Maren Urner verrät, was gegen die Dauerkrise hilft
Interview
Lichtblicke und Katzenvideos:Was hilft gegen die Dauerkrise, Frau Urner?
|
In ihren Büchern zeigt sie Wege gegen die Dauerkrise und "digitale Vermüllung". Für Neurowissenschaftlerin Maren Urner sind Vorbilder sehr wichtig. Auch Tiervideos können helfen.
Inmitten von Krisen gab es 2024 auch Hoffnung: Von der Wiedereröffnung von Notre Dame bis zum Erfolg im Umweltschutz – über Momente des Staunens und des Fortschritts.30.12.2024 | 4:40 min
Das Jahr 2024 verbinden viele mit Krisen, Kriegen und Katastrophen. Die Neurowissenschaftlerin Maren Urner zeigt auf, was gegen den Dauerkrisenmodus hilft und wie das Positive nicht aus dem Blick gerät.
ZDFheute: Wie wichtig sind Lichtblicke in Zeiten vieler Krisen?
Maren Urner: Gerade wenn man das Gefühl hat, man verfällt in diesen Dauerkrisenmodus, ist es ganz zentral sich immer auch zu fragen, wie wollen wir denn eigentlich damit umgehen? Dabei können Lichtblicke oder positive Entwicklungen, die es überall auf der Welt gibt, helfen. Aber auch sich bewusst zu machen, wie konsumiere ich denn eigentlich News und Nachrichten? Da kann helfen, sich das einfach zu notieren oder mit anderen Menschen darüber zu sprechen und dann zu schauen, möchte ich das eigentlich wirklich so und tut mir das gut?
Trump wird zum US-Präsidenten wiedergewählt - wenige Stunden später zerbricht die Berliner Ampel. In Ukraine und Israel tobt weiter Krieg. Auch 2024 kommt die Welt nicht zur Ruhe.24.12.2024 | 58:34 min
ZDFheute: Sind die Massendemonstrationen vom Anfang des Jahres so ein Lichtblick?
Urner: Was Menschen brauchen, um selbst aktiv zu werden, ist das Gefühl, dass das, was sie tun, eine Bedeutung hat. Was wir bei den großen Demonstrationen sehen können, ist, dass etwas entstehen kann, was einer oder wenige Menschen allein nicht schaffen können. Dieses Gefühl ist ein bisschen wie legales Rauschmittel für das Gehirn. Weil es uns in einen Zustand versetzt, der uns glauben lässt, dass wir Veränderungen bewirken können.
Quelle: ZDF
… ist Neurowissenschaftlerin und Autorin. Als Professorin für Nachhaltige Transformation an der FH Münster forscht sie zu gesellschaftlichen Transformationsprozessen. Sie ist Mitbegründerin des Online-Magazins Perspective Daily und Autorin der Bücher "Schluss mit dem täglichen Weltuntergang", "Raus aus der ewigen Dauerkrise" und "Radikal emotional".
ZDFheute: Immer wieder heißt es, Menschen wollen mehr gute Nachrichten sehen. De facto ist es aber so, dass vor allem die schlechten klicken. Warum?
Urner: Unser Hirn kommt mit einem sehr ausgeprägten Überlebensmechanismus daher. Die Vorliebe für alles Negative und damit auch eine schnellere, bessere und intensivere Verarbeitung ist erstmal nichts weiter als dieser Mechanismus, der schon vor sehr langer Zeit geprägt wurde.
Jetzt haben wir sieben Tage die Woche ein digitales Endgerät dabei und werden kontinuierlich in diesen Gefahrenmodus versetzt. Weil er sich einfach besser verkauft, weil unser Hirn gerade in Stresssituationen mehr auf das Negative reagiert.
Was stresst uns, wie und warum? Ist Stress immer gefährlich? Gibt es auch positiven Stress? Wie schaffen wir es unter Stress, rationale Entscheidungen zu treffen?24.09.2023 | 27:00 min
ZDFheute: Katzenvideos statt Bundestagsreden, bringt das was?
Urner: Tatsächlich gibt es Studien, dass das Anschauen von Tiervideos nicht nur unsere Stimmung hebt, sondern auch dafür sorgt, dass wir uns wieder besser konzentrieren können. Ein neugieriger Umgang mit dem eigenen Gehirn und der Fähigkeit mit Informationen umzugehen, ist der beste Weg, den man gehen kann. Zu sagen, jetzt ist es in Ordnung Tiervideos zu schauen, weil ich weiß, dass es mir danach hilft, mit den Problemen und Herausforderungen umzugehen.
ZDFheute: Wie gefährlich ist der Rückzug ins Private für die Demokratie?
Urner: Eine Demokratie basiert darauf, dass wir miteinander in Austausch treten. Wenn viele Menschen sich dem entziehen, dann haben wir ein Problem. Denn dann überlassen wir den nicht mehr demokratischen Diskurs den Menschen, die denken, sie haben die richtigen Antworten für uns.
Demokratie muss nicht alt, steif und verstaubt sein. Egal ob Jungpolitiker, Influencerin oder Kulturverein - sie alle geben der Demokratie einen neuen Look.
19.09.2024 | 29:44 min
ZDFheute: Ist das der Kern der gesellschaftlichen Probleme? Und was kann dagegen helfen?
Urner: Was wir aktuell erleben, ist vor allem auch eine Vorstellungskrise.
Spannend ist ja, egal ob es jetzt die Wiedereröffnung von Notre Dame oder der Flug zum Mond ist, dass es immer darum ging, dass Menschen eine vielleicht verrückte Idee hatten und dann angefangen haben, andere Menschen zu mobilisieren an diese Vision zu glauben. Das Spannende ist, dass allein dieser Glaube Berge versetzen kann.
ZDFheute: Das heißt, Probleme können Menschen nur gemeinsam lösen?
Urner: Wir sind keine kriegerische Spezies, sondern eine kooperierende, die ihr Gehirn vor allem braucht, um komplexe soziale Strukturen zu durchdringen und darin erfolgreich zu agieren. Wir erzählen uns da leider häufig die falsche Geschichte. Es sind immer Gruppen von Menschen, die Veränderung anregen.
Das Interview führte Eva Schiller, Leiterin des ZDF-Landesstudios Bayern, zusammengefasst und aufbereitet hat es ZDF-Redakteur Niklas Hesselmann.
Stärken entdecken, Resilienz steigern, glücklicher Leben - die Positive Psychologie soll Menschen zu mehr Wohlbefinden führen. Wie das funktioniert, erklären zwei Experten.
von Thilo Hopert
mit Video
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.