Innere Sicherheit bei der EM: "Islamistische Bedrohung hoch"

    Interview

    De Vries zu Sicherheit bei EM:"Die islamistische Bedrohung ist hoch"

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    Christoph de Vries (CDU) ist Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums und überwacht die Arbeit der Nachrichtendienste. Er fordert mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden.

    Typical: Fußball Sicherheit
    In wenigen Tagen beginnt die Fußball-WM - bei den Sicherheitsbehörden ist erhöhte Wachsamkeit angesagt.
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Wenige Tage vor dem Anpfiff zur Fußball-EM hat der Chef des Verfassungsschutzes gewarnt, die dschihadistische Gefahr sei hoch wie seit Monaten nicht mehr. Mit was für einem Gefühl schauen Sie auf das Großereignis?
    Christoph de Vries: Ich freue mich riesig auf die Europameisterschaft in unserem Land, wie viele Millionen Deutsche auch. Die Bürger können sich darauf verlassen, dass die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sehr gut vorbereitet und mit Mann und Maus während der EM im Einsatz sind, um sie vor terroristischen Bedrohungen und Hooligan-Krawallen zu schützen. Aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es natürlich nicht.
    Christoph de Vries
    Christoph de Vries (49) ist Diplom-Soziologe und sitzt für die Union im Bundestag. Der CDU-Politiker ist Mitglied im Innenausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium.
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Wie schätzen Sie die Sicherheitslage ein?
    De Vries: Die islamistische Bedrohung ist anhaltend hoch, und wir haben multiple Risiken durch unterschiedliche Anschlagsszenarien, organisierte Anschläge, radikalisierte Einzeltäter, aber auch Cyberattacken. Und das alles zusammen ist schon eine enorme Herausforderung für unsere Sicherheitsbehörden.
    ZDFheute: Vergangenen Freitag ist am Flughafen Köln/Bonn ein mutmaßlicher IS-Unterstützer verhaftet worden, der sich als Sicherheitsmann bei der EM beworben haben soll. Wie konkret waren seine Pläne, und wie konnte er den Sicherheitsbehörden ins Netz gehen?
    De Vries: Gegen den Mann lief ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland, konkret dem ISPK, der inzwischen die ideologische Vorherrschaft innerhalb des IS übernommen hat und dem zahlreiche Anschlagsplanungen in Deutschland zugerechnet werden. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, dass Polizei und Verfassungsschutz bei der Akkreditierung von privaten Sicherheitskräften beteiligt sind, damit solche Gefährder keinen Zugang zu Großveranstaltungen mit vielen Menschen bekommen, die ein besonders attraktives Anschlagsziel darstellen.
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    Entscheidend ist, dass alle sicherheitsrelevanten Informationen und Daten ausgetauscht werden können zwischen den staatlichen Stellen. Hier hat die Ampel aber leider erst vor kurzem die Übermittlungsvorschriften verschärft und den Austausch damit erschwert. Dies ist im Sinne der Abwehr terroristischer Gefahren alles andere als hilfreich.
    ZDFheute: Mehrere Anschläge im vergangenen Jahr haben die Sicherheitsbehörden in Deutschland verhindert.
    De Vries: Wir hatten im letzten Jahr acht Terroranschlagplanungen in Deutschland und können nicht von einer Entspannung ausgehen in nächster Zeit. Das heißt, einerseits werden die extremistischen, terroristischen Bedrohungen immer größer, auf der anderen Seite schränken wir sowohl politisch und durch die Rechtssprechung des Verfassungsgerichts die Befugnisse der Sicherheitsbehörden immer weiter ein. Und beides passt nicht zusammen.
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    Wir können die Bedrohung des 21. Jahrhunderts nicht mit den Mitteln des 20. bekämpfen. Wir müssen neue Technologien einsetzen wie zum Beispiel die Gesichtserkennung. Denn in den meisten Fällen können wir Anschlagsplanungen nur deshalb verhindern, weil wir Hinweise unserer Partnerdienste aus dem Ausland bekommen. Aber das ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Wir müssen auch liefern können. 
    Das Interview führte Anne Herzlieb, Reporterin in der ZDF-Redaktion "frontal".
     

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