Prantl zu AfD-Parteiverbot: "Man darf nicht warten"
Diskussion über AfD-Parteiverbot:Journalist Prantl: "Man darf nicht warten"
von Michael C. Starke
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Wer die Demokratie schützen will, muss die Instrumente der wehrhaften Demokratie auch nutzen, fordert Journalist Prantl. FDP-Urgestein Baum zeigt sich davon wenig überzeugt.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 25. Juli 2024 in voller Länge.25.07.2024 | 74:01 min
Eine "wehrhafte Demokratie", das sollte die neue Bundesrepublik werden - eine Nazi-Herrschaft und ihre Verbrechen sollte sich unter keinen Umständen wiederholen. Dieses Ziel trieb den Parlamentarischen Rat an, der das Grundgesetz erarbeitete.
Carlo Schmid, der als einer der "Väter" des Grundgesetzes gilt, formulierte 1948 in seiner Rede im Parlamentarischen Rat, dass "man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen [muss], die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen".
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Prantl: "Grundgesetz sagt: 'Nie wieder'"
"Über dem Grundgesetz steht der Satz "Nie wieder!", sagte auch Heribert Prantl am Donnerstagabend bei "Markus Lanz". Und der SZ-Journalist und ehemalige Staatsanwalt machte in der Folge lautstark klar, dass er die Zeit gekommen sieht, die rechtlichen Möglichkeiten, die das Grundgesetz bietet, auch zu nutzen. Ganz konkret ging es ihm um die AfD als Partei und die Person Björn Höcke.
Prantl wirbt für Versuch
Prantl brachte die Möglichkeiten eines Parteiverbots nach Artikel 21 des Grundgesetzes sowie rechtliche Schritte im Rahmen von Artikel 18 vor. Dieser sieht vor, dass Personen das Recht entzogen werden kann, an Wahlen teilzunehmen und sich zu Wahlen aufstellen zu lassen.
Untersagt werden kann auch, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Höcke ist derzeit AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag und Co-Landeschef seiner Partei.
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Prantl zitiert Kästner: "Nicht warten, bis Schneeball zur Lawine wird"
Mit Blick auf diese Optionen könne er nicht verstehen, so der Journalist weiter, "warum die möglichen Antragsteller, also die Landesregierungen, der Bundestag, die Bundesregierung bis heute keinen Antrag" gestellt hätten.
Prantl zitierte in diesem Zusammenhang einen Satz von Erich Kästner: "Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine wird." Und weiter: "Das ist die Übersetzung dessen, worüber wir jetzt reden."
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Ex-Innenminister Baum äußert Skepsis
Widerspruch kam von FDP-Urgestein Gerhard Baum. Der frühere Bundesinnenminister verwies unter anderem darauf, dass bisher alle Versuche, Grundrechte abzuerkennen gescheitert sind. Auch würde ein Parteiverbot Jahre dauern.
Baums größter Einwand: Durch ein Parteiverbot würde die Anhängerschaft der AfD nicht verschwinden. Die Frage des FDP-Politikers, ob man auf diesem Wege "die Nazis wegbekommt", verneinte Prantl, aber es ginge vielmehr darum, "ein wirkliches Signal" zu senden. Prantl gab sich sicher:
Baum: "AfD-Jugend hätte ich längst verboten"
Baums Argument, es müsse darum gehen, die "Demokratie zu revitalisieren", ließ Prantl nicht gelten: "Das sagen wir seit zehn Jahren, seitdem es die AfD gibt."
Eine Schnittmenge mit Prantl offenbarte Baum dann doch. Der Liberale, der sich beim Thema Parteiverbot zurückhaltend äußerte, warb dafür, auf anderem Wege tätig zu werden. Baums Vorschlag:
Und wie? Baums Hebel: "Das ist ein Verein." Die "Junge Alternative", die Jugendorganisation der AfD, wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft und beobachtet. Und in der Tat gelten für ein Vereinsverbot andere Regeln als für ein Parteiverbotsverfahren.
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Hürden für Vereinsverbot niedriger
Zentraler Unterschied: Während ein Parteiverbots-Verfahren erst durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wirksam wird, müssen verbotene Vereinigungen sofort ihre Tätigkeiten einstellen - und dies solange, bis gegebenenfalls ein Gericht über ihren Fortbestand entschieden hat. Juristen nennen das einen nachgelagerten Rechtsschutz. Zuständig für ein Vereinsverbot wäre das Bundesinnenministerium.
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Es könnte in der Theorie also wesentlich schneller und einfacher vonstattengehen - wäre wohl aber nicht weniger kontrovers als ein Parteiverbot. Auch unter Juristen wird die Frage diskutiert, ob Jugendorganisationen von Parteien tatsächlich als selbstständige Organisationen gelten, die man mit einem Vereinsverbot belegen kann - oder ob sie als Teil einer Partei gelten, den man ausschließlich durch ein Parteiverbot mitverbieten kann.
Weil es bislang keinen entsprechenden Fall gab, gibt es dazu auch keine klärende Rechtsprechung. Sollte Nancy Faeser also tatsächlich die "Junge Alternative" verbieten, wird die Frage am Ende wohl doch in Karlsruhe geklärt werden müssen.
Quelle: ZDF
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