Debatte um Strompreis:Länder warnen Ampel: Millionen Jobs in Gefahr
von Kristina Hofmann
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Sieben Bundesländer sind alarmiert: Ohne Hilfen seien Arbeitsplätze der Chemie- und Pharmaindustrie gefährdet. Ein Brückenstrompreis reiche nicht. Doch Dissens in der Ampel bleibt.
Das Wort Industriestrompreis kommt ihm nicht über die Lippen. Bundeskanzler Olaf Scholz wird am Mittwoch nach der Kabinettsklausur in Meseberg zwar direkt danach gefragt, spricht aber lieber über die Maßnahmen seiner Regierung, die Strom- und Gasversorgung aufrecht zu erhalten. Und die Bemühungen, die Erneuerbaren Energien auszubauen. "Die Preise fallen", sagt er.
Außerdem sei es doch schön, dass sich so viele Gedanken über die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie machten:
Dabei werden die Forderungen nach einem Brückenstrompreis immer massiver. Nicht nur die Grünen und Scholz‘ eigene SPD-Fraktion wollen für einige Jahre einen vom Staat subventionierten Strompreis für große Unternehmen, um ein Abwandern ins Ausland oder eine Pleitewelle zu verhindern. Jetzt haben Bundesländer mit großen Standorten der Chemie- und Pharmaindustrie an die Bundesregierung appelliert, zu handeln und einen "international wettbewerbsfähigen Strompreis zu gewährleisten".
Allianz: Millionen Arbeitsplätze in Gefahr
Die Parteifarbe ist dabei nahezu unerheblich: Mit Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben sich fünf Unions- und zwei SPD-geführte Länder in einer Allianz zusammengeschlossen. In einem Beschluss, über den das "Handelsblatt" zuerst berichtete, warnen sie:
Konkret befürchten sie die Abwanderung energieintensiver Industrien in den Bereichen Chemie, Pharma, Glas, Metall und Papier. Insgesamt seien nach ihren Angaben direkt und indirekt 2,4 Millionen Arbeitsplätze in Gefahr, warnt die Allianz. Sie fordern einen "zeitlich befristeten Brückenstrompreis", so lange der Strompreis im internationalen Vergleich höher ist.
Aber nicht nur: Sie wollen auch
eine Senkung der Stromsteuer
die Begrenzung von Umlagen und Entgelten
den beschleunigten Ausbau des Stromangebots.
Unterstützung für diese Forderung kam am Mittwoch aus dem Saarland. Zwar gibt es dort wenig Chemie- und Pharmaindustrie, dafür aber energieintensive Stahlindustrie. Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) warnte vor einer schleichenden Deindustrialisierung und sagte: "Wir dürfen uns nicht allzu viel Zeit lassen."
Nur "Einzelmeinungen": Dissens in Ampel ungelöst
Von der Bundesregierung kam dazu heute keine grundsätzliche Entscheidung. Zumindest in der Pressekonferenz von Kanzler Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) waren alle bemüht, in den Dissens nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen. Habeck, der für den Industriestrompreis ist, sagte nur, dass er mit der Europäischen Union in ständigem Gespräch darüber sei.
Und Lindner hatte bereits am Vortag in der ARD seine Position noch einmal deutlich gemacht: "Wir müssen andere, bessere Wege finden, um die Energiepreise zu reduzieren." Ein Subventionierung des Strompreises sei eine "Wettbewerbsverzerrung zwischen den großen und kleinen Unternehmen". Die Reduzierung der Stromsteuer könne eine sein, "wenn es Geld gibt", so Finanzminister Lindner.
Im übrigen sei der Industriestrom nur eine "Einzelmeinung" von den "unabhängigen Persönlichkeiten" in der Regierung. Konsens sei dagegen, dass der Strompreis runter müsse.
Chemieindustrie enttäuscht
Die Chemieindustrie zeigte sich von den Meseberger Beschlüssen enttäuscht: "Deutschlands Industrie sendet SOS, aber die Bundesregierung ignoriert weiter die akute Notlage", so Markus Steilemann, Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie.
Die Energiekosten seien zu hoch. "Da hilft auch keine Investitionsförderung mit einem Wachstumschancengesetz."