Ungleichheit: Sind Superreiche eine Gefahr für Demokratie?

    Interview

    Einfluss von Superreichen wächst:Ungleichheit gefährdet "unsere Demokratie"

    |

    Den Mechanismen der Finanzmärkte verdankten Unternehmer wie Gates und Bezos ihre Milliarden. Finanzjournalistin Heike Buchter sieht darin eine Gefahr für die Demokratie.

    Luxus-Yachten in Monaco
    Superreiche leben gern luxuriös. Einige nutzen ihren Reichtum aber auch für Einfluss. Sehen Sie hier die Doku "Die geheime Welt der Superreichen".12.12.2023 | 43:28 min
    ZDFheute: Ist ein Millionär ein reicher Mensch?
    Heike Buchter: (lacht) Mit einer Million werden sie überhaupt nicht ernst genommen. In den USA fängt Reichtum bei mehreren hundert Millionen Dollar langsam an. Denn erst dann können sie die Infrastruktur aufbauen, die sie brauchen, um noch reicher zu werden. Dazu brauchen sie vor allem ihre eigene private Investmentbank.
    Es gibt eine ganze Industrie, die weitgehend im Verborgenen blüht. Um etwa an exklusive Investitionsgelegenheiten zu kommen, müssen sie zu bestimmten Kreisen gehören - die Eintrittskarte ist ein entsprechendes Vermögen.

    Heike Buchter im Porträt
    Quelle: New York German Press

    Heike Buchter ist Finanzjournalistin und berichtet seit 2001 von der Wall Street, seit 2008 ist sie Wirtschaftskorrespondentin für "Die Zeit". Zuletzt erschien ihr Buch "Wer wird Milliardär? Vom großen globalen Abkassieren“ 

    ZDFheute: Reichtum ist ja nichts Neues. Und trotzdem schreiben Sie, er ist heute anders. In welcher Weise?
    Buchter: Wie man reich wird, hat sich fundamental geändert.

    Bill Gates oder Jeff Bezos, die zu den reichsten Menschen der Welt gehören, verdanken ihre Milliarden schon längst nicht mehr ihrem unternehmerischen Einfallsreichtum, sondern den Mechanismen der Finanzmärkte.

    Aus viel Geld wird immer mehr Geld, Ungleichheit ist die Folge. Denn Arbeitnehmer profitieren immer weniger von technischem Fortschritt oder der Gründung neuer Unternehmen. Stattdessen sind sie allzu oft die Verlierer, wenn Innovationen die Automatisierung und den Verlust von Arbeitsplätzen vorantreiben, während die Gründer in die Vermögens-Stratosphäre abheben. Das gefährdet nicht nur unseren westlichen Lebensstandard, sondern auch unsere Demokratie.

    Schlüsselqualitäten für Gründer
    :Steckt ein Selbstständiger in mir?

    Nicht mal ein Prozent der Erwerbspersonen in Deutschland wagt jedes Jahr den Schritt in die Selbständigkeit. Welche Faktoren helfen können, damit die eigene Firma erfolgreich wird.
    von Klaus Weber
    Junge Geschäftsleute schreiben auf Haftnotizen im Büro
    mit Video
    ZDFheute: In diesem Zusammenhang kritisieren Sie auch die "Spendenbereitschaft" der Superreichen. Was ist daran so problematisch?
    Buchter: Wenn es sich hier um Armenspeisung handeln würde, wäre es ja noch ok. Aber was befähigt Bill Gates etwa dazu, das Covid-Bekämpfungsprogramm der Welt zu managen? Er hat mit seinem Einfluss auf Biegen und Brechen die Patentfreigabe von Covid-Impfungen verhindert. Außerdem ist er nicht der einzige Tech-Unternehmer, der ein neues Atomzeitalter vorantreiben will. Viele agieren nach dem Motto: Ich bin reich, also weiß ich, was die Welt braucht.

