den Umfragen weit von einer eigenen Mehrheit entfernt.
    Im ZDF-Morgenmagazin sprechen die Spitzenkandidaten der Parteien über die aus ihrer Sicht wichtigsten Themen der Thüringerinnen und Thüringer im Wahlkampf.

    Stefan Möller, AfD: "Null Bezug zur Nazi-Zeit"

    Migration: Thüringens AfD-Co-Chef Stefan Möller spricht sich gegen Arbeit für Asylbewerber aus: "Es geht den Leuten, die die AfD wählen, nicht darum, dass man Asylbewerber, insbesondere auch geduldete, in Arbeit bringt." Möller lobt in dem Zusammenhang Deutschlands einzigen AfD-Landrat in Sonneberg, Robert Sesselmann:

    Es geht darum, dass wir die Leute abschieben und genau das tut der Mann.

    Stefan Möller, Landessprecher der AfD

    Stefan Möller
    Die Thüringer AfD hat ihrem Programm ein Gedicht eines Nationalsozialisten vorangestellt. Bezüge zur Nazizeit seien "abstruse Interpretationen", so Stefan Möller, Landessprecher AfD.23.08.2024 | 8:01 min
    Rechtsextremismus: Zwei Mal wurde AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke in diesem Jahr wegen der Verwendung rechtsextremer Parolen verurteilt - die Revisionen laufen derzeit. Entgegen anders lautender Vorwürfe sieht Möller im Programm der AfD "null Bezug zur Nazi-Zeit" - anderweitige Vorwürfe seien abstrus.

    Es wird letztlich alles herbeigeredet.

    Stefan Möller, Landessprecher der AfD

    Fachkräftemangel: Die AfD will den Fachkräftemangel in Deutschland - neben der Forderung nach mehr Geburten in Deutschland -  durch "ein ganzes Bündel an Maßnahmen" bekämpfen. Schwerpunkt sei die "Aktivierung der eigenen Reserven", etwa von Schulabgängern oder arbeitslosen Jugendlichen. Kurzfristig jedoch werde es ohne Zuwanderung von Fachkräften jedoch nicht gehen, gesteht Möller. Dass die AfD gegen jede Zuwanderung sei, sei ein "Märchen".
    Stefan Möller ist Landessprecher der AfD in Thüringen. Spitzenkandidat der Partei in Thüringen ist Björn Höcke.
    Sonntagsfrage zur Landtagswahl in Thüringen
    Die aktuelle Sonntagsfrage zur Landtagswahl in Thüringen.
    Quelle: ZDF

    Mario Voigt, CDU: "Entscheiden selbst, wer zu uns kommt"

    Migration: Thüringen sei "weltoffen" - dennoch sagt CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt: "Wir hängen nicht die Tür zu unserer Wohnung aus. Wir entscheiden schon selbst, wer zu uns kommt und wieviele." Mit Maßnahmen wie der Bezahlkarte und Arbeitsverpflichtungen hätten Landräte der CDU erstmals Gegenleistungen für Sozialleistungen gefordert. Der AfD-Landrat in Sonneberg hätte darüber "viel geredet, aber das nicht hingekriegt".
    Koalitionspartner: Voigt wünscht sich eine "stabile Mehrheitskoalition". Eine Koalition mit der AfD schließt er "klipp und klar aus". Er sei bereit, mit der BSW-Spitzenkandidatin Wolf zu kooperieren, allerdings:

    So lange Sarah Wagenknecht von außen Ansagen macht, gibt es keine Gesprächsbasis.

    Mario Voigt, Spitzenkandidat der CDU

    Mario Voigt
    "Momentan fehlt in Thüringen jeder 10. Hausarzt", so Mario Voigt, Spitzenkandidat der CDU in Thüringen. 23.08.2024 | 7:32 min
    Ukraine-Krieg: Klar sei, "Weltpolitik wird nicht im Thüringer Landtag entschieden", erklärt Voigt. Die Frage nach Krieg und Frieden bewege ihn sehr - es wünsche sich "jeder" Frieden.
    Fachkräftemangel: "Momentan fehlt in Thüringen jeder zehnte Hausarzt", so Voigt. Deshalb müssten Ausbildungskapazitäten erweitert und Bürokratie abgebaut werden. "Das wichtigste ist dass wir in Thüringen (...) auch Kliniken mit einbeziehen."

    Katja Wolf, BSW: "Über Diplomatie reden"

    Migration: Mit Blick auf ihre Zeit als Oberbürgermeisterin in Eisenach sagt BSW-Spitzenkandidation Katja Wolf, man sei "an Grenzen gestoßen". "Wir wollen nicht Zuwanderung begrenzen, sondern wir wollen die ungeordnete Zuwanderung ordnen", so Wolf. Die derzeitige Situation stelle für Kommunen eine "absolute Überlastungssituation" dar.

