Der Erdogan-Kontrahent und Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoglu, ist festgenommen worden. Es gibt Nachrichtensperren und Demonstrationsverbote in der türkischen Metropole.
Ekrem Imamoglu wurde festgenommen. Dem Bürgermeister von Istanbul und Rivalen von Erdogan wird unter anderem Korruption vorgeworfen. Die Opposition spricht von einem Putschversuch.19.03.2025 | 2:33 min
Dutzende Festnahmen, Demonstrationsverbote, Straßensperren sowie Beschränkungen bei Online-Medien: In der Türkei hat die Justiz im Zuge einer großangelegten Razzia den führenden Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu festgenommen - nur wenige Tage bevor er zum Präsidentschaftskandidaten der sozialdemokratischen CHP gekürt werden sollte.
Dem aussichtsreichen Herausforderer des autoritär regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wird Korruption und Terror-Unterstützung vorgeworfen. Die Partei des Bürgermeisters von Istanbul warnte dagegen vor dem Versuch eines Staatsstreichs und rief landesweit zu Protesten auf.
Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu ist verhaftet worden
Quelle: afp
Weitere Oppositionspolitiker ebenfalls verhaftet
Auch viele weitere Oppositionspolitiker und regierungskritische Journalisten wurden verhaftet, berichtete ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa aus Istanbul. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu wurden mindestens 87 Personen festgenommen, gegen 106 werde insgesamt ermittelt.
Konkret gehe es dabei unter anderem um den Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Bestechung, Betrug, Ausschreibungsmanipulation und die Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Gegen den Istanbuler Bürgermeister und Erdogan-Kontrahenten Imamoglu ist ein Haftbefehl erlassen worden. ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa zu den Hintergründen der Festnahme.19.03.2025 | 1:35 min
Erdogan kommentiert Festnahmen nicht
Imamoglu hatte am Morgen auf der Plattform X ein Video veröffentlicht, in dem er davon sprach, dass Hunderte Polizisten vor seiner Haustür stünden. Dazu schrieb er:
Wir befinden uns im Angesicht einer großen Tyrannei.
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Ekrem Imamoglu, Oppositionspolitiker
Dann wurde er auf eine Polizeistation gebracht, nach Medienberichten wurde das Anwesen durchsucht.
Regierungsnahe wie regierungskritische Medien berichteten über kaum ein anderes Thema. Präsident Erdogan äußerte sich zunächst allerdings nicht. In einer Rede am Abend ließ er das Thema vollständig unkommentiert.
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Vorwurf: Unterstützung der verbotenen PKK
Die Staatsanwaltschaft habe eine ganze Reihe von Gründen für die Festnahme genannt, berichtete ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa.
Der schwerwiegendste Vorwurf ist sicherlich der der Terrorunterstützung.
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Phoebe Gaa, ZDF-Korrespondentin
"Gegen Imamoglu laufen aber schon seit langem viele verschiedene Gerichtsprozesse", so Gaa. "Und diese Prozesse werden sowohl von Imamoglus Unterstützern als auch von unabhängigen Beobachtern als politisch motiviert beschrieben." Imamoglu erklärte, er wolle gegen die Festnahme vor Gericht ziehen, habe aber das Vertrauen in faire Urteile verloren.
Das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen Imamoglu hatte sich schon vorher angekündigt. Am Dienstag war bekannt geworden, dass die Istanbul-Universität ihm den Hochschulabschluss aberkannt hat. Dieser ist Voraussetzung zur Kandidatur für das Präsidentenamt in der Türkei. Hintergrund der Annullierung soll ein angeblich unrechtmäßiger Universitätswechsel sein.
CHP-Chef Özgür Ozel sprach von einem Putschversuch und einem entscheidenden Moment für die Zukunft der türkischen Demokratie. Das Volk solle daran gehindert werden, den nächsten Präsidenten selbst zu bestimmen. Er rief die 1,7 Millionen Partei-Mitglieder dazu auf, trotz der Verhaftung am Sonntag an der partei-internen Wahl des CHP-Spitzenkandidaten teilzunehmen.
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Hunderte demonstrieren trotz Verbots in Istanbul
Das Büro des Gouverneurs der Provinz Istanbul verhängte unterdessen eine viertägige Demonstrations-, Versammlungs- und Nachrichtensperre bis Sonntag. In der Millionenmetropole waren Straßen gesperrt, auch der zentrale Taksim-Platz und etliche Bahnstationen wurden geschlossen. Die Polizeipräsenz ist erhöht, berichtete Phoebe Gaa.
Proteste gegen die Festnahme von Ekrem Imamoglu.
Quelle: epa
Dem Verbot zum Trotz kamen Hunderte Menschen vor dem Gebäude der Stadtverwaltung in Istanbul zusammen, um gegen die Festnahme zu protestieren. Auch an der Istanbul-Universität protestierten Studierende. Medien berichteten von Tränengaseinsatz vonseiten der Polizei. Auch in anderen Städten der Türkei wurde Berichten zufolge demonstriert.
Etliche soziale Netzwerke sowie Kurznachrichtendienste waren nur eingeschränkt nutzbar. Viele Türken beschrieben Drosselungen und Beschränkungen unter anderem auf X, Youtube, Instagram, Tiktok, Whatsapp sowie Signal und Telegram.
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Bundesregierung und Finanzmärkte reagieren
Die deutsche Bundesregierung kritisierte die Verhaftung Imamoglus und zahlreicher weiterer Menschen als schweren Rückschlag für die Demokratie in der Türkei. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, die Festnahme reihe sich ein "in eine Serie erhöhten juristischen Drucks gegen den Istanbuler Oberbürgermeister." Und weiter:
Und für uns ist die Achtung demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien Grundbedingung für eine funktionierende Demokratie.
„
Auswärtiges Amt
Es sei bereits zuvor eine ungewöhnliche Häufung von Verfahren gegen den Bürgermeister bemerkt worden, sagte der Sprecher. Dieses Vorgehen werde in angemessener Weise gegenüber türkischen Ansprechpartnern adressiert werden.
Die Verhaftung Imamoglus erschütterte auch die Finanzmärkte. Die Landeswährung Lira sackte zum US-Dollar auf ein Rekordtief ab, der Aktienmarkt brach ein und am Anleihenmarkt zogen die Renditen deutlich an.
Quelle: dpa
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