Haushaltsurteil: Habeck will Großprojekte weiter fördern
Trotz Haushaltsurteil:Habeck will Klima-Großprojekte weiter fördern
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Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Finanzierung vieler Großprojekte unsicher. Die Wirtschaftsminister von Bund und Ländern wollen aber an den Plänen festhalten.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (B'90/Grüne) will nach dem Haushaltsurteil an der Förderung von Wirtschaftsprojekten in Milliardenhöhe festhalten. Der Grünen-Politiker sieht dazu auch einen Schulterschluss mit den Ländern.
"Es gibt eine gemeinsame Suche, jetzt Wege zu finden" sagte Habeck am Montag nach Beratungen der Wirtschafts- und Energieminister von Bund und Ländern in Berlin. Die Projekte, die mit dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) verbunden seien, beträfen den "wirtschaftlichen Kern Deutschlands".
Wirtschaftsminister der Länder schließen sich an
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprach von "unverzichtbaren" und "existenziell wichtigen" Projekten, damit "der Wirtschaftsstandort Deutschland in eine wettbewerbsfähige Zukunft geht".
Armin Willingmann (SPD), Energieminister von Sachsen-Anhalt, betonte, dass nicht bei einzelnen Vorhaben Abstriche gemacht werden könnten.
Unsicherheit nach Haushaltsurteil
Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Umschichtung von 60 Milliarden Euro im Haushalt von 2021 für verfassungswidrig erklärt. Der Bund darf zur Bekämpfung der Corona-Krise gedachte Gelder damit nicht für den Klimaschutz nutzen.
Für die Bahn-Infrastruktur sind im KTF allein für das kommende Jahr vier Milliarden Euro eingeplant, bis 2027 sind es 12,5 Milliarden Euro. Einem Bericht des "Spiegels" zufolge befürchtet Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sogar eine Finanzierungslücke von 25 Milliarden Euro. Demnach steht bereits die erste der insgesamt für 40 Streckenabschnitte geplante Generalsanierung auf der Kippe: In der zweiten Jahreshälfte 2024 soll eigentlich die sogenannte Riedbahn von Frankfurt nach Mannheim voll gesperrt und überholt werden.
Die sogenannte Strompreiskompensation - eine Entlastung für besonders energieintensive Unternehmen von den Kosten durch den CO2-Preis - sollte aus dem KTF bezahlt werden. Ab kommendem Jahr waren dafür mindestens 2,6 Milliarden Euro vorgesehen. Die beschlossene Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe ist hingegen nicht betroffen, weil die erwarteten Mindereinnahmen dadurch im regulären Haushalt verbucht wurden.
Das Bundeswirtschaftsministerium will die Hersteller von Halbleitern in Deutschland massiv fördern und hatte dafür Mittel aus dem KTF eingeplant - für 31 Projekte deutscher Unternehmen rund vier Milliarden Euro. In 15 Fällen wurden bereits rechtsverbindliche Förderbescheide ausgestellt, diesen Unternehmen ist die Förderung damit sicher, während die anderen bangen müssen. Ebenfalls in Frage stehen die Milliarden-Subventionen für die Ansiedlung von Chip-Fabriken des taiwanischen Konzerns TSMC in Dresden und des US-Herstellers Intel in Magdeburg.
Ähnlich ist die Lage im Bereich Stahl und Wasserstoff: Die KTF-Milliarden sollten 45 Unternehmen bei der Umstellung ihrer Produktionsprozesse auf den neuen Energieträger unterstützen. Sechs Vorhaben, darunter der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp, haben bereits Förderbescheide erhalten und sind damit aus dem Schneider. Bei 25 weiteren wurden in Absprache mit der Regierung bereits Investitionen getätigt, deren staatliche Absicherung nun nicht mehr sicher ist. Besonders große gefährdete Projekte sind die Dekarbonisierung der Stahlwerke von Saarstahl im Saarland und ArcelorMittal in Bremen und Eisenhüttenstadt.
Auch Subventionen für den Aufbau von Batteriezellenfabriken sollten aus dem KTF finanziert werden. Ein prominentes Beispiel ist das geplante Werk des schwedischen Herstellers Northvolt im schleswig-holsteinischen Heide. Ein Förderbescheid wurde bislang nicht erteilt, da noch das grüne Licht der EU-Kommission dafür fehlte.
Die Mittel für neue Heizungen und energetische Sanierungen (Bundesförderung für effiziente Gebäude - BEG) kommen aus dem KTF. Als Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) infolge des Karlsruher Urteils eine Haushaltssperre verhängte, nahm er diese Förderungen davon zwar explizit aus. Am Montagabend verhängte das Finanzministerium allerdings eine noch weitergehende Ausgabensperre, die womöglich auch die BEG-Mittel betrifft. (Quelle: dpa)
Suche nach einer Lösung
Habeck sagte mit Blick auf Unternehmen, es müsse nun Vertrauen geschaffen werden, dass alle Projekte, die mit dem Fonds erarbeitet worden seien, auch möglich gemacht werden sollten.
Die drei Minister betonten, dass beim Treffen der Wirtschafts- und Energieminister partei- und regionübergreifende Einigkeit geherrscht habe, dass diese Mittel anderswo aufgetrieben werden müssen. Sie riefen die Bundesregierung und den Bundestag auf, gemeinsam eine Lösung zu finden.
Streitpunkt: Schuldenbremse
Dazu, wie eine solche Lösung aussehen könnte, machten sie im Detail keine weiteren Angaben. Habeck und Willingmann sprachen sich offen dafür aus, für das laufende und auch das kommende Jahr eine wirtschaftliche Notlage zu erklären, um die Schuldenbremse auszusetzen. An dieser Stelle gebe es unterschiedliche Auffassungen unter den Parteien, sagte Willingmann.
Auch Aiwanger schloss eine Finanzierung über neue Schulden nicht aus.
Aber auf alle Fälle müssten die wirtschaftspolitischen Projekte ins Ziel geführt werden, sagte der Bayer.