    Wir sind an den Grenzen unserer sozialen Infrastruktur.

    Katja Wolf, BSW-Spitzenkandidatin

    Kritik an Wagenknecht: Eigentlich war Wolf laut eigener Aussage kein Fan von Sarah Wagenknecht - dass sie nun Spitzenkandidatin der gleichnamigen Partei ist, erklärt sie damit, dass Wagenknecht mit der Parteigründung zur richtigen Zeit die Chance eines "Neustarts" gegeben habe. Dennoch: "Es war keine einfache Entscheidung."
    Katja Wolf
    "Wir wollen nicht Zuwanderung begrenzen, sondern wir wollen die ungeordnete Zuwanderung ordnen", so Katja Wolf, Spitzenkandidatin des BSW in Thüringen. 23.08.2024 | 9:31 min
    Ukraine-Krieg: Was das BSW umtreibe sei die Frage, wie man die "Eskalation" und die "völlig verfahrene Situation" wieder auf eine diplomatische Ebene bekomme, so Wolf:

    Wir müssen über Diplomatie reden.

    Katja Wolf, BSW-Spitzenkandidatin

    Umgang mit der AfD: Sowohl eine Koalition als auch die Tolerierung einer Minderheitsregierung der AfD aus. Bei der Frage, ob das BSW bei Anträgen mit der AfD kooperieren würde, ist Wolf allerdings offen: "Sollte sie [die AfD] mal einen hellen Moment haben und einen guten Vorschlag machen, dann muss man auch demokratisch die Größe haben zu sagen, 'in 99 Prozent der Fälle lehne ich deine Vorschläge ab aber an der Stelle hast du mal recht'."

    Bodo Ramelow, Linke: "Sehe die Brutalität Putins"

    Bildung: Die Probleme im Thüringer Bildungssystem begleiten Bodo Ramelow in den Jahren seiner Ministerpräsidentschaft. Derzeitige Personalnot rechtfertigt er: "Nicht 2.000 Stellen fehlen - 1.000 Menschen fehlen. Die Stellen sind bezahlt, das Geld ist da, wir können sofort 1.000 einstellen." Doch es fehle an geeignetem Lehrpersonal - nicht nur in seinem Bundesland, so der Spitzenkandidat der Linken. In seiner Amtszeit seien 7.500 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt worden.

    Der Markt ist wie leergefegt.

    Bodo Ramelow, Linken-Spitzenkandidat

    Bodo Ramelow
    "Ich sehe die Brutalität Putins", so Bodo Ramelow, Spitzenkandidat der Linken in Thüringen. 23.08.2024 | 9:31 min
    Migration: "Ich finde dass Familienzusammenführung in einem Land, das sich christlich geprägt nennt, auch eine Selbstverständlichkeit sein sollte", sagt Ramelow über den Familiennachzug für Geflüchtete. Die Infrastruktur für die Erstaufnahme habe sich auch mit Hilfe des SPD-Innenministers Georg Maier verbessert.
    Ukraine-Krieg: "Erstmal bin ich gegen jede Form von Waffenlieferungen - ich hätte das auch gerne im Grundgesetz", so Ramelow. Dennoch sagt er:

    Ein überfallener Staat muss sich verteidigen können - so sehr es mich schmerzt, die Waffen zu sehen.

    Bodo Ramelow, Linken-Spitzenkandidat

    "Ich sehe die Brutalität Putins", so Ramelow - nicht nur in der Ukraine. Putin könne überall jederzeit neu "zündeln", daher brauche es eine andere "Europäische Friedensordnung".

    Georg Maier, SPD: "Rechtsstaat muss funktionieren"

    Migration: "Wir haben das Thema jetzt besser im Griff", sagt der Spitzenkandidat der SPD, Georg Maier zum Thema Migration. Als Innenminister war Maier zuletzt zuständig für Themen wie Verteilung und Abschiebung. Gegenüber seiner Vorgängerregierung habe man es in der letzten Legislaturperiode geschafft, "die Rückführung deutlich zu erhöhen", so Maier.
    Georg Maier
    "Wer mehrfach straftätig wird, der hat keine Perspektive und der muss auch gehen", so Georg Maier, Spitzenkandidat der SPD in Thüringen zum Thema Migration. 23.08.2024 | 9:09 min
    Doch es gehe nicht allein darum, erklärt Maier - er fordert: "Der Rechtsstaat muss funktionieren. Das erwarten die Menschen von uns. Auch und gerade im Bereich Migration." Dabei sei klar:

    Wer sich hier gegen unsere Regeln verhält, wer mehrfach straftätig wird, der hat keine Perspektive hier und der muss auch gehen. Genauso Leute, die das Kalifat einfordern.

