Diskriminierung wird salonfähig:Osten zwischen Rassismus und Fachkräftemangel
von Dorthe Ferber
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Die Umfragewerte der AfD für die Landtagswahlen im Herbst sind hoch. Die Sorge vor einem Anstieg von Diskriminierung auch, stellt Ferda Ataman in Ostdeutschland fest.
Rassismus und Diskriminierung gehören im Osten Deutschlands zur Tagesordnung. (Symbolbild)
Quelle: Imago
"Nachts allein auf der Straße fühle ich mich nicht mehr sicher", erzählt Ayman Qarsawa. Er ist Vorsitzender von "MigraNetz Thüringen", das 50 Organisationen von Migrantinnen und Migranten vereint.
Die Antidisriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, auf Sommerreise; hier im Gespräch mit Bürgern in Spremberg, Brandenburg.
Quelle: dpa
In Weimar hört Ferda Ataman, Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, an diesem Tag immer wieder: Rassismus sei kein neues Phänomen, aber er sei sichtbarer geworden, salonfähig.
Letzte Beratungsstellen gegen Diskriminierung fürchten Aus
Auch Ataman selbst nimmt bei ihrer Arbeit wahr, dass härter und direkter diskriminiert werde. Da falle schon mal offen ein Satz wie "Jemanden wie Sie stellen wir nicht ein".
Ein verändertes Klima bekommt Ataman bei allen Terminen ihrer Reise durch den Osten Deutschlands zu spüren. Drei Fälle von rassistisch motivierter körperlicher Gewalt monatlich gebe es allein in den Landkreisen Bautzen und Görlitz, berichtet das Antidiskriminierungsbüro Sachsen.
In den meist ländlichen Gebieten fehlen Beratungsstellen und die wenigen fürchten um ihre Zukunft nach den Wahlen im Herbst, wie Julia Schlüter, Leiterin des soziokulturellen Zentrum "Rabryka" in Görlitz:
Erst im Frühjahr hatte die AfD vergeblich im Stadtrat beantragt, dem Verein zu kündigen.
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Rassistische Diskriminierung trotz Fachkräftemangel
Wie in Görlitz bangen sie überall, ob es bei einer erstarkten AfD noch Geld von Land und Kommunen geben wird. "Das Klima kippt", bestätigt Birgit Peter von der Antidiskriminierungsberatung Brandenburg. In Potsdam werde der Kulturausschuss von der AfD geleitet, in Frankfurt/Oder der Sozialausschuss:
Auch gebe es die Befürchtung, dass Ehrenamtliche sich aus den Vereinen zurückziehen.
Bei 37 Grad erzählen drei Schwarze Menschen von ihren Erfahrungen mit Rassismus im Alltag.20.02.2024 | 28:35 min
Zugleich hört die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman bei ihrer Reise einen weiteren Ruf: "Ohne ausländische Arbeitskräfte werden wir das hier nicht stemmen", so der Landrat des thüringischen Saale-Holzland-Kreises, Johannes Waschnewski, CDU. Die Bevölkerung ist im Osten älter als im Westen und es gibt weniger Zugewanderte.
Schlechter Ruf Deutschlands wegen Rassismus
Ein Problem ist auch der Ruf Deutschlands unter Fachkräften im Ausland, so Ataman. Laut einer Studie im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit beklagen zwei von drei hochqualifizierten Arbeitskräften in Deutschland rassistische Diskriminierung.
Mit dem Projekt "Weltoffene Arbeitgeber" werbe man um diese Fachkräfte, erläutert Susann Erhardt von "Silicon Saxony", einem Zusammenschluss von 550 Unternehmen. Denn die sächsische Erfolgsstory - jeder dritte Mikrochip in Europa wird inzwischen hier produziert - hat einen Haken: Bis 2030 fehlen 20.000 weitere Fachkräfte.
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Der Ruf der Region sei da unglaublich wichtig. Denn natürlich werde heute vorab geschaut, welche Erfahrungen zum Beispiel in einer Social Media Gruppe wie "Ägypter in Dresden" geteilt würden.
Sächsische Unternehmen als Vorbild für Diversität
Iman Ahmadi arbeitet als Elektriker im Dresdner Umwelttechnologie-Unternehmen DAS Environmental Expert GmbH. Er erlebe wenig Diskriminierung, erzählt der Iraner, der seinen Traumjob in dem Hightech-Unternehmen gefunden hat.
450 Mitarbeitende am Standort kommen aus 30 Nationen, Diversität und Respekt sind hier gelebte Werte, es gibt eine Managerin für Unternehmenskultur in der Geschäftsleitung.
Warum werden Menschen immernoch nach Haut- und Haarfarbe bewertet? Kabarettist und Autor Marius Jung erklärt die Herkunft des Begriffes "Rassismus".11.06.2020 | 15:22 min
Daniela Georgi erklärt, man sei sich bewusst, dass auch ihr Unternehmen ein Spiegelbild der Gesellschaft sei. Die bevorstehenden Landtagswahlen würden da nicht thematisiert, die eigenen Werte wie Internationalität und Kulturverständnis sprächen eine eigene Sprache.
In der Region funktioniere das gute Vorbild besser als der erhobene Zeigefinger. Es gebe in Deutschland eine Tradition, dass die Wirtschaft neutral bleibt, heißt es hier. Man diskutiere aber mit anderen "Silicon Saxony"-Unternehmen, ob das angesichts der politischen Situation weiter richtig sei.
Dorthe Ferber ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
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