Besetzte ukrainische Gebiete:Kreml verkündet Sieg bei Scheinwahlen
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Die Kreml-Partei "Geeintes Russland" hat die Scheinwahlen in den annektierten Regionen der Ukraine erwartungsgemäß gewonnen. An einem freien Verlauf bestehen erhebliche Zweifel.
Auszählung der Stimmzettel in einem Wahlbüro in Donezk.
Quelle: Reuters
Die Partei des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat nach offiziellen Angaben aus Moskau die Scheinwahlen in den vier von Russland für annektiert erklärten Regionen der Ukraine wie erwartet klar gewonnen.
In jeder dieser Regionen habe die Partei Geeintes Russland bei den Regional- und Kommunalwahlen mehr als 70 Prozent der Stimmen erhalten, teilte die russische Wahlkommission am Sonntagabend mit.
Im September 2022 hatte Russland die ukrainischen Regionen Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja nach sogenannten Referenden für annektiert erklärt, hält aber nur Teile dieser Regionen besetzt.
Kommission: Mehr als 70 Prozent der Stimmen erhalten
Die Vorsitzende der Wahlkommission, Ella Pamfilowa, erklärte, die dreitägigen Wahlen seien "auf dynamische Weise und mit wenigen Verstößen" verlaufen.
Fälle von Wahlmanipulation in vielen Teilen des Landes zeigten, dass "dies keine echten Wahlen sind", sagte Stanislaw Andrejtschuk, Ko-Vorsitzender von Golos, einer Wählerrechtsorganisation, die von der russischen Regierung als "ausländischer Agent" bezeichnet wird.
Oppositionskandidaten seien verhaftet und ihre Autos verwüstet worden. In einem Fall seien Wahlbeobachtern Einberufungsbescheide des Militärs zugestellt worden. "Sie tun absolut unvorstellbare Dinge".
Renata Alt fordert EU-Sanktionen nach dem Wahlsieg von Putins Partei in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine. Kiew hatte die Wahlen schon vorab als unrechtmäßig bezeichnet.
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Die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten hatten die Scheinwahlen vorab als unrechtmäßig verurteilt.
Die Bundesregierung schließt derweil nicht aus, Sanktionen gegen die Organisatoren und Kandidaten zu verhängen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, derartige Maßnahmen seien "durchaus vorstellbar". Er verwies allerdings darauf, dass über solche Sanktionen grundsätzlich "auf europäischer Ebene" beraten werde. Der Außenamts-Sprecher versicherte trotzdem:
Kritisch äußerte er sich auch zu den parallel ausgerichteten Kommunal- und Regionalwahlen auf russischem Staatsgebiet. Die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit in Russland sei in den vergangenen Jahren systematisch abgeschafft worden. Vor diesem Hintergrund betonte der Sprecher, "dass von freien und fairen Wahlen nicht gesprochen werden kann".
Test für die Präsidentschaftswahl
Auch in zahlreichen Regionen Russlands fanden Kommunal- und Regionalwahlen statt. Bestimmt wurden Gouverneure, Regionalparlamente, Stadt- und Gemeinderäte sowie Bürgermeister.
Die Urnengänge galten auch als Test für die russische Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr, bei der Putin seine Herrschaft bis mindestens zum Jahr 2030 verlängern lassen will.
Mitten im Krieg hat der Kreml gestern Gouverneure und Regionalparlamente neu wählen lassen - auch in besetzten Teilen der Ukraine. 08.09.2023 | 2:34 min
Oppositionsparteien und -kandidaten, die ernsthafte Rivalen für Putin und seine Partei hätten sein können, standen allerdings nicht zur Wahl: Prominente Regierungsgegner sind mittlerweile entweder inhaftiert oder im Exil.
In Moskau wurde nach Angaben der Wahlkommission Bürgermeister Sergej Sobjanin, ein Putin-Vertrauter, erwartungsgemäß im Amt bestätigt. Ein Vertreter der Kommission gratulierte dem seit 2010 amtierenden Sobjanin zu seinem "so überzeugenden Sieg". Der Bürgermeister hatte keinen auch nur ansatzweise aussichtsreichen Gegenkandidaten.
Krieg im Wahlkampf fast kein Thema
Der Krieg in der Ukraine war zwar im Wahlkampf fast kein Thema. Insbesondere in den nahe der Grenze zur Ukraine gelegenen Regionen überschattete er aber die Wahlen. So teilte die Wahlkommissions-Vorsitzende Pamfilowa mit, dass die Wahl in der grenznahen Stadt Schebekino in der häufig von ukrainischen Angriffen getroffenen Region Belgorod aufgrund der "erhöhten Gefahrenlage" verschoben worden sei.
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In der südwestrussischen Großstadt Rostow am Don, die in der Woche zuvor Ziel eines Drohnenangriffs gewesen war, nannten Wähler den Konflikt mit der Ukraine als ihre Hauptsorge. Die 40-jährige Nina Antonowa sagte der Nachrichtenagentur AFP:
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Beitrags wurde die Formulierung "umstrittene Wahlen in den ukrainisch besetzten Gebieten" verwendet. Dies haben wir korrigiert: es handelt sich dabei um Scheinwahlen.