Interview
Ganze Branche in der Krise:Bau-Chef: "Sehenden Auges in die Katastrophe"
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Kein Geld, keine Planungssicherheit: Bauunternehmer Dirk Salewski ist enttäuscht von der Ampel. Seine Branche laufe "sehenden Auges in eine Katastrophe", sagt er im ZDF.
Dirk Salewski, Bauunternehmer
Quelle: ZDF
ZDFheute: Wie nimmt es die Baubranche auf, dass finanzielle Zusagen von der Ampel jetzt wieder zurückgenommen werden?
Dirk Salewski: Auf jeden Fall nicht positiv. Die Debatte, die sich durch das ganze Jahr gezogen hat, um das Gebäudeenergiegesetz, wurde ja flankiert mit finanziellen Zusagen, die jetzt Stück für Stück zurückgenommen werden, aus den bekannten haushalterischen Gründen. Viel schlimmer war gestern die Meldung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), dass der Fördertopf schon wieder leer ist - also der dritte Förderstopp seit Regierungsantritt der Ampel.
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ZDFheute: Die Ampel kann ihr Versprechen, 400.000 Wohnungen zu bauen, nicht einhalten. Wie beurteilen Sie die Politik der Ampel im Baubereich?
Salewski: Zunächst einmal muss man vielleicht erklären, dass die Wohnungspolitik eigentlich Ländersache ist, und der Bund nur noch als Finanzierer auftritt. Das, was wir bisher als Bundesförderung für den Wohnungsbau hatten, war eigentlich eine Förderung für Energieeinsparung und Klimaschutz. Diese Mittel sind jetzt zum wiederholten Male aufgebraucht. Und Frau Geywitz hat gestern gesagt, das sei ein Riesenerfolg.
Wir sehen das ein bisschen anders, denn was da jetzt gefördert wurde, das Programm ist im März aufgelegt worden, das sind Dinge, die vorher schon längst geplant und fertig waren.
Herr Scholz ist im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, 400.000 Wohnungen zu bauen. Da sind wir weit von entfernt.
Wir sehen die Baugenehmigungszahlen, und wir sehen vor allem, was noch viel schlimmer ist, die Projekt-Starts. Die sind deutlich zurückgegangen, 50 bis 60 Prozent weniger als eigentlich erwartet. Und das kommt jetzt auch im Baugewerbe an.
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ZDFheute: Was muss die Ampel anders machen?
Salewski: Gut, wir haben seit dem Start der Ampel das "Bündnis für den bezahlbaren Wohnraum", was eigentlich eine sinnvolle Veranstaltung ist. Denn miteinander zu sprechen ist immer hilfreich. Da sind viele gute Vorschläge auf den Tisch gekommen. Beim letzten Kanzlergipfel waren schon nicht mehr alle wohnungswirtschaftlichen Verbände dabei, auch das Ergebnis des Gipfels wurde vorher schon verkündet.
Zunächst einmal wünschen wir uns eine deutlich bessere Kommunikation. Vor drei Wochen hat die Ministerin gesagt: Macht euch keine Sorgen, es ist genug Geld für das Förderprogramm da. Und am 14. Dezember, um 8 Uhr, verkündet die KfW: Das Geld ist alle. Das ist eine Kommunikation, die nicht funktioniert. Wir brauchen Verlässlichkeit - und wir brauchen Zuverlässigkeit in den Aussagen.
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Vor einigen Monaten hat man uns versprochen, dass man eine steuerliche Abschreibung einführt. Auch die ist jetzt gerade mal wieder gescheitert. Aber wir brauchen Zuverlässigkeit in den Aussagen.
Vorher kann man sich auf die Aussagen der Regierung leider nicht verlassen. Wir sind da häufig enttäuscht worden.
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ZDFheute: Wie würden Sie den Zustand Ihrer Branche beschreiben, auch mit Blick auf das kommende Jahr?
Salewski: Man könnte sagen: Gestern standen wir am Abgrund und heute sind wir einen Schritt weiter. Das wäre jetzt etwas flapsig, aber tatsächlich ist es so, dass wir sehenden Auges in eine Katastrophe laufen. Sie hat sicherlich mehrere Ursachen, die liegen nicht hauptsächlich in der Bundespolitik, aber vielleicht auch ein Stück weit daran, wie Politik auf die Krise reagiert hat.
Wir kamen aus einer Pandemie, und ich erlaube mir mal, darauf hinzuweisen, dass der Bau der einzige Wirtschaftszweig war, der während der Pandemie nicht Geld bekommen hat, sondern Steuern und Sozialabgaben gezahlt hat. Wir haben durchgebaut.
Wir haben eine Zinsexplosion gehabt, haben eine Kostenexplosion, und wir können diese Preise am Markt nicht ansatzweise erzielen. Die laufenden Projekte sind negativ, und die kommenden Projekte sind auf Stand-by geschaltet.
Das Interview führte ZDF-Hauptstadtkorrespondent Bernd Benthin.
Quelle: ZDF
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