Update am Morgen: Asylkompromiss zerreißt die Grünen

Ich möchte Ihnen heute gerne erzählen, wie wir die Entscheidung über den Asylkompromiss und die Verwerfungen, die der Kompromiss für die Grünen bedeutet, gestern auf der Lateinamerikareise der Außenministerin erlebt haben.

Es ist gegen 14:40 Uhr Ortszeit in Kolumbien, als die Einigung über eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) bekannt wird. Eigentlich geht es bei dem Besuch von Annalena Baerbock im kolumbianischen Cali um Feminismus, um Frieden, um Klimaschutz.

Eigentlich ist ihre Partei davon ausgegangen, dass eine Einigung nochmal verschoben wird. Klar ist: Für die Grünen ist diese Reform eine harte Prüfung. Sie fordern, dass Kinder und Familien von einem verschärften Grenzverfahren ausgenommen werden. Auf einer Pressekonferenz um 12 Uhr frage ich die Außenministerin, ob sie auf der Ausnahme für Familien und Kinder besteht oder einen Kompromiss für denkbar hält.

Ihre Antwort: "Die Innenministerin verhandelt für die deutsche Bundesregierung hart in Brüssel, weil der Status quo an der Außengrenze nicht haltbar ist. Und jetzt fern mit Zeitverschiebung kann ich weiteres dazu nicht sagen."

Knapp zweieinhalb Stunden später ist dann eine Einigung im über 8.000 Kilometer entfernten Brüssel da. Annalena Baerbock sagt jetzt: "Wir haben hart dafür gekämpft, Kinder und ihre Familien auszunehmen, leider ziemlich alleine. Gut ist, dass unbegleitete Minderjährige von Grenzverfahren ausgenommen sind. Nicht gut ist, dass es keine pauschalen Ausnahmen von Familien gibt."

Wie mühsam ihr Werben um Zustimmung in ihrer Partei nun werden wird, deutet sich an, als sie kurz darauf ihren nächsten Termin in Kolumbien absagt, ein Pannel zur feministischen Friedenspolitik und zum kolumbianischen Friedensprozess. Sie führe eine Reihe Videoschalten und werbe "mit Verve in Partei und Fraktion für die von der Bundesregierung mitgetragene GEAS-Einigung", heißt es. In diesem Moment in Kolumbien geht die Partei vor.

Und diese Partei ist zu Hause in Aufruhr. Der grüne Vizekanzler Robert Habeck stellt sich hinter den Kompromiss, genauso der grüne Parteichef Omid Nouripour. Die andere grüne Parteichefin Ricarda Lang aber ist gegen den Kompromiss - auch die grüne Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagt, Deutschland hätte nicht zustimmen sollen.

Am Abend schickt Annalena Baerbock aus Kolumbien auf dem Briefkopf des Auswärtigen Amtes einen langen Brief an die grünen Abgeordneten: "Wir standen vor einer Abwägung: ob wir mit unserem Nein den Status Quo erhalten - und damit die Situation für keinen einzigen Geflüchteten an unserer Außengrenze verbessern, oder ob wir mit der Zustimmung zu einem schmerzhaften Kompromiss jetzt für einige - Syrer, Afghanen, Iraker - echte Perspektiven schaffen." Regierungsverantwortung würde bedeuten, sich solchen Dilemmata zu stellen.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, können davon ausgehen, dass das, was Annalena Baerbock ein jahrelanges "erbittertes Ringen" nennt, für die Grünen nach dem Kompromiss in Brüssel noch lange nicht vorbei ist.

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