Boris Nadeschdin: Der Mann, der Putin herausfordern will

    Präsidentschaftswahl in Russland:Herausforderer Nadeschdin: Risiko für Putin?

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    Boris Nadeschdin will bei der Präsidentschaftswahl in Russland antreten. Er ist gegen den Krieg in der Ukraine - und könnte damit für Putin ein echter Herausforderer werden.

    Boris Nadezhdin
    Ein Sieg Putins bei der Präsidentschaftswahl in Russland gilt als sicher. Doch einer der Kritiker des Krieges in der Ukraine, Boris Nadeschdin, will trotz geringer Chancen antreten.12.01.2024 | 1:44 min
    Bereits zum wiederholten Mal hat sich eine lange Menschenschlange vor dem Büro von Boris Nadeschdin gebildet - ein oppositioneller Kriegsgegner, der bei der Präsidentenwahl am 17. März Kremlchef Wladimir Putin herausfordern will. Doch damit Nadeschdin überhaupt als Kandidat zugelassen werden kann, braucht er mindestens 105.000 Bürgerunterschriften - und dazu wollen diese Moskauer beitragen.
    Junge und alte Menschen sind gekommen, Studenten und Rentner, Männer und Frauen. Auf der anderen Straßenseite hat die Polizei Stellung bezogen. Der 68 Jahre alte Juri sagt über Nadeschdin:

    Er ist der einzige Bewerber, der offen gegen die militärische Spezialoperation auftritt.

    Juri, Unterstützer von Boris Nadeschin

    "Ein Kandidat mit Anti-Kriegs-Politik ist meiner Meinung nach das, was wir brauchen", sagt auch die 20-jährige Anna, die wenige Schritte hinter Juri steht.
    Wladimir Putin nimmt an einem Gipfeltreffen des kollektiven Sicherheitsrates der OVKS in Minsk, Belarus, teil.
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    Nadeschdin lehnt Krieg entschieden ab - und findet Zuspruch

    Eigentlich dient die Präsidentenwahl aus Kremlsicht vor allem einem Zweck: Sie soll dem 71 Jahre alten Putin seine fünfte Amtszeit sichern und damit zugleich demonstrieren, wie sehr das Volk angeblich auch nach rund zwei Jahren noch den Krieg gegen die Ukraine unterstützt. Stattdessen aber sorgt nun ausgerechnet der Bewerber für Schlagzeilen, der als einziger diese Invasion entschieden ablehnt - und damit in Russland auf unerwartet großen Zuspruch stößt.
    Der 60-jährige Nadeschdin ist in der russischen Politik alles andere als ein Newcomer. Er hat Kontakte in die Präsidialverwaltung und trat jahrelang in Polit-Talkshows des Staatsfernsehens auf - zum Ärger anderer Oppositioneller. Nadeschdin galt bislang als Pragmatiker, der auch mal mit den Mächtigen kooperierte, wenn ihm das für eigene Ziele nützlich schien.
    Nun aber ist der Liberale auf Konfrontationskurs zum Kreml gegangen - obwohl er vorsichtig formuliert, sobald es um Kriegskritik geht. Nadeschdin spricht also von "all dem", wenn er den Krieg meint, und von "dort", wenn es um die Ukraine geht. Doch seine Botschaft ist klar. Bei einem Wahlkampfauftritt, bei dem er sich an der Seite von Frauen zeigte, die ihre mobilisierten Männer von der Front zurückhaben wollen, sagte er:

    Das Land will, dass all das aufhört. Die Leute wollen, dass die, die dort sind, zurückkehren.

    Boris Nadeschdin, russischer Politiker

    Fraglich, ob Nadeschdin zur Wahl zugelassen wird

    Ende vergangener Woche gibt Nadeschdins Team bekannt, dass landesweit rund 200.000 Bürgerunterschriften gesammelt worden sind - weit mehr, als für seine Registrierung als Kandidat notwendig sind. Ob er am Ende wirklich auf dem Wahlzettel erscheinen wird, ist dennoch fraglich.
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    Im Interview sagt der Journalist und politische Analyst Andrej Perzew über die Interessen des Kremls:

    Ich halte das nicht für sehr realistisch, denn sie wollen die Wahlen vollständig kontrollieren.

    Andrej Perzew, Journalist und politischer Analyst

    Mit Kriegskritik unbequem geworden

    Möglicherweise habe der Kreml der Bewerbung Nadeschdins zwar anfangs wohlwollend gegenübergestanden - und ihn für einen willkommenen Pseudo-Rivalen gehalten. Doch mit seiner offenen Kriegskritik sei Nadeschdin längst unbequem geworden, meint Perzew.
    Zwar sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow erst kürzlich, als Journalisten ihn auf Nadeschdin ansprachen:

    Wir betrachten ihn nicht als Konkurrenten.

    Dmitri Peskow, Kremlsprecher

    Doch Perzew ist überzeugt: Würde man Nadeschdin tatsächlich als Kandidaten zulassen, wäre das angesichts der Kriegsmüdigkeit vieler Russen ein "echtes Risiko" für den Kreml.
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    Auflagen für Zulassung komplex

    Die Auflagen für eine Zulassung als Kandidat sind komplex. Für die Wahlkommission, die die Unterschriften bis zum 10. Februar sichten muss, sei es deshalb ein Leichtes, Nadeschdin den Kandidatenstatus unter einem Vorwand zu verweigern.
    Auch viele von Nadeschdins Unterstützern wissen, dass er kaum Chancen haben dürfte. Viele haben ihre Unterschriftabgabe deshalb vor allem als Möglichkeit betrachtet, endlich einmal wieder ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen, während Anti-Kriegs-Proteste schon lange mit aller Härte unterdrückt werden.
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    Eine Frau - Natalja, 34 Jahre alt - bittet explizit darum, auch in diesen Artikel aufgenommen zu werden. Es gebe viele Kriegsunterstützer in Russland, aber die Welt solle sehen, dass es auch Kriegsgegner gebe, sagt sie. Mit Blick auf Nadeschdin fügt sie hinzu:

    Selbst wenn er nicht gewinnt, weiß ich nun, dass ich nicht alleine bin. Dass es viele Leute gibt, die das alles nicht unterstützen (...) und die ein schnellstmögliches Kriegsende wollen.

    Natalja, Unterstützerin von Boris Nadeschin

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    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
    Liveblog
    Quelle: dpa

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