Ampel ringt um Spar-Haushalt: Bauern auf den Barrikaden
Ampel ringt um Spar-Haushalt:Kacke am Dampfen
von Kristina Hofmann
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Der Spar-Haushalt sorgt für neuen Wirbel. Die Bauern kippen ihren Mist auf die Straße. Minister kämpfen gegen ihre eigene Regierung. Nur die Ampel ist die Ruhe selbst. Irgendwie.
Am Morgen demonstrierten tausende Landwirte in Berlin gegen die von der Bundesregierung geplante Streichung der Agrar-diesel-Subvention und das Ende der KFZ-Steuerbefreiung.
18.12.2023 | 4:05 min
Da steht er, gute anderthalb Stunden lang auf der Bühne vor den wütenden Bauern. Mit nahezu dem gleichen wächsernen Gesichtsausdruck, der kaum erkennen lässt, wie es in ihm aussieht. Bundeswirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hört sich anderthalb Stunden den Protest tausender Bauern vor dem Brandenburger Tor an. Und der ist nicht nur laut. Sondern sticht in die Achillesferse der Bundesregierung.
Demonstriende fordern Neuwahlen
Seitdem die Ampel-Regierung ihren Spar-Haushalt für 2024 vorgelegt hat, sind die Bauern auf den Barrikaden. Ihnen soll das Privileg genommen werden, weniger Steuern auf Diesel zu bezahlen und ihre Fahrzeuge von der Kfz-Steuern zu befreien. 3.500 Euro könnte das pro Betrieb kosten, schätzen Experten. Rund eine Milliarde Euro insgesamt.
"Finger weg vom Agrardiesel", "Verrat" steht auf den Plakaten der Demonstrierenden an diesem Montag, die mit ihren Trekkern die Straßen zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor blockieren und sprichwörtlich die Kacke dampfen lassen, als sie heiße Gülle auf die Straße kippen. Mehrfach rufen die Demonstrierenden "Neuwahlen, Neuwahlen" und "Ampel weg!"
Für Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, ist die Sache eindeutig: Die Bundesregierung müsse die Kürzungen wieder zurücknehmen. Sie seien eine "Kampfansage" an die Agrarwirtschaft. FDP-Finanzminister Christian Lindner wirft er "Wortbruch" vor. Dieser habe versprochen, die Steuern nicht zu erhöhen. Doch nun geschehe für die Bauern genau das. Nehme die Regierung die Pläne nicht zurück, so Rukwied, sollen die Proteste ab Januar noch mal anziehen:
Am Morgen demonstrierten tausende Landwirte in Berlin gegen die von der Bundesregierung geplante Streichung der Agrar-diesel-Subvention und das Ende der KFZ-Steuerbefreiung.
18.12.2023 | 4:05 min
Ein Kompromiss - und keiner will es mehr gewesen sein
Kein Agrardiesel, keine Zuschüsse für Elektroautos, steigende Energiepreise durch höheren CO2-Preis - die Ampel-Regierung hatte tagelang verhandelt, wie das 17 Milliarden-Loch seit dem Karlsruher Haushaltsurteil gestopft werden kann. Doch inzwischen will es keiner mehr so richtig gewesen sein. Özdemir selbst sagt, es sei falsch, die Bauern doppelt zu belasten, weil die Branche damit unverhältnismäßig stark belastet werde.
Glaubt man den Ankündigungen, kämpft Regierungsmitglied Özdemir nicht allein gegen die eigene Regierung. Die FDP-Bundestagsfraktion will ihr Veto einlegen, auch andere in SPD und bei den Grünen wollen an das Thema noch einmal ran. Wie überhaupt von allen Seiten an dem Kürzungsplan herumkritisiert wird.
Fast schon verzweifelt klingt da die Forderung von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Wer Kürzungen zurücknehmen wolle, müsse andere Sparvorschläge vorlegen. "Wir bitten um solche Vorschläge", sagte er nach der Präsidiumssitzung seiner Partei.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese verwies im Interview mit dem Deutschlandfunk darauf, dass am Ende der Haushalt vom Bundestag verabschiedet werde. Und dass im Januar wieder alle Kürzungsvorschläge diskutiert werden könnten. "Die politische Einigung ist noch nicht die Einigung auf den Bundeshaushalt 2024."
Scholz-Sprecher sieht "wenig Änderungswillen"
Das hatte man aber eigentlich so gedacht. Wenn der Kanzler plus die Spitzen seiner Koalitionsparteien über Tage im stillen Kämmerlein einen Kompromiss aushandeln, hätte man auf die Ideen kommen können, dass ihre Fraktionen diese mittragen.
Glaubt man Regierungssprecher Steffen Hebestreit, dann steht der Haushaltskompromiss auch immer noch felsenfest. Mit einem kurzen "Ja" beantwortet er die Frage an diesem Montag dazu. Derzeit würden vom Bundesfinanzministerium noch die Details geklärt. Mit einer Vorlage im Kabinett sei in dieser Woche zwar kaum mehr zu rechnen. Aber:
Die Kanzlerpartei SPD widerspricht nicht: SPD-Generalsekretär Kühnert geht davon aus, dass die Verabredungen zwischen Scholz, Habeck und Lindner "belastbar sind. Auch manchem Getöse zum Trotz". Neuwahlen würden das Problem nicht lösen.
Als Kühnert das sagt, sind die Bauern wieder abgezogen. Es ist wieder ruhig im Berliner Regierungsviertel. Vorerst.