Interview
Stadien und Public Viewing:EM 2024: Härtetest für die Sicherheit
von Anne Herzlieb
|
Kurz vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft am 14. Juni stehen die Sicherheitsbehörden unter Hochspannung. Mehrere gewaltbereite Gruppen stehen im Fokus.
Freitagabend ist es so weit: Anpfiff um 21 Uhr in der Allianz-Arena in München. Deutschland gegen Schottland. Seit Jahren wappnen sich Bundesregierung und Sicherheitsbehörden für alle denkbaren Gefahren während der Fußball-EM in Deutschland, damit rund 2,7 Millionen Fans in den Stadien und bis zu zwölf Millionen Besucher auf den Fanmeilen unbeschwert die Spiele genießen können.
Das Eskalationspotenzial in diesem Jahr ist höher als noch zur WM 2006: Es drohen Cyberangriffe. Mehrere gewaltbereite Gruppen wie Hooligans, Rechtsextreme und Islamisten sind derzeit im Fokus. Kürzlich wurde ein mutmaßlicher IS-Unterstützer verhaftet, der sich als Sicherheitsmann bei Public Viewing-Events beworben hat.
Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen während der EM
Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) hat Grenzkontrollen angekündigt, in den Stadien werden Metalldetektoren und Spürhunde eingesetzt. Auf den Fanmeilen wird es Personen- und Taschenkontrollen geben. So soll verhindert werden, dass Waffen und Sprengmaterial in Menschenmengen gelangen.
Sicherheitsexperte Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project (CEP) sieht Stadien gut geschützt, Anschläge auf sogenannte weiche Ziele im öffentlichen Raum wie Public Viewings seien wahrscheinlicher, da die Absicherung großer Menschenmassen hier schwieriger sei.
Klar sei, dass eine Großveranstaltung mit Tausenden von Menschen "sicherlich ein attraktives Ziel ist für alle gewaltbereiten, extremistischen Strömungen", so Schindler.
Polizei koordiniert Einsätze aus Neuss
Im neu aufgebauten Lagezentrum der Polizei, dem "International Police Cooperation Center" im nordrhein-westfälischen Neuss, koordinieren 600 Beamte aus dem In- und Ausland die Einsätze. Ziel ist ein bestmöglicher Austausch von Informationen.
Zudem gelten über den Arenen Flugbeschränkungen. Während des Turniers werden rund 350 ausländische Polizeikräfte in Deutschland eingesetzt.
In der Vergangenheit sind mehrere Anschläge in Deutschland verhindert worden, weil ausländische Nachrichtendienste deutschen Behörden den entscheidenden Hinweis gaben. Christoph de Vries (CDU), Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, fordert deshalb mehr Befugnisse auch für deutsche Behörden:
Wir können die Bedrohung des 21. Jahrhunderts nicht mit den Mitteln des 20. bekämpfen. Wir müssen neue Technologien einsetzen wie zum Beispiel die Gesichtserkennung.
Christoph de Vries (CDU)
Terrorbekämpfung mithilfe von KI?
Sein Parteikollege, der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU), würde gerne verstärkt Künstliche Intelligenz (KI) bei der Terrorbekämpfung einsetzen, "um identifizieren zu können, ob bekannte Terrorgefährder sich verdächtig im Umfeld von EM-Spielen oder im Umfeld von Teamunterkünften oder bei großen Menschenmengen bewegen".
Täterinnen und Täter rüsten gegen, rutschen ins Darknet und passen noch mehr auf, nicht gefunden zu werden.
Misbah Khan (Grüne)
Wichtiger sei es in Prävention zu investieren: "Oft sind die Täter Inländer, die sich in Deutschland radikalisieren und hier ganz legal einen Aufenthaltsstatus haben."
Lehren aus dem Anschlag in Moskau
Sicherheitsexperte Schindler meint mit Blick auf den islamistischen Anschlag in Moskau im März:
Wenn wir eine Sache aus dem Anschlag aus Moskau gelernt haben, dann, dass es auch in Polizeistaaten Sicherheitslücken gibt. Und wir sind kein Polizeistaat.
Hans-Jakob Schindler, Sicherheitsexperte
Die Debatte, wie weit der Staat bei der Terrorabwehr gehen darf, hat mit der EM 2024 neu an Fahrt aufgenommen.
Anne Herzlieb ist Reporterin in der ZDF- Redaktion "frontal".
Thema
Mehr zur Fußball-EM:
2:19 min
Nachrichten | hallo deutschland:Thomas Müller bei den EM-Vorbereitungen
von Claudia Nold
mit Video
Kritik an UEFA:EM 2024: Alle feiern und einer macht Kasse?
von Bernd Weisener
mit Video