Aserbaidschan: Kein Militärschlag gegen Armenien

    Interview

    Berater zu Militäroptionen:Aserbaidschan: Keine Ansprüche an Armenien

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    Der engste Berater des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew verneint im ZDF-Interview territoriale Ansprüche gegenüber Armenien und erklärt Verhaftungen von Journalisten im Land.

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    Im autoritär geführten Aserbaidschan wurde die Präsidentenwahl vorgezogen. Es gilt als sicher, dass der bisherige Machthaber Ilham Alijew das Präsidentenamt behält.
    Im September 2023 hatte Aserbaidschan Bergkarabach komplett erobert, eine Region auf aserbaidschanischem Staatsgebiet. Mehr als 100.000 Armenier flohen von dort, Armenien warf Aserbaidschan unter anderem "ethnische Säuberung" vor. In den Augen der Aserbaidschaner wurde damit jedoch die territoriale Integrität Aserbaidschans wieder hergestellt.
    Im ZDF-Interview spricht Hikmet Hajiyev, Berater des Präsidenten Alijew, über die territoriale Ansprüche gegenüber Armenien, die Rolle Aserbaidschans im Europarat und Verhaftungen von Journalisten.

    AZERBAIJAN-ARMENIA-CONFLICT-KARABAKH-POLITICS
    Quelle: AFP

    Hikmet Hajiyev ist außenpolitischer Berater des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew. Er wurde 1979 in Ganja, Aserbaidschan, geboren. Hajiyev hat Master-Abschlüsse am NATO Defense College, dem George Marshall European Center for Security Studies und der Université libre Brüssel gemacht. Seit 2000 arbeitet er in verschiedenen Positionen im Außenministerium. Er gilt als rechte Hand von Alijew und als dessen engster Berater.

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    ZDFheute: Ilham Alijew hat Ende vergangenen Jahres erklärt, dass er auch südliche Teile Armeniens für aserbaidschanisch hält. Ist Alijews Ziel jetzt Territorium von Armenien zu erobern?
    Hikmet Hajiyev: Mein Präsident hat das nicht so gesagt und ich bedaure, dass es in den internationalen Medien falsch interpretiert wurde. Im ursprünglichen Kontext hat er etwas anderes gemeint. Auf dem Gebiet des heutigen Armeniens haben lange immer schon Aserbaidschaner gelebt. Meine eigenen Vorfahren haben in Armenien gelebt. Wir sprechen über zwischenmenschliche Kontakte. Auch Aserbaidschaner sollten das Recht haben, dieses Territorium zu besuchen, zum Beispiel die kulturellen Stätten und die Friedhöfe. Damit sind keine Gebietsansprüche gegen Armenien gemeint.
    Was den Sangezur-Korridor anbelangt, hoffen wir, dass Armenien seinen Verpflichtungen nachkommt. Unter dem trilateralen Abkommen aus 2020 hat sich Armenien bereiterklärt, dass sie Aserbaidschanern ungehinderten Zugang von Aserbaidschan nach Nachitschewan gewähren. Doch bislang ist Armenien seiner Verpflichtung nicht nachgekommen.
    ZDFheute: Ist ein Militärschlag eine Option, die in Aserbaidschan diskutiert wird?
    Hikmet Hajiyev: Nein. Für uns ist jede Art von militärischem Engagement vorbei, weil Aserbaidschan seine territoriale Integrität wiederhergestellt hat. Aserbaidschan hat nur auf dem Territorium der Republik Aserbaidschan operiert. Aserbaidschan handelt nach der Charta der Vereinten Nationen. Artikel 51 sieht ein Recht auf Selbstverteidigung und damit die Wiederherstellung des Territoriums von Aserbaidschan vor. Es sollte keine Doppelmoral und keine selektive Haltung gegenüber der territorialen Integrität geben.
    ZDFheute: Es gibt derzeit eine Diskussion über die Parlamentarische Versammlung des Europarates, dem Aserbaidschan angehört. Denn viele Abgeordnete kritisieren Aserbaidschan für außen- und Innenpolitische Entwicklungen. Aserbaidschan will jetzt diese Versammlung verlassen. Warum?
    Hikmet Hajiyev: Ich bereue wirklich, dass es so weit gekommen ist. Aber bestimmte Abgeordnete innerhalb der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, insbesondere aus Deutschland predigen und belehren gerne jeden. Wir haben auch große Bedenken hinsichtlich bestimmter Entwicklungen im Westen. Die Rechte von Migranten innerhalb der EU zum Beispiel. Wir sind auch besorgt über die Auswirkungen der Islamophobie und des Antisemitismus. Zu all diesen Themen schweigen sie und beschimpfen immer nur Aserbaidschan.
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    ZDFheute: Ist das auch der Grund, warum Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, kein Zugang zur Wahl gewährt wurde?
    Hikmet Hajiyev: Aserbaidschan hat keine Verpflichtung vor der parlamentarischen Versammlung, Beobachter einzuladen. Wir haben eine Verpflichtung gegenüber der OSZE. Wir kooperieren und sie sind derzeit wegen der Präsidentschaftswahlen hier in Baku. Ich bedaure, dass gewisse Abgeordnete den allgemeinen Geist der Zusammenarbeit innerhalb des Europarats untergraben. Ich weiß nicht, welche Agenda dahintersteckt. Wir denken, das ist kontraproduktiv. Ich denke, Aserbaidschan war für die Parlamentarischen Versammlung ein großer Mehrwert.
    ZDFheute: Im November und Dezember wurden in Aserbaidschan mehrere Journalisten verhaftet, die zu Korruption innerhalb der Regierung recherchiert hatten. Wurden Sie wegen ihrer Recherchen inhaftiert?
    Hikmet Hajiyev: Die Institutionen, die behaupten, sie würden zu Korruption recherchieren, waren selbst in Korruption verwickelt. Bestimmte Medien erhielten 300.000 US-Dollar über illegale Geldwäschekanäle für ihre Operation in Aserbaidschan. Wir haben auch das legitime und gesetzliche Recht, Medienunternehmen nach ihrer Finanzierung zu fragen und diese Institutionen haben keine Transparenz geschaffen. Sie haben ihre illegalen Geldwäsche-Aktivitäten weitergeführt, mit illegalen Quellen von außerhalb Aserbaidschans.
    Das Interview führte Sebastian Ehm.

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    Exklusiv

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