Sachsen: Tafeln trifft nicht nur der fehlende Landeshaushalt

Tafel in Sachsen schlägt Alarm:Kritik an Abschlagszahlungen für Ehrenamtler

von Anja Charlet
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Bis es einen neuen Haushalt gibt, zahlt der Freistaat Sachsen ehrenamtlichen Helfern nur einen Abschlag als Unkostenpauschale. Die Tafel in Plauen fürchtet um die Zukunft.

Kürzung bei Tafeln
Tafeln sind häufig nicht ausreichend finanziert, obwohl sie eine wichtige Arbeit leisten. Jetzt sollen die Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Helfer in Sachsen um mehr als die Hälfte gekürzt werden.14.04.2025 | 1:52 min
Konstanze Schumann, die Chefin der Tafel in Plauen, ist gewohnt, Probleme pragmatisch anzugehen. Sie kann so schnell nichts aus der Fassung bringen. Nach einem Schreiben des sächsischen Sozialministeriums ist sie allerdings in Sorge, dass sie ehrenamtliche Helfer in Plauen und Umgebung verlieren könnte.
Bis in Sachsen ein neuer Haushalt beschlossen ist, zahlt der Freistaat den Ehrenamtlichen der Tafel erst einmal nur einen Abschlag zur monatlichen Unkostenpauschale, die bisher bei 40 Euro lag. Demnach bekommt jeder, der mit anpackt, aktuell 19 Euro. Konstanze Schumann fürchtet, dass sich da so mancher nicht mehr die Fahrtkosten zu den Einsatzorten leisten kann. Denn einen Rechtsanspruch auf die Förderung gibt es nicht.

Neun Tafeln von Schließung bedroht

Dabei haben die Tafeln Zulauf, auch in Sachsen: Immer mehr Rentner würden kommen, weil die bescheidenen Altersbezüge im Osten mitunter nicht reichen. Zudem Alleinerziehende, Asylsuchende, Menschen aus der Ukraine. Arbeit gibt es für die Tafeln angesichts der vielen Krisen mehr als genug.
Die Kommunen könnten - nach dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst - auch nicht einspringen, so Konstanze Schumann, die mit den Bürgermeistern der Umgebung im Austausch ist. Schumann fürchtet, dass sie 2026 die neun ländlichen Ausgabestellen der Tafel schließen müssen, wenn Ehrenamtliche abspringen.
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Ehrenamtliche Helfer unverzichtbar

Viele hätten ein soziales Gewissen und wollten weiter zur Verfügung stehen. So wie Waltraud Klarner, die sagt, sie sei mit Leib und Seele dabei, seit Jahren. Als Rentner sei man oft alleine daheim. Hier werde man gebraucht. Das sei ihr Antrieb.
Dass sie immer wieder bei den Kleinen sparen, mache sie wütend. Zumal die Unterstützung für die Tafeln gewiss nicht die größten Posten im Haushalt wären. Und dann seien gerade auch noch die Diäten im Landtag gestiegen. Obgleich das noch die Vorgänger-Regierung beschlossen hatte. "Das passt doch nicht zusammen", sagt Waltraud Klarner. Sie selbst fährt dreimal die Woche 24 Kilometer von ihrem Wohnort nach Plauen und Umgebung und zurück. Mit dem Abschlag jetzt von 19 Euro komme man nicht weit.
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Landesregierung dementiert Kürzungspläne

Konstanze Schumann zahlt ihren Ehrenamtlern weiterhin 40 Euro aus. Für ein paar wenige Monate reiche es noch. Rücklagen gibt es kaum.
Das zuständige Sozialministerium in Dresden verweist auf Regularien und die Vorgaben des Finanzministeriums. Wenn der Haushalt beschlossen sei (wahrscheinlich im Juni) komme man bei der Pauschale fürs Ehrenamt wahrscheinlich wieder auf knapp unter 40 Euro.

Eine drastische Kürzung ist seitens der Staatsregierung nicht vorgesehen.

Sächsisches Sozialministerium

So lautet die Antwort des Sozialministeriums auf ZDF-Anfrage hin. Die zuständige Ministerin Petra Köpping (SPD) kämpfe wie eine Löwin, sagt der Chef der Tafeln in Sachsen, Stephan Trutschler.

Es ist ein Abschlag, und wir hoffen, dass es mehr wird. Aber das ist das Prinzip Hoffnung. Wir sind auf Kante genäht und zwar extrem.

Stephan Trutschler, Landesvorstand Tafeln Sachsen e.V.

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Jobcenter können nicht einspringen

Dazu komme noch das Problem, dass es auch noch keinen Bundeshaushalt gibt. Das heißt, die Jobcenter haben kein Geld, Mitarbeiter zur Tafel zu schicken. Zum Beispiel geringfügig Beschäftigte, die die Lieferfahrzeuge fahren.
Trutschler würde den etwa 900 Ehrenamtlichen bei der Tafel in Sachsen gern das Deutschlandticket zur Verfügung stellen. Doch angesichts der finanziellen Zwänge scheint das hoffnungslos. "Wenn wir die 40 Euro halten könnten, hätten wir Ruhe an der Front. Das wäre ein Zeichen."
Und damit solle man auch nicht bis Juni oder Juli warten, sagt Trutschler. Im gerade ausgehandelten Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es, man wolle die Tafeln weiter unterstützen. Das wäre für den sozialen Frieden, nicht nur in Sachsen, wichtig.
Anja Charlet ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Sachsen.

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