Slowakei: Pressefreiheit wird von Regierung bedroht
Proteste in Bratislava:Slowakischer Rundfunk vor dem Aus
von Christian von Rechenberg, Wien
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Weil ihnen der unabhängige öffentlich-rechtliche Sender RTVS mutmaßlich zu unbequem ist, will ihn die Regierung von Robert Fico auflösen. Der Aufschrei ist gewaltig. Und die Angst.
In der Slowakei protestieren die Menschen gegen eine Rundfunk-Reform der Regierung, die die Medien staatlich kontrollieren will. Journalistenverbände sprechen von Zensur. 03.05.2024 | 2:32 min
Es sind wieder Tausende, die sich auf dem Freiheitsplatz im Herzen Bratislavas versammeln. "Hände weg von RTVS" steht auf einem Plakat. Man sieht slowakische Fahnen, und ernste Gesichter. Sie sind gekommen, um ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den RTVS, zu verteidigen. Gegen die eigene Regierung.
In der Slowakei haben erneut Zehntausende gegen die geplante Strafrechtsreform demonstriert. Auch das EU-Parlament hat das Vorhaben in einer Resolution verurteilt.19.01.2024 | 0:21 min
Aushöhlen der Demokratie in der Slowakei
Schon lange versuche die linksnationale slowakische Regierung, unter ihrem autoritären und populistischen Regierungschef Robert Fico, die unabhängigen Medien zu schwächen, sagen Ficos Kritiker. Nun sei sie einen entscheidenden Schritt gegangen: Sie will den öffentlich-rechtlichen Sender RTVS auflösen.
Bereits im Herbst hatte Fico die Korruptionsbekämpfung geschwächt, und die Strafen für Wirtschaftskriminalität gelockert. Womöglich, so Kritiker, um Ermittlungen gegen die eigene Partei abzuwehren. Nun habe er die Medien im Visier. Sein Ziel sei der autokratische Staat im Stile seines ungarischen Freundes Viktor Orbán.
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Vorwurf: RTVS nicht objektiv
Die Regierung verkauft die Zerschlagung von RTVS als Rettungstat: Man wolle Objektivität sicherstellen, die der Sender derzeit nicht böte. Angeblich seien die Journalisten politisch voreingenommen, obwohl Umfragen das genaue Gegenteil bestätigen. Doch für Fico ist nur ein regierungsfreundlicher Sender auch ein guter Sender.
Beim Angriff auf RTVS geht es Fico vor allem um den Mann an der Spitze, Generaldirektor Ľuboš Machaj. Eigentlich ist der vom Parlament bis 2027 gewählt - durch die Zerschlagung des Senders kann ihn Fico früher loswerden.
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Mehr Einfluss auf den Rundfunk
Durch das geplante Gesetz, das Fico am 25.4.2024 vorgestellt hatte, würde der bisherige Sender RTVS aufhören zu existieren. Er würde durch einen neuen ersetzt, der dann STVR heißen soll. Ein neu gegründeter Verwaltungsrat wählte dann die neue Hausspitze.
Wer im künftigen Verwaltungsrat säße, kann die Regierung faktisch selbst bestimmen. Außerdem soll künftig ein sogenannter Ethikrat über die Objektivität des Senders wachen. Zwei neue Institutionen - zwei Hintertüren. Der Einfluss der Regierung werde "insgesamt sehr stark sein", sagt Adam Solga, Medienwissenschaftler der Universität Bratislava.
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Parlament entscheidet im Sommer
Ob das neue Gesetz kommt oder nicht, entscheidet das Parlament. Hier hat Ficos Regierungskoalition die Mehrheit. Die entscheidende Abstimmung wäre im Sommer. Dann muss Fico auch nicht das Veto des neuen Präsidenten fürchten. Der im April gewählte Peter Pellegrini wäre dann im Amt - ein enger Verbündeter Ficos.
Weil sie seine Führung nicht absetzen kann, will die Regierung der Slowakei den öffentlich-rechtlichen Sender RTVS auflösen - und ihn durch einen neuen ersetzen.
mit Video
Auf dem Friedensplatz werden sie weiter demonstrieren. Immerhin haben ihre Proteste seit März erreicht, dass die offensichtlichsten Versuche der Einflussnahme aus dem Gesetzestext herausgenommen wurden. Vielleicht, so hoffen sie hier, kann man noch mehr erreichen, wenn der Protest weiter anhielte.
Christian von Rechenberg ist Korrespondent im Studio Wien.