Russische Söldner: Wird Troschew der neue Prigoschin?
Interview
Putin ernennt Söldnerchef:Andrej Troschew - der neue Prigoschin?
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Ein Ex-Kommandeur der Wagner-Söldner soll für den Kreml neue Kampfeinheiten für den Ukraine-Krieg aufbauen. Militärexperte Lange erklärt, was hinter Putins Entscheidung steckt.
Er war Führungsmitglied der Gruppe Wagner, doch Prigoschins Aufstand gegen den Kreml Ende Juni unterstützte Andrej Troschew offenbar nicht. Russlands Präsident Wladimir Putin selbst hatte Troschew noch im Sommer als neuen Chef der Söldner vorgeschlagen, aber Prigoschin lehnte ab - kurz bevor er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Hatte Troschew da längst die Seiten gewechselt? Militärexperte Nico Lange spricht bei ZDFheute live über die zukünftige Rolle Troschews, die übrig gebliebenen Wagner-Söldner und die Strategie Putins.
Sehen Sie oben das ganze Interview im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Nico Lange ...
... über Andrej Troschews Rolle im russischen Militärsektor
Andrej Troschew, Kampfname "Grauhaar", war Offizier in der russischen Armee und hatte seit der Gründung der Gruppe Wagner 2014 eine führende Rolle bei der Söldnerfirma. Er sei eine der wenigen Personen aus der Führungsriege, die nicht an Bord des im August mit Wagner-Chef Prigoschin abgestürzten Flugzeugs gewesen sei, erklärt Militärexperte Nico Lange.
Der verstorbene Wagner-Chef habe gewusst, dass der Kreml und das Verteidigungsministerium daran arbeiten, "Leute rauszubrechen", um das Geschäft der Wagner-Gruppe selbst zu übernehmen.
Quelle: Tobias Koch
... arbeitet für die Zeitenwende-Initiative bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Von 2004 bis 2006 forschte und lehrte er in St. Petersburg. Später leitete er die Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine und in den USA. Von 2019 bis 2022 war er Leiter des Leitungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung.
Ziel des Kreml sei es, vor allem auch die Führung der Söldner selbst zu organisieren. Offensichtlich, so Lange, habe der Kreml deshalb schon länger an Andrej Troschew gearbeitet. Mit dem Absturz Prigoschins und seiner Führungsmannschaft sei der Weg für die Umsetzung dieses Plans nun frei. "Viele Wagner-Söldner waren in gewisser Weise orientierungslos".
Putin verhalte sich völlig anders, als nach dem Putschversuch der Wagner-Gruppe im Juni angekündigt, erklärt Militärexperte Lange. Damals hatte Putin die Söldner angewiesen, sich entweder in die Streitkräfte zu integrieren oder nach Hause zu gehen. Auch eine Ausreise nach Belarus gestattete er den Putschisten.
Der neue Plan sei nun offenbar, die Wagner-Söldner unter einem "Freiwilligen-Label" wieder in die Ukraine zu bringen und dort kämpfen zu lassen. Die Eingliederung Troschews in das Verteidigungsministerium unter Putins engem Vertrauten Sergej Schoigu sei ein Zeichen dafür, dass Russland auf die Söldner in der Ukraine angewiesen ist. Die Gruppe könne durch die Kopplung an das Ministerium aber nicht mehr so eigenständig agieren, wie das unter Prigoschin der Fall gewesen sei.
Der öffentliche Auftritt Putins mit Andrej Troschew diene nun dazu, den Söldnern zu zeigen, wer der neue Chef sei, so Russland Nico Lange.
... über die Präsenz der Wagner-Söldner in der Ukraine und in Afrika
Das lukrative Kerngeschäft der Wagner-Gruppe finde hauptsächlich in Afrika statt. Hier beschützten die Söldner Diktatoren, bildeten Truppen aus und betrieben illegalen und legalen Handel mit verschiedenen Rohstoffen.
Gleichzeitig ist dort einer der stellvertretenden Verteidigungsminister Russlands, Junus-Bek Jewkurow, laut Nico Lange sehr aktiv. Er koordiniere und überwache dort die Arbeit privater Militärfirmen - auch die der Wagner-Gruppe.
Ob die Strategie Russlands zum Erreichen von Kontrolle über die Söldner-Gruppe mit einer festen Einbindung Troschews in das Verteidigungsministerium aufgehe, bleibe abzuwarten. Hier müsse beobachtet werden, wie die Söldner in der Ukraine eingesetzt würden - möglicherweise in Bachmut oder an der Front. Es sei aber mit der gleichen Brutalität zu rechnen, wie es unter Prigoschin der Fall gewesen sei, erklärt Lange.
Das Interview führte ZDFheute live Moderator Carsten Rüger. Das Gespräch wurde zusammengefasst von Hannah Lucy Dieth.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.