Ungarn und Polen blockieren EU-Erklärung zur Migration

    Migrationspolitik:Ungarn und Polen blockieren EU-Erklärung

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    Ungarn und Polen blockieren in Granada eine Erklärung zur EU-Migrationspolitik. Die beiden Länder fühlten sich "vergewaltigt", sagt der ungarische Ministerpräsident Orban.

    Polen und Ungarn haben beim EU-Gipfel im spanischen Granada eine geplante Erklärung zur Migrationspolitik blockiert. Das sagten mehrere EU-Diplomaten am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki kündigte auf der Plattform X (früher Twitter) an: "Ich habe beschlossen, gegen den Teil über die Migration mein Veto einzulegen."
    Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte am Rande des informellen EU-Gipfels in Granada bereits Gegenwehr gegen die Pläne angekündigt, die eine Pflicht zur Solidarität mit besonders stark von Migration betroffenen Staaten vorsehen.

    Orban: Ungarn und Polen wurden "rechtlich vergewaltigt"

    Aus seiner Sicht gebe es keinerlei Chance mehr auf Kompromisse und Vereinbarungen, nachdem Ungarn und Polen "rechtlich vergewaltigt" worden seien. Er sagte wörtlich:

    Wenn man vergewaltigt wird - rechtlich gezwungen wird, etwas zu akzeptieren, was man nicht will - wie soll es dann einen Kompromiss und eine Einigung geben? Das ist unmöglich.

    Victor Orban, Regierungschef Ungarn

    Orban spielte mit seinen Aussagen darauf an, dass wichtige Entscheidungen für die geplante Reform des europäischen Asylsystems jüngst gegen den Willen von Ungarn und Polen per Mehrheitsentscheidung getroffen worden waren. Die beiden Länder sind ungeachtet anderslautender juristischer Analysen der Meinung, dass dies nur im Konsens, also ohne Gegenstimmen, hätte geschehen können.
    Sie verweisen dabei auf EU-Gipfel-Erklärungen in den Jahren 2016, 2018 und 2019. So heißt es in einem Text der Staats- und Regierungschefs aus dem Juni 2019:

    Es muss ein Konsens für eine Reform der Dublin-Verordnung auf der Grundlage eines ausgewogenen Verhältnisses von Verantwortung und Solidarität gefunden werden.

    EU-Gipfelerklärung 2019

    Ungarn und Polen interpretieren dies so, dass in der gesamten Asylpolitik nur noch mit Konsens entschieden werden soll.

    Ungarn und Polen: Werden zu Ausgleichzahlungen gezwungen

    Sie wehren sich insbesondere dagegen, dass den Plänen zufolge stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen werden soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Schon beim Juni-Gipfel hatten Spitzengespräche zum Thema Migration wegen dieses Streits ergebnislos und ohne Erklärung geendet.
    Ungarn und Polen halten zudem auch die am Mittwoch vereinbarten Pläne für einen Krisenmechanismus innerhalb des EU-Asylsystems für unzureichend. Sie wollen bei einem größeren Zustrom von Migranten weitreichend von normalen Schutzstandards für diese Menschen abweichen können.
    Die Blockade der geplanten gemeinsamen Erklärung zur Migration hat indes keine unmittelbaren Auswirkungen auf den laufenden Prozess für eine europäische Asylreform. Denkbar ist allerdings, dass Polen und Ungarn die derzeit laufenden Verhandlungen über eine Revision des langfristen EU-Haushalts nutzen, um weiteren Druck beim Thema Asylreform zu machen. Bei diesem Thema ist Einstimmigkeit erforderlich, und die Revision soll auch eine Fortsetzung der Finanzhilfen für die Ukraine ermöglichen.

    Scholz wirft Polen und Ungarn Durchwinken von Flüchtlingen vor

    Kanzler Olaf Scholz warf Staaten wie Polen und Ungarn eine widersprüchliche Position in der Flüchtlingspolitik vor: Es könne nicht sein, dass ausgerechnet Länder, die in der EU-Asyldebatte für eine harte Linien stünden, "diejenigen, die bei ihnen ankommen, durchwinken, damit sie in Deutschland ankommen", sagte er nach dem Gipfel, ohne beide Länder ausdrücklich zu nennen.
    Zugleich spielte Scholz Warnungen beider Ministerpräsidenten herunter, eine endgültige Einigung auf europäischer Ebene noch zu verhindern.

    Das kann nicht von Einzelnen blockiert werden.

    Olaf Scholz, Bundeskanzler

    Deshalb sei er "zuversichtlich", dass eine in dem Trilog zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Rat verhandelte Einigung noch gelingen werde. Er gehe fest davon aus, dass eine Regelung dann für alle 27 EU-Staaten gelten werde.
    Quelle: dpa, Reuters

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