Umweltschäden in der Ukraine: Krieg gegen die Umwelt
Umweltschäden in der Ukraine:Krieg gegen die Umwelt
von Laura Hohmann und Mark Hugo
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Der Krieg in der Ukraine zerstört nicht nur Menschenleben, sondern auch ihre Lebensräume. Die Folgen: verbrannte Wälder, kontaminierte Böden und vergiftetes Grundwasser.
Der Krieg in der Ukraine schockiert die Welt. Er zerstört nicht nur Menschenleben, sondern auch die Umwelt. Die Folgen: verbrannte Wälder, kontaminierte Böden und vergiftetes Grundwasser.19.02.2023 | 28:37 min
Nach mehr als einem Jahr Krieg in der Ukraine sind die Schäden im Land enorm. Nicht nur verursacht der Krieg unfassbares menschliches Leid, auch die Folgen für die Umwelt sind verheerend.
Explosion an Kachowka-Staudamm
Jüngstes Beispiel: Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms. "Der Schaden für die Umwelt ist massiv und schwer", sagt Svitlana Romanko von der ukrainische Umweltorganisation Razom We Stand mit Blick auf die verheerenden Überflutungen.
Bisher sind nach Regierungsangaben rund 150 Tonnen Motorenöl in den Fluss Dnipro gelaufen. Auch Tausende überflutete Landminen und Munitionsdepots dürften wegen der enthaltener Giftstoffe zum Problem werden.
Offenbar Schäden in Milliardenhöhe
Was bedeutet der Dammbruch und die Überschwemmungen für die Umwelt, die Stromversorgung, das nahegelegene AKW Saporischschja? 06.06.2023 | 1:47 min
Noch seien die Schäden für die Natur, für die landwirtschaftlichen Flächen und auch die Wasserversorgung in der Region gar nicht absehbar, sagt Svitlana Romanko. Aber: "Ich glaube, die Kosten sind gewaltig." Sie geht von vielen Milliarden Euro aus. "Dieses Umwelt-Kriegsverbrechen wird von den kommenden Generationen noch in vielen Jahren zu spüren sein."
Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine beobachtet auch die niederländische Friedensorganisation PAX die Auswirkungen des Krieges auf die Umwelt. Wim Zwijnenburg, Projektleiter für humanitäre Abrüstung bei PAX, sieht die Lage kritisch. "Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass in einem stark industrialisierten Land heftige Kämpfe stattfinden", erklärt er.
Gezielte Angriffe auf Infrastruktur
Im Visier der russischen Armee steht insbesondere die ukrainische Infrastruktur: Stromkraftwerke, Schwerindustriestandorte für Chemikalien und Ölraffinerien stehen unter anderem unter Beschuss. Durch die Angriffe können hochgiftige Stoffe in die Böden, ins Grundwasser und in die Luft gelangen.
Auch in Waffen und Munition sind Schwermetalle und energiereiche Materialien enthalten, die Boden und Wasser stark verschmutzen können.
Wim Zwijnenburg analysiert bereits seit mehreren Jahren Umweltschäden durch Kriege weltweit, unter anderem leitete er Projekte in Syrien und im Irak. Mit seinem Team verfolgt er nun die aktuelle Situation in der Ukraine durch Fernerkundungsanalysen: Mithilfe von hochauflösenden Satellitenbildern überprüfen sie Medienberichte über die Kampfhandlungen und stellen so mögliche Gefahren für die Umwelt fest.
Datensammlung dokumentiert Schäden
Besonders in ihrem Fokus liegen die vermehrt auftretenden Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur. Denn viele Kraftwerke lagern große Mengen gefährlicher und giftiger Stoffe wie Schweröl, die akute Risiken für die Umwelt darstellen können. Ein Beispiel ist das Kraftwerk Wuhlehirsk im Osten der Ukraine. Im Juni 2022 setzten zwei Raketeneinschläge das Kraftwerk in Brand.
Auf den Satellitenbildern erkennt Zwijnenburg, dass nicht nur Verwaltungsgebäude und Stromleitungen beschädigt wurden, sondern auch Lagertanks für Schweröl. Das Gebiet um das Kraftwerk sei jetzt mit Öl verseucht.
Der Ölaustritt um das Kraftwerk ist nur einer von vielen Vorfällen, den das Team von PAX in ihrer Datenbank gelistet hat. Die Datensammlung soll helfen, das Ausmaß der Schäden und ihre Folgen zu dokumentieren und Notfallmaßnahmen einzuleiten.
Der Umwelt-Experte warnt vor den Gefahren für die Ökosysteme und für die Menschen, die von ihnen abhängig sind. Denn wenn Wasser, Luft und Boden mit toxischen Stoffen verseucht seien, seien Krankheitsausbrüche und Epidemien unvermeidbar.
Umwelt als "stilles Opfer" von Konflikten
Um die Umweltschäden zu identifizieren, zu beobachten und zu bewerten, arbeitet die Friedensorganisation PAX zusammen mit ukrainischen und internationalen Organisationen. Und auch die ukrainische Regierung lässt die Folgen des Krieges für die Umwelt untersuchen.
Zwijnenburg sagt: "Bisher wurde die Umwelt im Allgemeinen als das stille Opfer von Konflikten bezeichnet. Und jetzt versuchen wir, der Umwelt mehr Gehör zu verschaffen.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.