Ukraine-Krieg: Türkei als Gastgeber für Friedensgespräche?

    Gastgeber für Friedensgespräche?:Die Rolle der Türkei im Ukraine-Krieg

    von Magdalena Gräfe
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    Innerhalb einer Woche kamen der ukrainische Präsident und der russische Außenminister nach Ankara. Bei den Gesprächen ging es auch um eine mögliche Vermittlerrolle der Türkei.

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (l) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
    Erdogan traf innerhalb einer Woche den ukrainischen Präsidenten Selenskyj und den russischen Außenminister. Damit ist es das einzige NATO-Land mit Beziehungen zu beiden Kriegsparteien.
    Quelle: dpa

    Am dritten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine sitzt der russische Außenminister Sergej Lawrow in Ankara. Neben ihm sein türkischer Amtskollege: Hakan Fidan. Zwischen den beiden ernst blickenden Männern stehen die russische und die türkische Flagge. Weniger als eine Woche zuvor wehte in Ankara noch die ukrainische. Anlass war der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der türkischen Hauptstadt.

    Türkei will "idealer Gastgeber" sein

    Zufällig sind diese Besuche beider Kriegsparteien in Ankara nicht. Bei den Gesprächen ging es nicht nur um mögliche Friedensverhandlungen, sondern auch darum, welche Rolle die Türkei dabei spielen könnte. Denn, dass sie weiterhin Vermittler sein wollen, machte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unmissverständlich klar. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj bezeichnete er die Türkei als "idealen Gastgeber" für mögliche Friedensgespräche und bot Ankara als Veranstaltungsort für künftige Verhandlungen an.
    Ein erstes Treffen zwischen amerikanischen und russischen Diplomaten gibt es am Donnerstag in Istanbul. Dort soll besprochen werden, wie die diplomatischen Vertretungen der beiden Länder wiederhergestellt werden können. Seit Oktober vergangenen Jahres hat Russland keinen Botschafter mehr in Washington.
    Präsident Recep Tayyip Erdogan und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
    Der ukrainische Präsident Selenskyj ist in die Türkei gereist, um sich dort mit Staatschef Erdogan zu treffen. Dabei sollte über die Folgen des Ukraine-Kriegs gesprochen werden.18.02.2025 | 0:15 min
    Zu Präsident Erdogans Angebot äußerten sich die beiden Staaten aber bis jetzt nicht. Schon seit dem Beginn der russischen Invasion der Ukraine vor drei Jahren bemüht sich der türkische Präsident Erdogan um eine Vermittlerrolle. 2022 gab es auf türkischem Boden mehrere direkte Verhandlungsversuche zwischen den beiden Kriegsparteien. Außerdem koordinierte die Türkei einen Gefangenenaustausch zwischen dem Westen und Russland.
    Der größte diplomatische Erfolg der Türkei war jedoch die Hilfe beim Abschluss des Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine. Dieses ermöglichte ukrainische Getreidelieferungen durch das Schwarze Meer - zumindest bis Russland 2023 einseitig aus dem Deal austrat.
    "Besonders wichtig für Präsident Erdogan ist es, ein wichtiger Akteur zu sein und bei politisch schwierigen Fragen mit am Tisch zu sitzen," sagt Türkeiexpertin Ellinor Zeino, Leiterin des Auslandsbüros Türkei der Konrad-Adenauer-Stiftung.

    Man möchte sich gerne als eine Macht darstellen, die für Stabilität sorgt, die Brücken baut und eine Vermittlerposition einnimmt.

    Ellinor Zeino, Konrad-Adenauer-Stiftung

    Der russische Außenminister Lawrow trifft den türkischen Präsidenten Erdogan und seinen Amtskollegen Fidan.
    Der russische Außenminister Lawrow hat seinen Amtskollegen Fidan in der Türkei getroffen. Ein Ende der Militäreinsätze sei in Sicht, wenn das Ergebnis Russland zusage, so Lawrow.24.02.2025 | 0:22 min

    Welche Interessen verfolgt Ankara?

    Gleichzeitig hat die Türkei neben geopolitischen auch sicherheitspolitische Interessen. Schon allein durch seine geographische Lage am Schwarzen Meer.

    Die Krim und die Ukraine sind das direkte Nachbarschaftsgebiet der Türkei. Die Türkei hat seit Jahrhunderten das Interesse, dass Russland dort nicht zu groß wird, noch möchte sie eine Konfrontation mit Russland.

    Ellinor Zeino, Konrad-Adenauer-Stiftung

    Deshalb brauche es eine unabhängige Ukraine als Gegengewicht. Präsident Erdogan betonte erst am Montag wieder die Wichtigkeit der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine. Auch deshalb schickte die Türkei immer wieder modernste Waffentechnik zur Unterstützung. Besonders Kampfdrohnen des führenden Rüstungskonzerns Baykar - dessen Technischer Leiter Selçuk Bayraktar, Erdogans Schwiegersohn ist.

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    Analyse

    Beziehungen zu Moskau

    Gleichzeitig pflegt Präsident Erdogan gute Beziehungen zu Wladimir Putin. Die beiden Staatsmänner bezeichnen sich regelmäßig als "gute Freunde". Außerdem bezieht die Türkei noch immer große Teile seines Erdgases aus Russland und macht sich energiepolitisch abhängig.
    Durch diesen diplomatischen Balanceakt und ihre geopolitische Lage hat die Türkei eine besondere Vermittlungsposition. "Die Türkei ist das einzige NATO-Land, das zu beiden Kriegsparteien gute Beziehungen unterhält und sowohl strategischer Partner der Ukraine, als auch wichtiger Partner von Russland ist", sagt Türkeiexpertin Zeino.

    Das ist schon ein Kunststück.

    Ellinor Zeino, Konrad-Adenauer-Stiftung

    USA, New York: Donald Trump (r), damals noch republikanischer US-Präsidentschaftskandidat und ehemaliger US-Präsident, gibt dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Trump Tower bei einem Treffen die Hand.
    Der Rohstoffdeal zwischen den USA und der Ukraine steht offenbar kurz vor dem Abschluss. Der Deal sieht vor, dass die USA Zugang zu ukrainischen Bodenschätzen erhalten. 26.02.2025 | 0:25 min
    Trotz Erdogans Bemühungen um eine Vermittlerrolle wurde die Türkei - genau wie Europa und die Ukraine - erstmal aus den Verhandlungen zwischen den USA und Russland ausgeschlossen.
    Während der ukrainische Präsident Selenskyj in Ankara eine türkische Beteiligung an möglichen Friedensverhandlungen forderte, äußerte sich der russische Außenminister Lawrow dahingehend nicht. Seit den türkischen Waffenlieferungen in die Ukraine ist das Verhältnis kühler geworden. Ob Russland die Türkei in Zukunft noch am Verhandlungstisch oder gar in einer Vermittlerrolle akzeptiert, ist daher noch unklar.

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    Quelle: dpa

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