DIW-Präsident Fratzscher: Bürgergeld-Debatte "Populismus"

    Ukrainer in Deutschland:Fratzscher: Bürgergeld-Debatte "Populismus"

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    Erneut entbrennt eine Debatte ums Bürgergeld und die Frage, ob Ukrainer es beziehen sollten - vor allem die FDP macht Druck. Wirtschaftsexperte Fratzscher spricht von Populismus.

    Bundestag-Berlin
    Geflüchtete Ukrainer, die in Deutschland Zuflucht suchen, können Bürgergeld beantragen. Geflüchteten aus anderen Ländern ist das nicht möglich. Nach der Union fordert jetzt auch die FDP, diese Sonderregelung zu beenden.17.06.2024 | 1:35 min
    Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, kritisiert die Forderungen nach einer Streichung oder Einschränkung des Bürgergelds für ukrainische Geflüchtete. "Die Forderungen nach Beschränkungen des Bürgergeldes für Geflüchtete aus der Ukraine sind blanker Populismus", sagte der Wirtschaftswissenschaftler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

    Niemandem wird es besser gehen, niemand wird auch nur einen Euro mehr haben, wenn Deutschland Geflüchtete schlechter behandelt und ihnen Leistungen kürzt.

    Marcel Fratzscher, DIW-Präsident

    "Der deutsche Staat muss nicht weniger Geld für Geflüchtete ausgeben, sondern mehr Anstrengungen für eine schnellere und bessere Integration von Geflüchteten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft unternehmen", forderte Fratzscher. Dies sei eine riesige -auch wirtschaftliche - Chance, da sich das Arbeitskräfteproblem hierzulande in den kommenden Jahren massiv verschärfen werde.

    FDP: Kein Bürgergeld für neue Ukraine-Flüchtlinge

    FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte zuvor gegenüber der "Bild" gefordert: "Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten künftig kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen." Ähnliche Forderungen waren wiederholt aus der Union gekommen.
    jan-dieren
    Die Ampel plant offenbar eine härtere Gangart gegen Bürgergeld-Betrüger. Bei Fällen von gleichzeitiger Schwarzarbeit soll das Bürgergeld gestrichen werden. "Die Diskussion geht am eigentlichen Problem vorbei", so der SPD-Politiker Jan Dieren.17.06.2024 | 5:02 min
    Die Bundesregierung wies die Forderungen zurück. Seitens der Regierung gebe es keine entsprechenden Pläne, den Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Deutschland flüchteten, künftig statt Bürgergeld Leistungen für Asylbewerber zukommen zu lassen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin.

    Grünen-Parteichef: Bürgergeld-Vorstoß "nicht zielführend"

    Unterstützung kam auch von den Grünen: Partei-Chef Chef Omid Nouripour nannte den Vorstoß "nicht zielführend". Es gehe darum, die Menschen so schnell wie möglich in Arbeit zu bringen mit Hilfe des sogenannten Job-Turbos. "Und wenn man den Job-Turbo will, dann ist das sicher nicht hilfreich, wenn man die Leute ins Asylbewerberleistungsgesetz steckt, wo erst mal nicht gearbeitet werden kann."
    Während Ukraine-Flüchtlinge in den ersten Monaten nach dem Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 lediglich Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hatten, erhalten sie seit Juni 2022 Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie Empfänger von Bürgergeld (damals noch Hartz-IV).
    "ZDF.reportage: Alltag Kinderarmut - Kein Geld - keine Chance?": Ein Junge mit dem Rücken zur Kamera, mittig im Bild, auf einem Klettergerüst. Er trägt eine rote Kapuze und helle Shorts. Im Hintergrund sieht man einen Plattenbau.
    Rente, Bürgergeld, Mindestlohn: Der Sozialstaat ist ein Kernelement unserer Gesellschaft. Doch über seine Ausgestaltung haben die einzelnen Parteien unterschiedliche Vorstellungen.02.06.2024 | 3:48 min

    Zahlen rund ums Bürgergeld

    Die rund 1,1 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die sich in Deutschland aufhalten, wurden, wie auch in anderen Staaten der Europäischen Union, gemäß der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie aufgenommen und mussten daher keinen Asylantrag stellen.
    • waren zuletzt eine halbe Million Menschen aus der Ukraine in Deutschland als erwerbsfähig gemeldet (529.201 - Stand Mai 2024)
    • galten ein Drittel von ihnen als arbeitslos (37,4 Prozent - Stand Mai 2024)
    • waren eine Dreiviertelmillion Menschen aus der Ukraine Bürgergeld-berechtigt - darunter auch Kinder (723.363 - Stand Februar 2024)
    Insgesamt sind aktuell etwa 5,5 Millionen Menschen in Deutschland berechtigt, Bürgergeld zu beziehen. Dafür sollen 2024 voraussichtlich 26,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt ins Bürgergeld fließen - also etwa 15 Prozent des 175,6 Milliarden Euro schweren Sozialetats. Für den gesamten Bundeshaushalt sind 476,8 Milliarden Euro vorgesehen.






    Quelle: dpa, AFP

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