AfD in Thüringen: Wie die Demokratie gestärkt werden kann

    Analyse

    Bei AfD-Erfolg in Thüringen:Wie sich Demokraten gegen Höcke wehren könnten

    von Mona Trebing, Erfurt
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    Die Thüringer AfD wird als rechtsextrem eingestuft. Was, wenn sie im Freistaat an die Macht käme? Experten geben Handlungsempfehlungen, um die Demokratie zu schützen.

    AfD-Politiker Björn Höcke im Gerichtssaal in Halle.
    Der AfD-Politiker Björn Höcke muss sich vor Gericht wegen mutmaßlichen SA-Äußerungen verantworten. Trotzdem könnte er bei der Landtagswahl in Thüringen mit der AfD gewinnen.
    Quelle: epa

    Am ersten September wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Laut Umfragen ist die AfD aktuell mit etwa 30 Prozent stärkste Kraft im Freistaat.
    Was, wenn das in 136 Tagen immer noch so wäre und die AfD - auch ohne Regierungsmehrheit - staatliche Machtmittel in die Hand bekäme? Welche Folgen für die Demokratie im Freistaat hätte das womöglich? Könnte die in Thüringen als rechtsextrem eingestufte Partei staatliche Instrumente nutzen, um demokratische Institutionen von innen heraus zu untergraben?
    Leute mit Banner: "Weltoffenes Thüringen"
    Im September wird in Thüringen gewählt, laut Umfragen ist die AfD dort besonders stark. Die Kampagne „Weltoffenes Thüringen“ will der schweigenden Mehrheit eine Stimme geben. 25.01.2024 | 1:43 min

    Schwachstellen der Demokratie ausgenutzt: Polen und Ungarn als Negativ-Beispiele

    Der Jurist und Gründer von verfassungsblog.de Maximilian Steinbeis beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen wie diesen. Er weiß, wie beispielsweise in Polen oder Ungarn die Schwachstellen der Demokratie bereits ausgenutzt wurden, um den Rechtsstaat zu untergraben und umzuformen. Eine ähnliche Entwicklung hält er auch in Deutschland für möglich.
    Um Resilienz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland zu stärken, wollten Steinbeis und andere Wissenschaftler*innen mit dem "Thüringen-Projekt" erforschen, "welche Spielräume eine autoritär-populistische Partei auf Landesebene hätte", und darauf aufmerksam machen, was passieren könnte.
    Die AfD sei der Anlass gewesen, jedoch nicht Gegenstand des Projekts, betont Steinbeis.

    Steinbeis: Verfassungsrechtliche Einfallstore für Populisten schließen

    Nun stellten Steinbeis und sein Team in Erfurt ihre Erkenntnisse vor. In ihren Recherchen hätten sie mehrere "(verfassungs)rechtliche Einfallstore identifiziert, die relativ einfach geschlossen werden könnten, um die Thüringer Rechts- und Verfassungsordnung resilienter gegenüber autoritär populistischen Strategien zu machen", schreiben die Autor*innen in ihrem Papier.
    Eine Demokratie sei durchaus widerstandsfähig, sofern sie vorbereitet sei, so Maximilian Steinbeis. "Vorbereitet auf Angriffe von Antidemokraten, die Recht und Macht für ihre Zwecke missbrauchen wollen". Deshalb sei es wichtig, schon heute darüber nachzudenken, was nach der Landtagswahl Realität werden könne.
    Es seien überlebenswichtige Organe der Demokratie, die nach der Wahl bedroht sein könnten. Zum Beispiel die Gewaltenteilung oder die freie Presse.
    Björn Höcke
    Eine Petition zum Entzug der Grundrechte des AfD-Politikers Björn Höcke hat über eine Million Unterschriften gesammelt. Ihm wird Verfassungsfeindlichkeit vorgeworfen.16.01.2024 | 2:06 min