    Sie nutzen ihre Spenden, um den Kapitalismus zu legitimieren und seine Spielregeln immer weiter in alle Bereiche unseres Lebens auszudehnen.

    Montage: Porträts von Elon Musk, Jeff Bezos und Kim Kardashian, im Hintergrund die Skyline von New York mit der Freiheitsstatue, links eine in Streifen angedeutete amerikanische Flagge.
    Elon Musk, Jeff Bezos, Kim Kardashian - hinter diesen Namen stecken Erfolgsgeschichten. Die Superreichen in den USA verändern mit ihren Innovationen die moderne Welt.01.11.2022 | 51:29 min
    Weitere Artikel über die ZDF-Doku "Die geheime Welt der Superreichen":
    ZDFheute: Mit Blick auf Deutschland nennen Sie das hohe Maß an Ungleichheit, auf das in internationalen Untersuchungen immer wieder hingewiesen werde. Warum sehen Sie dafür ausgerechnet die Familienunternehmen in der Verantwortung?
    Buchter: Deutschland ist zwar der große Gewinner der Globalisierung, aber die Wohlstandszuwächse sind an den meisten Menschen vorbeigegangen. Das hängt auch mit den Eigentümerstrukturen vieler mittelständischer Unternehmen zusammen, die oft über mehrere Generationen hinweg in der Hand von nur einer Familie sind, und denen fließen die Gewinne zu. Selbst wenn diese Unternehmen börsennotiert sind, halten die Familien häufig die Stimmenmehrheit. Zudem ist ihr Lobbyeinfluss hoch. Allein an der geringen Erbschaftssteuer in Deutschland sieht man, wie gut sie von staatlicher Seite behandelt werden.
    Sklaven, Erdöl, Geld
    Wer reich ist und was reich macht, verändert sich im Lauf der Geschichte. Von den ersten Ackerbauern bis zu den heutigen Aktienmilliardären – hier kommen fünf Dinge, die richtig reich machen.04.07.2021 | 16:23 min
    ZDFheute: Aber diese mittelständischen Unternehmen machen die Vielfalt und Stabilität der deutschen Unternehmenslandschaft aus, auf die andere Länder mit Bewunderung schauen.
    Buchter: Vieles von dem, was familiengeführte Unternehmen für sich in Anspruch nehmen wie etwa hohe Innovationskraft oder Mitarbeitertreue, lässt sich wissenschaftlich nicht nachweisen. Auch große Konzerne haben in der Pandemie ihre Mitarbeiter nicht entlassen.
    Fotocollage: Ein Männer- und ein Frauenkopf getrennt durch einen Papieriss, links auf einer Wand das Graffiti eines Eurozeichens.
    Wie tief ist Deutschland gespalten in Arm und Reich? Reporter Ben Bode trifft einen Millionär und eine Sozialarbeiterin.17.09.2023 | 27:12 min
    Deutschland ist inzwischen wirtschaftlich ein wenig dynamisches Land geworden, weshalb ich es für ratsam halte, bei der Suche nach Ursachen auch Mal auf die Rolle der Familienunternehmen zu schauen. Warum haben wir in Deutschland so wenig Unternehmensgründungen? Weil das Kapital zu stark gebunden ist in den Händen weniger. Und wenn mal Start-ups hervorkommen, stehen als Geldgeber oft die reichen Erben von Familienunternehmen dahinter. Damit halten sie die Hand auch auf die Unternehmen von morgen.

    Reiche unterschätzen Reichtum
    :Experte: Wahrnehmung von Einkommen "verzerrt"

    Gehören Sie zur Mittelschicht? Viele Deutsche beantworten das mit "Ja" - sogar mehr, als tatsächlich dazugehören. Politologe Busemeyer erklärt Gründe und Folgen der "Verzerrung".
    Eine Person hält 12 Euro in der Hand.
    Interview
    Das Interview führte Eva Schmidt.

    Mehr zur Doku von ZDFzeit zu Superreichen

    Mehr zum Thema Reichtum und Finanzen