Nach der Eilentscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs konnte heute Morgen die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags weitergehen. Diesmal ohne Eklat. Und nun?
Nachdem die AfD sich dem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs beugte, wird CDU-Abgeordneter König zum Landtagspräsidenten gewählt. Dieser appelliert an das demokratische Gewissen.28.09.2024 | 1:48 min
"Kräftemessen", "Showdown", "Theaterstück" - die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags von vergangenem Donnerstag hat viele Namen bekommen.
Statt Ordnungsrufen und Vorwürfen der "Machtergreifung", ging es heute deutlich ruhiger zu. Es gab Blumen und Glückwünsche, ein neuer Landtagspräsident ist gewählt. Mit Thadäus König von der CDU ist der achte Thüringer Landtag nun voll arbeitsfähig.
Landtag konstituiert nach Entscheid des Verfassungsgerichts
Um 9:32 Uhr läutet der am Donnerstag für Furore sorgende Alterspräsident Jürgen Treutler von der AfD die Glocke, eröffnet damit die konstituierende Sitzung des achten Thüringer Landtags erneut. Mit Spannung erwartet war, wie sich Treutler und die AfD nach der gestrigen Gerichtsentscheidung verhalten.
Die erste Sitzung des Thüringer Landtages verlief turbulent. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl, warf Alterspräsident Jürgen Treutler "Machtergreifung" vor.26.09.2024 | 3:14 min
Die CDU hatte den Thüringer Verfassungsgerichtshof am Donnerstag angerufen, was zum Abbruch der Sitzung führte. Der Vorwurf: Treutler habe Rechte der Fraktion, einzelner Abgeordneter und des Parlaments verletzt. Sie beantragten eine einstweilige Verfügung. Voraus ging ein Streit um die Wahl des Landtagspräsidenten bzw. der -präsidentin.
Das Gericht entschied weitgehend gegen die Rechtsauffassung der AfD, gab dem Alterspräsidenten klare Regeln. Er muss das Parlament über eine aktualisierte Tagesordnung abstimmen lassen. Und das tut Treutler auch. "Ich werde mich an diesen Beschluss halten", kündigt er gleich zu Beginn der Sitzung an.
Die thüringer AfD habe im Landtag gezeigt, „dass sie ihre Strategie rigoros verfolgt“, so ZDF-Korrespondentin Haack. Der Landtag müsse nun verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. 28.09.2024 | 1:33 min
AfD-Kandidatin Muhsal auch als Vizepräsidentin nicht gewählt
So wird der von CDU und BSW gestellte Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung mit 55 Ja-Stimmen angenommen. Das alleinige Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten liegt nun nicht mehr bei der stärksten Fraktion - derzeit die AfD. Stattdessen dürfen alle Fraktionen bereits im ersten Wahlgang einen Kandidaten oder Kandidatin vorschlagen.
Leer ausgegangen: die Thüringer AfD-Politikerin Wiebke Muhsal.
Quelle: Reuters
Zur Wahl stehen Wiebke Muhsal von der AfD sowie Thadäus König von der CDU. 32 Stimmen entfallen auf Muhsal - das entspricht der Stärke der AfD- Fraktion. Thadäus König erhält 54 Stimmen. Nach seiner Wahl sagt der neue Landtagspräsident:
Wegen des Scheiterns der Wahl eines Landtagspräsidenten ist das Thüringer Verfassungsgericht angerufen worden. Ein "politisches Novum" im Land, so Thüringen-Korrespondentin Melanie Haack.26.09.2024 | 1:39 min
Muhsal fällt auch bei der Wahl zur Vize-Präsidentin durch. Ihre Nominierung war bereits im Vorfeld umstritten. Die 38-Jährige ist wegen Betrugs verurteilt, nachdem sie einen Arbeitsvertrag mit einer Mitarbeiterin vordatiert hatte, um zusätzliches Geld von der Landtagsverwaltung zu erhalten. Ein zweiter Wahlgang ist möglich, sollte laut AfD aber nicht mehr heute erfolgen.
Höcke: AfD von Verfassungsgericht "um Sieg gebracht"
Für AfD-Chef Björn Höcke ist seine Partei durch das Handeln der anderen Fraktionen und den Entscheid des Verfassungsgerichts "um den Sieg gebracht worden".
Als Wahlsieger hätte ihnen das Amt des Präsidenten zugestanden, es sei ein historischer Tabubruch der Parlamentsgeschichte, der juristisch und politisch nachgearbeitet werden müsse.
Der AfD-Politiker Björn Höcke ist beurlaubter Beamter. Wie wurde aus Geschichtslehrer Höcke ein rechtsextremer Politiker?09.09.2024 | 10:25 min
Für Mario Voigt, Fraktionsvorsitzender der CDU, war der heutige Tag eine "wichtige Etappe". Seine Fraktion habe außerdem ein Signal gesetzt, indem sich 14 Abgeordnete bei der Wahl Muhsals zur Vizepräsidentin enthalten hätten. Wenn die AfD nun einen "vernünftigen Vorschlag" mache, seien sie bereit, jemanden aus der AfD ins Vize-Amt zu wählen.
Nach Eklat: Neue Debatte um AfD-Verbotsverfahren
Die Stimmung im hohen Hause Thüringens war heute weniger eskalativ als noch vor zwei Tagen. Auch seitens der AfD. "Das war einfach die Einsicht, dass sie es überzogen haben.", so Mario Voigt (CDU).
Noch-Innenminister Georg Maier (SPD) hatte sich nach der Landtagssitzung am Donnerstag für ein AfD-Parteiverbotsverfahren ausgesprochen. Für ihn seien die Voraussetzungen gegeben. Nach der Landtagssitzung am Samstag sagte Maier:
Die extreme Rechte wird stärker – vor allem im früher "linken" Osten. Doch das rechte Phänomen ist nicht neu in Ostdeutschland.18.08.2024 | 44:56 min
Talg: AfD-Verhalten am Donnerstag war "Grenzverschiebung"
Laut Juliana Talg, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Thüringen-Projekt des Verfassungsblogs, habe sich die AfD heute betont kooperativ gezeigt. Die Missachtung parlamentarischer Regeln am Donnerstag sei eine Grenzverschiebung gewesen.
Und sollte heute mit der Rückkehr zur Tagesordnung vollzogen und normalisiert werden. "Der Entscheidung des Gerichts beugt sie sich, nicht ohne sich als Opfer zu stilisieren und das Gericht zu delegitimieren", so Talg.
Demokratieschutz von Politik nicht umgesetzt
Mit Blick auf die Ministerpräsidentenwahl hänge viel von einer Einigung der anderen Fraktionen ab. Je wackeliger, desto größer sei das Potenzial für die AfD, auch hier für Chaos zu sorgen.
Die Thüringer AfD wird als rechtsextrem eingestuft. Was, wenn sie im Freistaat an die Macht käme? Experten geben Handlungsempfehlungen, um die Demokratie zu schützen.
Mona Trebing, Erfurt
Analyse
Das Thüringen-Projekt hatte bereits vor Monaten Handlungsempfehlungen an die Politik gegeben, um Eklats wie in den vergangenen Tagen zu vermeiden. Umgesetzt hat der alte Landtag sie nicht.
Kommende Woche stehen die ersten Sondierungsverhandlungen zwischen CDU, BSW und SPD an. Doch sie kämen zusammen nur auf die Hälfte aller Sitze des Parlaments.
Mona Trebing ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Thüringen.