Rede zur EU-Lage: Wie von der Leyen die Union beweihräuchert

    "Es lebe Europa":Wie von der Leyen die EU beweihräuchert

    Ulf Röller
    von Ulf Röller
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    In ihrer Rede zur Lage der EU versprüht Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Optimismus. Drängende Fragen werden bewusst umschifft - doch die Union gerät ins Hintertreffen.

    Ursula von der Leyen hat Monate lang mit ihren engsten Vertrauten an der Rede gearbeitet. Sie ist eine Bilanz ihrer Präsidentschaft. Die gezeichnet ist von Pandemie, vom Ukraine-Krieg und Klimakatastrophe.
    Jede Metapher hat ihr Team mehrfach durch den politischen Windkanal geschossen. Eine zu kritische Bestandsaufnahme ist deshalb kaum zu erwarten. Vom Selbstzweifel Europas seit dem Angriffskrieg Russlands spricht sie wenig.
    Ursula von der Leyen sieht sich hier nicht als Warnerin, sondern als Mut-Macherin. Von der Leyen liebt die großen Vergleiche. Sie erinnert an den Zweiten Weltkrieg, als Europa in Trümmern lag. Damals habe ein Geist geherrscht, sagt sie, der an ein Europa glaubte, das von einer besseren Zukunft träumte. Diesen Geist brauche es heute. Es ist von der Leyens Art zu sagen, wir schaffen das.

    Von der Leyen lobt Geschlossenheit der EU

    Die Herausforderungen sind aber groß. Die Welt sortiert sich neu. Europa verliert an Kraft, militärische abhängig von Amerika, wirtschaftlich von China. Europa droht zwischen diesen Machtgiganten zerrieben zu werden. Von der Leyen hält dagegen, lobt Geschlossenheit der EU, zeichnet ein Europa, das zusammensteht im Ukraine-Krieg und das beispielhaft mit dem Green Deal die Klimakatastrophe bekämpft.
    Und warum ist das so? Vor allem weil Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidenten das Steuer in der Hand hält. So platt sagt sie das nicht. Dafür ist zu schlau, denn sie weiß, dass einige in Brüssel darunter leiden, dass von der Leyen vor allem Erfolge daran bemisst, ob sie glänzt. Aber von der Leyen findet die Kommissionspräsidentin von der Leyen schon gut.

    EU-Kommissionspräsidentin äußert sich nicht zu eigener Zukunft

    Das wirft die Frage auf: Ist die Rede ein Vermächtnis oder eine Kandidatenrede? Will sich Ursula von der Leyen wieder für den Job der Kommissionspräsidentin bewerben? Der erste Satz in ihrer Rede weist darauf hin, dass in weniger als 300 Tagen Europa wählt. Davon hängt auch ab, ob eine Mehrheit für ihre Wiederwahl zustande kommt. Sie selbst gibt keine direkte Antwort auf ihre Zukunftspläne, aber man hat schon beim Zuhören den Eindruck, dass von der Leyen glaubt, Europa brauche sie.
    Sie will niemanden verprellen. In ihrer Rede ist für jeden etwas dabei, ein Sammelsurium von Themen, von der Landwirtschaft über die Künstliche Intelligenz bis hin zu Gleichstellung von Frau und Mann.
    Von der Leyen hat dabei die Gabe des Ungefähren, gepaart mit Pathos. Sie gleicht einem politischen Wolpertinger, dem bayerischen Fabelwesen, das sowohl Fuchs, Hase und Igel ist. Jeder kann sich in ihren Worten wiederfinden. Das mag nicht für jeden anziehend sein, aber es entspricht genau der Jobbeschreibung einer Kommissionspräsidentin.

    Politische Zerklüftung der EU kein Thema

    Wer Europa nicht kennt, wird nach dieser Rede denken: Hilfe, ist dieser Kontinent stark. Denn von der Leyen beherrscht auch die politische Disziplin des Schönfärbens. Sie blendet Realitäten aus. Die politische Zerklüftung der EU erwähnt sie nicht. Die Infragestellung der Rechtsstaatlichkeit von Ländern wie Ungarn und Polen verschweigt sie.
    Beim Thema Migration fordert von der Leyen die EU auf, eine Lösung zu finden. Mehr Mahnung wagt sie nicht. So sensibel ist das Thema. Denn es gibt keine gemeinsame europäische Asylpolitik. Die tausend ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer klagen weiter Europa an.

    Werben für weitere EU-Beitritte

    Ursula von der Leyen neigt zum Pathos. Oft wirkt das inszeniert. Beim Thema Ukraine erleben wir aber eine Präsidentin, die davon überzeugt scheint, dass Europas Schicksal mit dem Schicksal der Ukraine verknüpft ist. Ihre Formulierungen zu einem möglichen EU-Beitritt gehen da weiter, als manch einer dies in Europa will.

    Ich glaube, dass Europa auch mit mehr als 30 Staaten funktioniert.

    Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin

    Einen Satz, an dem sich von der Leyen messen lassen muss. Von der Leyens Rede endet mit dem Ausruf: "Es lebe Europa." Es wird ein Überlebenskampf werden zwischen den Machtriesen Amerika und China. Aber das würde sie so nie sagen.

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