Care-Krisenreport: Afrikas Elend bleibt ein "blinder Fleck"

    Care-Krisenreport:Afrikas Elend bleibt ein "blinder Fleck"

    von Marcel Burkhardt
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    Der Gaza-Krieg macht international täglich Schlagzeilen - viele humanitäre Großkrisen vor allem in Afrika sind einem Report zufolge dagegen "blinde Flecken". Warum ist das so?

    Verteilung von Nahrungsmittelhilfe: Hände halten Säcke und Schüsseln mit getrockneten Erbsen
    35 Millionen Menschen in Afrika sind von extremer Not betroffen.
    Quelle: dpa

    Der Krieg im Gazastreifen bestimmt die tägliche Krisen-Berichterstattung rund um den Globus. Andere humanitäre Notlagen erhalten dagegen deutlich weniger oder kaum mediale Aufmerksamkeit.
    Wie stark die Gewichtung der Berichterstattung ist, darüber gibt der aktuelle "Krisenreport" der Hilfsorganisation Care Aufschluss. Demnach handeln von den insgesamt 5,6 Millionen ausgewerteten Online-Artikeln etwa 2,7 Millionen - also nahezu die Hälfte - ausschließlich von dem Konflikt in Gaza.

    35 Millionen Menschen in Afrika in extremer Notlage

    Wie bereits in den vergangenen zwei Jahren befinden sich die zehn humanitären Katastrophen, über die global am wenigsten berichtet wurde, allesamt in Afrika. Fast 35 Millionen Menschen sind von diesen Krisen betroffen.
    Vergessene Krisen Afrikas

    ZDFheute Infografik

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    "Doch Zahlen erfassen nicht das Ausmaß des menschlichen Leids", sagt Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von Care Deutschland.

    In diesen stillen Katastrophen kämpfen Familien täglich ums Überleben, oft ohne ausreichend Zugang zu humanitärer Hilfe oder internationaler Unterstützung.

    Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von Care Deutschland

    ambodscha, Phnom Penh: Ein Mann fährt einen mit Gras für seine Kuh beladenen Motorkarren in der Nähe des flachen Sees von Trapaing Andoeuk während der Trockenzeit außerhalb von Phnom Penh.
    Wassernot kann gravierende Folgen haben, warnt die UNO anlässlich des Weltwassertags. Beispiel Südafrika: Dort sind die Menschen teilweise auf Lieferungen per Tankwagen angewiesen.22.03.2024 | 1:08 min
    Der "blindeste Fleck" auf der Aufmerksamkeitskarte ist dabei Angola. Wegen der schlimmsten Dürre seit 40 Jahren brauchen dort 2,2 Millionen Menschen Hilfe - vor allem sauberes Trinkwasser und Nahrungsmittel. Dennoch wurde 2024 in nur 1.956 Online-Artikeln über die Notlage in Angola berichtet.
    Zum Vergleich: Über den Krieg im Gazastreifen wurden 2.680.088 Online-Artikel weltweit verfasst. Über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine erschienen 359.329 Online-Artikel im Beobachtungszeitrum.

    Für den aktuellen Care-Krisenreport sind zunächst alle Krisen, die im Jahr 2024 mindestens eine Million Menschen betrafen, erfasst worden. Die Gesamtzahl der von jeder Krise betroffenen Menschen ergibt sich laut Care durch eigens ermittelte Daten sowie Informationen des Analyseportals ACAPS und des Informationsdiensts Reliefweb.

    Das Ergebnis - eine Liste von 43 Krisen - wurde einer Medienanalyse unterzogen und nach der Anzahl der weltweit veröffentlichten Online-Artikel aus fünf Sprachräumen (Arabisch, Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch) geordnet. Für den aktuellen Report analysierte der internationale Mediendienst Meltwater im Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2024 insgesamt 5,6 Millionen Online-Artikel.

    Care: Keine Rangliste menschlichen Leids

    Care will den Krisenbericht indes nicht als Anklage verstanden wissen: "Menschliches Leid passt in keine Rangliste", sagt Andrea Barschdorf-Hager. Der Report sei eine Aufforderung an alle, mehr über diese vergessenen Krisen zu erfahren, die Informationen zu teilen, sich zu engagieren.

    Gerade humanitäre Krisen lassen sich durch frühes Handeln abschwächen oder gar verhindern. Doch dafür braucht es Aufmerksamkeit.

    Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin Care Österreich

    Dass diese Aufmerksamkeit hart umkämpft ist, verdeutlicht der Vergleich mit der Fülle von Berichten über "bunte Themen" wie Taylor Swifts Kuss für ihren Partner Travis Kelce beim Super Bowl, die Wiedervereinigung der Britpop-Band Oasis und die Trennung von Jennifer Lopez und Ben Affleck.
    Über jedes dieser Themen wurden weit mehr als 100.000 Online-Artikel verfasst.
    Was 2024 medial für große Aufmerksamkeit gesorgt hat

    ZDFheute Infografik

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    Dagegen wurde nur in 4.012 Online-Artikeln über die humanitäre Not in der Zentralafrikanischen Republik berichtet - ein Bürgerkriegsland, in dem 2,5 Millionen Menschen zu wenig Nahrung haben und 1,2 Millionen Kinder, Frauen und Männer auf der Flucht vor Gewalt sind.
    Archiv, 13.03.2024, Demokratische Republik Kongo, Goma: Menschen, die durch den anhaltenden Konflikt zwischen Regierungstruppen und der Miliz M23 vertrieben wurden, versammeln sich in einem Lager am Rande der Provinzhauptstadt.
    Kriege und Gewalt haben die Zahl der Binnenflüchtlinge weltweit auf ein neues Rekordhoch steigen lassen. Fast 76 Millionen Menschen waren Ende 2023 im eigenen Land auf der Flucht. 14.05.2024 | 0:25 min

    "Viele schleichende Katastrophen" in Afrika

    Chikondi Chabvuta, Care-Klimaexpertin für das südliche Afrika, sieht in der Komplexität vieler langanhaltender Krisen auf dem Kontinent einen Grund für die vergleichsweise geringe mediale Aufmerksamkeit.

    Es gibt oft nicht diesen einen großen Gewaltausbruch oder die eine Naturkatastrophe, sondern es sind viele schleichende Katastrophen.

    Chikondi Chabvuta, Care-Klimaexpertin

    Zu den ethnischen und religiösen Spannungen und politischer Instabilität, Korruption und wirtschaftlicher Ungleichheit als häufige Konflikttreiber treiben in vielen der ärmsten Länder Afrikas inzwischen die Folgen des Klimawandels Millionen Menschen in Not.

    Der Klimawandel ist eine globale Krise, aber besonders die armen Länder bezahlen die Rechnung dafür - mit dem Verlust vieler Menschenleben.

    Chikondi Chabvuta, Care-Klimaexpertin

    ZDF-Korrespondent Ulf Röller im ZDF-Morgenmagazin
    "Man muss sich das klarmachen: Diese Leute sind in einem Überlebenskampf. Da sterben viele", so ZDF-Korrespondent Ulf Röller zu Fluchtbewegungen in Nordafrika. Die EU schaue dabei weg.14.05.2024 | 4:52 min

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