    AfD: mit Sperrminorität gegen Medienstaatsverträge

    Sieben konkrete Handlungsempfehlungen sprechen Steinbeis und sein Team an die Politik aus. So schlagen sie zum Beispiel einen Antiblockade-Mechanismus bei der Wahl von Richtern für das Thüringer Verfassungsgericht vor. Denn: Erhält die AfD mehr als ein Drittel der Sitze im Landtag - die Sperrminorität - könnte sie Abstimmungen blockieren, für die eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich ist. Dazu gehört in Thüringen auch die Wahl von Richter*innen für den Verfassungsgerichtshof.
    Zudem plädieren die Expert*innen dafür, dass ein Thüringer Ministerpräsident nicht mehr allein Medienstaatsverträge für das Bundesland aufkündigen können soll, sondern das Parlament mit eingebunden werden muss.
    AfD-Landeschef Björn Höcke, der sich seit heute wegen des Vorwurfs, eine verbotene SA-Losung verwendet zu haben, vor dem Landgericht Halle verantworten muss, hatte angekündigt, die Medienstaatsverträge kündigen zu wollen - sollte er Ministerpräsident in Thüringen werden.
    Studiogespräch Sarah Tacke
    Die verbotene Losung der SA sei nur dann strafbar, wenn man sie vorsätzlich verwende, um an die NS-Zeit anzuknüpfen, so ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke.18.04.2024 | 2:04 min

    Polizei und Verfassungsschutz

    Die Wissenschaftler*innen raten ebenfalls dazu, Polizei- und Verfassungsschutzpräsident*in aus der Liste der politischen Beamt*innen zu streichen. "Da bei ihrer Ausübung die politische Neutralität besonders wichtig ist", heißt es.
    Ein Ministerpräsident, egal ob demokratisch oder antidemokratisch, kann diese sonst "ohne Angabe von Gründen sofort nach Amtsantritt ersetzen".
    Höcke wegen verbotener SA-Parole vor Gericht
    Am Landgericht Halle beginnt der Prozess gegen Thüringens AfD-Chef Björn Höcke. Ihm wird vorgeworfen, eine verbotene Parole der Sturmabteilung (SA) der NSDAP verwendet zu haben.18.04.2024 | 3:00 min

    Landtagsvorsitz und Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen

    Außerdem sei es wichtig, das Vorschlagsrecht für das Amt der Landtagspräsident*in zu konkretisieren. Derzeit liegt es bei der stärksten Fraktion, doch laut der Wissenschaftler*innen sollten alle Fraktionen Kandidat*innen vorschlagen dürfen.
    "Dass der Ministerpräsident in geheimer Wahl gewählt wird, setzt einen Anreiz für Missbrauch", schreiben die Expert*innen in ihrem Papier. Um Szenarien wie in 2020, als Thomas Kemmerich (FDP) mittels eines Tricks der AfD kurzzeitig zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, zu vermeiden, sollte die Wahl laut Steinbeis und Team also offen erfolgen.

    Thüringen-Monitor
    :Rechtsextreme Einstellungen stark gestiegen

    Im September wählt Thüringen einen neuen Landtag. Die AfD könnte stärkste Kraft werden. Der Anstieg rechtsextremer Einstellungen spiegelt sich auch im Ergebnis einer Studie wider.
    von Anna Buchschwenter
    Besucher eines Rechtsrock-Festivals in Thüringen. Archivbild)

    Steinbeis: Verfassungsänderungen bis September möglich

    Um die Handlungsempfehlungen noch vor der Landtagswahl umsetzen zu können, raten die Wissenschaftler*innen den demokratischen Fraktionen, "jetzt an einem Strang" zu ziehen.
    "Den politischen Willen vorausgesetzt", wäre laut Maximilian Steinbeis eine Verfassungsänderung bis September noch möglich - sofern die demokratischen Abgeordneten sich einigen können.

    AfD-Politiker auf Anklagebank
    :Vorwurf Nazi-Parole: Höcke schweigt zu Beginn

    Das Landgericht Halle verhandelt darüber, ob sich Björn Höcke durch das Verwenden einer verbotenen Nazi-Parole strafbar gemacht hat. Der AfD-Politiker will noch selbst aussagen.
    Ann-Kathrin Jeske, Halle (Saale)
    Björn Höcke steht während einer Pause seines Prozesses im Landgericht Halle in einem Aufzug am 18.04.2024.
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    von Melanie Haack und Daniela Sonntag