Verfassungsschutz: Extremistische Gruppen an Unis im Visier

    Verfassungsschutzpräsident:Extremistische Gruppen an Unis im Visier

    von Beate Frenkel und Michael Haselrieder
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    Extremistische Gruppen an Universitäten geraten ins Visier des Verfassungsschutzes. Man beobachte gefährliche Entwicklungen, sagt Präsident Haldenwang im Gespräch mit ZDFfrontal.

    Thomas Haldenwang
    Seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Gaza-Krieg beobachtet der Verfassungsschutz in Deutschland neue Allianzen zwischen Gruppen, die sonst wenig Schnittmengen haben.15.07.2024 | 4:03 min
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    Verfassungsschutz sieht starke judenfeindliche Tendenzen

    Im Dezember 2023 sagte eine Rednerin bei einer Hörsaalbesetzung an der FU Berlin: "Israel hat kein Existenzrecht". Auch andere Teilnehmer verbreiteten antisemitische und judenfeindliche Parolen. An der Hörsaalbesetzung im Dezember war auch die linksextremistische Gruppe Young Struggle beteiligt. Der Verfassungsschutz beobachte die Situation an den Universitäten genau, sagte Präsident Präsident Thomas Haldenwang im ZDF-Interview.

    Selbstverständlich interessieren wir uns auch für Gruppierungen wie Young Struggle, eine türkisch-kommunistische Jugendorganisation. Hier darf es nicht dazu kommen, dass sich solche Bestrebungen weiter ausbreiten und ihre Spielfelder für Agitation bekommen.

    Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz

    Laut dem aktuellen Verfassungsschutzbericht ist Young Struggle "einer der aktivsten extremistischen Akteure in Bezug auf Mobilisierung, Organisation und Teilnahme an propalästinensischen Versammlungen".
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    Haldenwang: Neue antisemitische Allianzen

    Der Verfassungsschutz beobachte außerdem neue Allianzen zwischen Gruppen, die sonst wenig Schnittmengen haben, so Haldenwang:

    Unterschiedlichste extremistische Gruppierungen haben jetzt als gemeinsames Ideologie-Element den Antisemitismus.

    Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz

    Neben Rechtsextremismus und islamistischem Antisemitismus gebe es nun auch deutsche linksextremistische Gruppierungen, die auf Seiten der Palästinenser und oft auf Seiten der Hamas stünden.
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    Antisemitismus soll in die Mitte der Gesellschaft getragen werden

    Zwar würden diese Gruppen nicht direkt miteinander kooperieren, so Haldenwang. Die Extremisten würden aber versuchen, eine antisemitische Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.

    Insofern werden auch wieder Dinge sagbar in Deutschland, die man sich lange Jahre nicht hätte vorstellen können. All das macht diese neue Bedrohung aus.

    Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz

    Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warnt im ZDF-Interview vor neuen Allianzen:

    Gruppen, von denen Antisemitismus ausgeht - also versprengte Linke, Esoteriker, Rechtsextreme und auch intellektuelle Milieus in Universitäten - die sonst nichts miteinander gemein haben, sind auf einmal einig im Hass auf Israel. Das ist neu. Und da müssen wir natürlich dagegen etwas tun.

    Felix Klein, Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung

    Klein: Auch Linke wollen Deutsche Schuld nicht mehr thematisieren

    Als Beispiel nennt Klein die Parole "Free Palestine from German Guilt" ("Befreit Palästina von deutscher Schuld"), die oft von linken, pro-palästinensischen Demonstranten skandiert wird.

    Das ist nichts anderes als die Forderung von Rechtsextremen oder Rechtspopulisten nach einem Schlussstrich, dass die deutsche Schuld jetzt nicht mehr thematisiert werden soll.

    Felix Klein, Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung

    "Das sind Narrative, die wir eher von der rechten Seite kennen, die jetzt aber auch auf einmal auf der linken Seite aufkommen", sagt Klein. Allein im vergangenen Jahr gab es 5.164 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund, davon 148 Gewalttaten, 90 Prozent davon Körperverletzungsdelikte.
    "Wir haben in einem nicht dagewesenen Ausmaß seit Ende des Zweiten Weltkriegs Antisemitismus in Deutschland wahrzunehmen", sagt Haldenwang. "Von vielen jüdische Menschen höre ich, sie haben einen gepackten Koffer in ihrer Wohnung stehen und überlegen, wann ist der richtige Zeitpunkt, das Land zu verlassen."

    Allein der Umstand, dass sich die Menschen derartige Gedanken machen, ist aus meiner Sicht im Land des Holocaust unerträglich.

    Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz

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