Parlamentswahl :Diesmal keine Briefwahl für die Polen möglich
von Moritz Flocke
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In Polen findet am Sonntag die Parlamentswahl statt. Eine Briefwahl ist grundsätzlich nicht zugelassen. Das sorgt bei vielen Polinnen und Polen für Probleme.
In Polen kann grundsätzlich nur vor Ort in einem Wahllokal abgestimmt werden.
Quelle: Imago
Wählen ist hierzulande sehr bequem. Wenn man keine Lust hat, ins Wahllokal zu gehen, schickt man die Stimme einfach per Brief. Doch das ist nicht selbstverständlich. Die Regeln zur Stimmabgabe sind je nach Land sehr unterschiedlich und manche Staaten lassen die Briefwahl gar nicht oder nur in Ausnahmefällen zu - so auch Polen.
Hoher Aufwand für Stimmabgabe
Am kommenden Sonntag sind Polinnen und Polen zur Wahl aufgerufen. Jedoch wählen nicht alle in Polen selbst. Schätzungen gehen weltweit von Hunderttausenden Wahlberechtigten im Ausland aus. In Deutschland haben sich dieses Jahr rund 108.000 registriert. Auch ihre Stimme sollte am Ende zählen.
Doch es gibt Hindernisse. Denn der Wahlzettel kann nicht einfach per Brief nach Polen geschickt werden. Man muss stattdessen ein extra eingerichtetes Wahllokal im Ausland aufsuchen. Praktisch bedeutet der Wahltag für Polinnen und Polen im Ausland erheblichen Aufwand. Es gibt nämlich in vielen Fällen schlicht kein Wahllokal in unmittelbarer Nähe. Der Sonntagsspaziergang zum Wahllokal wird dann zur Tagesreise. Unter Umständen müssen Wahlberechtigte sogar hunderte Kilometer zurücklegen. Insgesamt sollen in Deutschland 42 Stellen eingerichtet werden.
Kritik an aktueller Rechtslage
Ewa Tuora-Schwierskott ist Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Juristenvereinigung und Professorin für Verfassungs- und Europarecht in Wrocław. Sie kennt das Prozedere der Wahl im Ausland. Als sie in Regensburg lebte, musste sie zur Stimmabgabe in das etwa 120 Kilometer entfernte München fahren.
Tuora-Schwierskott ist mit der aktuellen Rechtslage nicht einverstanden. Denn wenn die Hürde zur Stimmabgabe hoch sei, würden viele Leute schlicht auf ihr Wahlrecht verzichten.
Der Wahlkampf in Polen ist knallhart. Rechtsextreme könnten entscheiden, wie die Wahl ausgeht.11.10.2023 | 6:37 min
Briefwahl früher möglich
Das Wahlrecht war nicht immer so. Zwischen 2011 und 2018 gab es in Polen die Möglichkeit der Briefwahl im In- und Ausland. 2019 schränkte die nationalkonservative PiS-Regierung diese Möglichkeit wieder ein.
Grundsätzlich darf seitdem niemand mehr per Brief wählen. Ausnahmen gibt es nur wenige, zum Beispiel für körperlich Beeinträchtigte. Agnieszka Łada-Konefał, stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts, kritisiert die aktuelle Regelung ebenfalls.
Das entbehre jeder sachlichen Grundlage und sei schädlich für die Demokratie.
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Wie ist die Situation in anderen Ländern?
Im EU-Vergleich ist Polen mit dieser Regelung in der Minderheit. In fast allen Ländern können Bürger, die im Ausland leben, per Brief wählen. Neben Polen haben in der EU Tschechien und Bulgarien keine Briefwahl für Bürger im Ausland.
In Tschechien trat der Senat zwar grundsätzlich für die Einführung der Briefwahl ein, konnte sich aber nicht auf eine bestimmte Umsetzung einigen. Auch in Bulgarien ist das bisher keine Option. Auch in der Türkei ist die Wahl aus dem Ausland wichtig. In Deutschland befinden sich 1,5 Millionen türkische Wahlberechtigte. Für sie kam Präsident Erdogan in der Vergangenheit sogar zu Wahlkampfauftritten nach Deutschland. Eine Briefwahl gibt es nicht, gewählt wird in den Konsulaten.
Seit der Wahl von Donald Trump sind Briefwahlstimmen im Fadenkreuz vieler Regierungschefs. Auch die aktuelle Regierung in Polen hält nichts von ihr. Ob die nicht abgegebenen Briefwahlstimmen die Parlamentswahl in Polen entscheiden, ist offen.
Moritz Flocke ist Rechtsreferendar in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.