Papst Franziskus: Biografin gibt private Einblicke in sein Leben

Interview

Biografin mit privatem Einblick:Prunkvolle Kleidung? Papst: "Bloß nicht!"

von Silvina Marquez und Anne-Kirstin Berger
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Die Journalistin Francesca Ambrogetti kannte Franziskus, lange bevor er Papst wurde. Sie verrät, warum er Gäste immer zur Tür führte und was er von Ritualen der Papstweihe hielt.

Francesca Ambrogetti und Jorge Bergoglio, der späteren Papst Franziskus, sitzen sich nebeneinander und unterhalten sich.
Die Biografen Francesca Ambrogetti (mitte) und Sergio Rubin (links) im Gespräch mit Jorge Bergoglio, dem späteren Papst Franziskus (rechts).
Quelle: Francesca Ambrogetti

Seit 2013 war Papst Franziskus das Oberhaupt der Katholischen Kirche, bis er am Ostermontag in Rom verstarb. Franziskus galt als Papst der Armen, als nahbarer als seine Vorgänger im Vatikan.
Francesca Ambrogetti hat den Papst mehrfach getroffen, schon bevor er zum Papst gewählt wurde. Gegenüber ZDFheute erzählt sie, wie sie den Argentinier erlebt hat.
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ZDFheute: Frau Ambrogetti , Sie haben lange Gespräche mit Jorge Bergoglio geführt, als er noch Erzbischof von Buenos Aires war, und auch nach seiner Papstweihe. Wie haben Sie ihn erlebt?
Francesca Ambrogetti: Er war freundlich, liebenswürdig, witzig. Es gibt da eine Anekdote: Immer, wenn wir, mein Kollege und ich, ihn besucht haben, begleitete er uns zum Abschied bis an die Tür und scherzte: "Ich mache das nicht aus Nettigkeit, ich will nur sicher sein, dass ihr wirklich weg seid." Als er schon Kardinal war, nahm er uns immer selbst den Mantel ab und hängte ihn an die Garderobe.

Diese zuvorkommende, aufmerksame Art hat ihn ausgemacht.

Francesca Ambrogetti, Journalistin und Papst-Biografin

Ich kann mich nicht erinnern, dass er bei den langen Gesprächen jemals auf die Uhr geschaut und Ungeduld gezeigt hätte. Er war immer gut gelaunt, daran änderte sich auch nichts, als er Kardinal und dann Papst wurde.
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ZDFheute: Bei seiner Papstweihe soll er sich geweigert haben, einige besonders prunkvolle Kleidungsstücke zu tragen. Es heißt, er habe darauf bestanden, die Schuhe vom Schuster seines Vertrauens in Buenos Aires zu tragen. War das so etwas wie eine kleine Revolution?
Ambrogetti: Ich würde sagen, das war absolut eine Revolution! Als ich ihn das erste Mal besucht habe, nachdem er zum Papst geweiht worden war, hat er mir erzählt, wie das war, als sie ihn für die Zeremonie kleideten. "Sie wollten mir eine weiße Hose anziehen", erzählte er, "und ich sagte, bitte nicht, damit sehe ich aus wie ein Eisverkäufer!"

Francesca Ambrogetti ist italienische Journalistin und Korrespondentin einer Nachrichtenagentur in Buenos Aires. 2010 und 2023 veröffentlichte sie als Co-Autorin Biografien über Jorge Bergoglio. Auch nachdem er Papst geworden war, traf sie Franziskus regelmäßig.

Dann wollten sie ihm ein Messgewand mit Stickereien anziehen, und er sagte, "Nein, nein, bloß nicht!". Die Schuhe wollte er auf keinen Fall anziehen. Er behielt seine orthopädischen Schuhe an. Das war alles ein Schock, diese Zeremonie, dass er Dinge ablehnte. Er hat sich als Papst immer schlicht gekleidet.
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ZDFheute: Trotzdem hat er viele enttäuscht, die tiefgreifende, dogmatische Reformen erwartet hatten. Warum?
Ambrogetti: Ich denke, die katholische Kirche wird nach Bergoglio nicht mehr die gleiche sein wie zuvor. Er hat die Kirche tiefgreifend verändert, in zwei Richtungen: Er ist zurück und gleichzeitig nach vorne gegangen. Zurück, indem er sich auf die Essenz der Botschaft des Evangeliums zurückbesonnen hat. Und nach vorne, indem er versucht hat, der Welt zuzuhören.

Bergoglio hat die Kirche näher an die Welt gerückt. Das Ergebnis sind nicht drastische Reformen, sondern ein langsamer, stetiger Prozess.

Francesca Ambrogetti, Journalistin und Papst-Biografin

Er hat die Haltung der Kirche verändert. Hin zu einer Kirche, die nicht die Hüterin der Moral ist, sondern offen, eine Kirche, die zuhört, die offener ist für den Dialog mit anderen Religionen, für den Dialog mit der profanen Welt. Das ist die Kirche, die er hinterlassen wollte.
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ZDFheute: Wie hat seine Herkunft aus Buenos Aires das Pontifikat geprägt?
Ambrogetti: Buenos Aires war seine Lebensschule, seine Glaubensschule. Am Anfang nannten viele ihn den "Papst vom Ende der Welt". Aber der Papst vom Ende der Welt, das war nicht Franziskus, sondern [Anm. d. Red.: sein Vorgänger] Benedict XVI. Er kam aus einem kleinen deutschen Dorf, aus einer kleinen katholischen Gemeinde.
Bergoglio dagegen kam aus einer Metropole voller Widersprüche, voller Armenviertel und er kannte sich in diesen Vierteln aus. Er wollte vor allem dort wirken. Er hat es sich, anders als andere Bischöfe von Buenos Aires, zur Aufgabe gemacht, sich in den Armenvierteln zu engagieren. Das hat seinen Blick geprägt, als er Papst wurde und darin unterscheidet er sich von anderen Päpsten.
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ZDFheute: Trotzdem ist er, nachdem er Papst geworden ist, nie nach Argentinien zurückgekehrt. Warum?
Ambrogetti: Er hat das, was ihm persönlich wichtig war, immer hintenangestellt. Er liebte sein Land und seine Stadt. Für ihn gab es nichts Wichtigeres, als nach Hause zurückzukehren, und er hat das bis zum Ende aufgeschoben. Bis es schließlich nicht mehr zu der Reise gekommen ist.
Silvina Marquez und Anne-Kirstin Berger arbeiten für das ZDF-Südamerikastudio in Rio de Janeiro.

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Quelle: dpa

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