Antibiotika-Resistenz: Studie befürchtet Millionen Tote

    Antibiotika-Resistenz:Studie erwartet Millionen Tote bis 2050

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    Durch zu viel Antibiotika-Einsatz in der Medizin gibt es mehr Resistenzen. Einer Studie zufolge könnte das dazu führen, dass bis 2050 Millionen Menschen an Infektionen sterben.

    Eine Petrischale mit MRSA-Keimen
    Die Studie, die Millionen Datensätze zu Antibiotika ausgewertet hat, ergibt eine sehr unterschiedliche Entwicklung innnerhalb der einzelnen Altersgruppen.
    Quelle: dpa

    Bis zum Jahr 2050 könnten weltweit mehr als 39 Millionen Menschen an Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen sterben, bei weiteren 169 Millionen Todesfällen könnten solche Erreger zumindest eine Rolle spielen. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfassende Studie zu antimikrobiellen Wirkstoffen.
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    Studie wertet 520 Millionen Datensätze aus

    Eine entscheidende Ursache für die Zunahme von Resistenzen ist der übermäßige und unsachgemäße Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin. Jede Anwendung kann zur Vermehrung resistenter Bakterien führen, da diese dann einen Überlebensvorteil haben. Die künftige Entwicklung abschätzen zu können, sei entscheidend für lebensrettende gegensteuernde Maßnahmen, sagte Mohsen Naghavi von der University of Washington, einer der Erst-Autoren der Studie.
    Das Forschungsteam um Christopher Murray von der University of Washington in Seattle nutzte 520 Millionen Datensätze, um die Entwicklung der Antibiotikaresistenzen im Zeitraum von 1990 bis 2021 in einem Computermodell darzustellen. Auf dieser Basis entstand dann eine Prognose für die kommenden Jahre, die im Fachmagazin "The Lancet" vorgestellt wird.
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    Mit Antibiotika können auch Todesfälle vermieden werden

    Das Modell der Forscher zeigte auch eine mögliche positive Entwicklung: Durch eine bessere Behandlung schwerer Infektionen und einen verbesserten Zugang zu Antibiotika könnten 92 Millionen Todesfälle zwischen 2025 und 2050 vermieden werden.
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    Einnahme von Antibiotika beim Arzt hinterfragen

    Um der Entwicklung von weiteren Resistenzen vorzubeugen, sollte jeder mit seinem Arzt hinterfragen, ob die Einnahme eines Antibiotikums wirklich erforderlich sei, rät Medizinjournalist und Arzt Dr. Christoph Specht. Und auch die Frage, ob der Wirkstoff der passende gegen das Bakterium sei, müsse gestellt werden.

    Denn der unkritische Einsatz von Antibiotika spielt der Resistenz-Entwicklung in die Hände.

    Dr. Christoph Specht, Arzt und Medizinjournalist

    Über eine Million Menschen stirbt jährlich durch Resistenzen

    Wie groß das Problem mit Resistenzen ist, lässt sich nicht so einfach ermitteln: Wenn beispielsweise bei der Behandlung einer Krebserkrankung Komplikationen durch multiresistente Keime auftreten, wird die Todesursache eines Patienten dennoch in der Regel dem Krebs zugeschrieben. Die Studienautoren nutzten Krankenhaus-Entlassungsdaten, Daten zu Todesursachen, Resistenzprofile einzelner Arzneimittel, Umfragen zum Antibiotikagebrauch und zahlreiche andere Quellen, um das Ausmaß der Resistenzen zu erfassen und das weltweite Modell zu entwickeln.
    Von 1990 bis 2021 sind demnach jedes Jahr weltweit mehr als eine Million Menschen aufgrund antimikrobieller Resistenzen gestorben. Die Gesamtzahl stieg leicht, von 1,06 Millionen im Jahr 1990 auf 1,14 Millionen im Jahr 2021. Berücksichtigt man das Bevölkerungswachstum, sank die Todesrate pro 100.000 Menschen von 19,8 (1990) auf 14,5 (2021).
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    Entwicklung je nach Alter sehr unterschiedlich

    Allerdings ist die Entwicklung nach Altersgruppen sehr unterschiedlich: Während die Anzahl der resistenzbedingten Sterbefälle bei Kindern unter fünf Jahren um 50 Prozent gesenkt werden konnte, ist die Anzahl bei Menschen im Alter von 70 oder mehr Jahren um 80 Prozent gestiegen.
    Den Anstieg der Fälle bei älteren Menschen führen die Forscher auf eine oft geringere Wirksamkeit oder Unverträglichkeit von Impfstoffen und Arzneimitteln bei Älteren sowie mehr Grunderkrankungen zurück. Weil die Bevölkerungsgruppe der über 64-Jährigen in den kommenden Jahren am stärksten wachsen wird, könnten sich auch die resistenzbedingten Todesfälle dem Modell zufolge bis 2050 insgesamt erhöhen: von 1,14 Millionen (2021) auf 1,91 Millionen (2050) pro Jahr. Die Zahl der Todesfälle, bei denen multiresistente Keime eine Rolle spielen, könnte der Modellrechnung zufolge von 4,71 Millionen auf 8,22 Millionen steigen.

    Mehr resistenzbedingte Todesfälle vor allem in Südasien und Lateinamerika erwartet

    Die Antibiotika-Krise betrifft nicht nur Staaten mit einem niedrigen oder mittleren Durchschnittseinkommen. So gehörten die USA und Kanada zu den fünf Weltregionen, in denen die resistenzbedingten Todesfälle zwischen 1990 und 2021 am stärksten gestiegen sind. Die weiteren Regionen sind das tropische Lateinamerika, Westafrika sowie Südasien und Südostasien. Bis 2050 werden die höchsten Steigerungsraten in Südasien (darunter Indien), Lateinamerika und Karibik erwartet.

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    Quelle: ZDF

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    Quelle: dpa, ZDF

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