    Georg Maier, SPD-Spitzenkandidat

    Ampel-Streit: Die Ampel-Koalition im Bund verschaffe der Thüringer SPD "keinen Rückenwind", so Maier. Das liege auch am häufigen Streit der Koalitionspartner: "Da weht uns der Wind ins Gesicht."
    Ukraine-Krieg: Friedens- und Sicherheitspolitik sieht Maier weniger als Aufgabe der Bundesländer. Er erklärt: "In Thüringen können wir nicht über Krieg und Frieden entscheiden."

    Madeleine Henfling, Grüne: "Auf Integrationsfragen setzen"

    Migration: Abschiebungen seien eine individuelle Frage - auch weil es viele Ausnahmegründe dafür gebe, etwa Krankheiten oder Unklarheiten der Staatszugehörigkeit, erklärt die grüne Spitzenkandidatin, Madeleine Henfling. Eine Neuausrichtung der Migrationspolitik fordern die Grünen in Thüringen daher nicht:

    Da sehe ich jetzt keine großen Veränderungen in der jetzigen Praxis zu dem, was wir fordern.

    Madeleine Henfling, Grünen-Spitzenkandidatin

    Henfling plädiert dafür "in der Migrationspolitik vor allen Dingen auf die Integrationsfragen zu setzen" und die Menschen "schnell in Arbeit zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie hier in der Gesellschaft ankommen".
    Madeleine Henfling
    Madeleine Henfling, Spitzenkandidatin der Grünen in Thüringen will Migranten "schnell in Arbeit bringen". 23.08.2024 | 9:03 min
    Ampel-Streit: Für das schwache Abschneiden der Grünen in den Umfragen in Thüringen sieht Henfling auch die Bundespartei in der Verantwortung. Auch die Ampel-Koalition sei im Wahlkampf keine Unterstützung: "Wir nehmen natürlich alle die Ampel gerade an vielen Stellen als schwierig wahr." Die Schwäche der Thüringer Grünen schiebt Henfling auch auf die "Blockadehaltung der FDP" bei Investitionen.
    Infrastruktur: Für Thüringen setzt Henfling unter anderem auf bessere Infrastruktur in ländlichen Regionen: Jedes Dorf solle mit Bus, Bahn oder Alternativen angebunden sein - mindestens einmal pro Stunde. "Es geht darum, dass die Menschen vom Dorf und aufs Dorf wieder zurückkommen in einem annehmbaren Stundentakt."

    Thomas Kemmerich, FDP: "Bildungsgarantie für Schüler"

    Bildung: Eines der großen Themen im Thüringer Landtagswahlkampf ist für die FDP die Situation der Schulen und Bildungseinrichtungen: FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich fordert eine "Bildungsgarantie für Schüler" - auch in Hinblick auf den häufigen Unterrichtsausfall an Schulen: "Die meistgegebene Stunde ist fast Schulausfall." Dafür solle es mehr Unterricht durch Quereinsteiger sowie mehr videobasierte Lehreinheiten geben, so Kemmerich.
    Thomas Kemmerich
    "Die Leute wollen, dass ihre Probleme gelöst werden", sagt Thomas Kemmerich, Spitzenkandidat der FDP in Thüringen.23.08.2024 | 7:35 min
    Ukraine-Krieg: Mit Blick auf die Verteidigung der Ukraine gegen Russland fordert Kemmerich ein "Ausgewogenes Verhältnis zwischen Diplomatie und (…) der Verteidigung der Souveränität der Ukraine." Es sei die "Kriegsrhetorik", die die Bürger "nerve". Man wolle die Ukraine bei der Verteidigung der Souveränität unterstützen, aber:

    Aber was die Leute vermissen, sind tatsächlich sichtbare diplomatische Bemühungen, den Krieg zu einem Ende zu bringen.

    Thomas Kemmerich, FDP-Spitzenkandidat

    Das Ende des Krieges in der Ukraine sei jedoch nicht durch Thüringen zu verhandeln.
    Ampel-Streit: Auch die Thüringer FDP kritisiert mangelnden Rückenwind für die Landtagswahl aus Berlin: Dass die FDP im Bund den Wahlkampf Kemmerichs in Thüringen nicht unterstützt "verwundert mich", so Kemmerich. "Ich glaube, bei jeder Wahl einer liberalen Partei sollte auch ein Wahlkampf der Gesamtpartei sein."
    Ein Grund für den mangelnden Rückhalt der Bundes-FDP sei auch seine Kritik an der Ampel-Koalition in Berlin, so Kemmerich.

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    Quelle: ZDF, dpa

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