Start-ups: Immer weniger Menschen gründen Unternehmen

    Experten warnen vor Folgen:Immer weniger Menschen gründen Unternehmen

    von Anja Utfeld
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    Die Zahl der Gründungen in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich gesunken. Experten warnen vor den Folgen für Wirtschaft und Wohlstand.

    Grafik: Mann surft auf Welle im Hintergrund ein W
    Preisträger, Nominierte des Deutschen Gründerpreises und ihre Geschäftsmodelle12.09.2023 | 28:26 min
    Deutschland ist kein Gründerland. Ob Start-up oder Handwerksbetrieb - Existenzgründungen bringen Innovationen hervor und schaffen Arbeitsplätze. Doch die Zahl der Gründungen in Deutschland ist allein 2022 laut KfW-Gründungsmonitor um 57.000 auf rund 550.000 zurückgegangen.
    Eine Entwicklung, die Wirtschaftsexperten wie Christine Volkmann vom Unesco-Lehrstuhl für Entrepreneurship und Interkulturelles Management Sorgen bereitet:

    Wenn wir weniger Gründungen in Deutschland haben, dann haben wir weniger soziale und technologische Innovationen. Es entstehen keine neuen Arbeitsplätze.

    Prof. Christine Volkmann, Wirtschaftswissenschaftlerin

    Weiter erklärt Volkmann: "Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig im internationalen Vergleich. Denken sie an China und die USA. Letztendlich droht uns allen dann ein Wohlstandsverlust."

    Darum gab es zuletzt weniger Gründungen

    Grund für den Rückgang des Gründungsgeschehens im Jahr 2022 ist nicht nur das schwierige konjunkturelle Umfeld. Auch der Fachkräftemangel spielt eine Rolle.
    Im zweiten Quartal 2023 gab es laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bundesweit 1,74 Millionen offene Stellen. Gemessen an der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung sei die Personalnachfrage bei den Betrieben weiterhin robust.
    Jobs gibt es also genug und die Festanstellung ist beliebt: "Für viele Menschen ist es attraktiver, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen, statt ein Unternehmen zu gründen. Sie haben ein sicheres Einkommen, sie haben regelmäßige Arbeitszeiten. Und bei einer Unternehmensgründung gehen sie natürlich auch ein hohes persönliches Risiko ein", erklärt Christine Volkmann.
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    Das schreckt vor Gründungen ab

    Ein hohes persönliches Risiko gehen Gründer und Gründerinnen vor allem auch ein, weil sie oft mit ihrem privaten Geld gründen. Gründen sei in Deutschland zudem zu aufwendig, kritisiert Volkmann: "Eine wesentliche Barriere ist die Gründungsbürokratie. Wir müssen dringend schneller und digitaler werden und die Bürokratie abbauen. Beispiele im internationalen Vergleich, etwa Dänemark zeigen, dass Gründen auch innerhalb eines Tages geht."
    Auch nach der Gründung bleibt die Bürokratie eine Belastung für Selbstständige, kritisiert Matthias Henze, Mitherausgeber des Jimdo-ifo-Geschäftsklimaindex, der seit August 2021 monatlich die Stimmung unter Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmen abbildet.
    "Das erste ist, es frisst unglaublich viel Zeit, die dann nicht auf das eigentliche Business verwandt werden kann. Und das zweite ist, dass es unsicher macht. Denn wir wissen nie, ob wir tatsächlich alle Regeln auf dem Schirm haben. Besonders betroffen davon sind die Selbstständigen und die Kleinstunternehmen", erklärt Matthias Henze.

    Deutsche Wirtschaft: Bedeutung Solo-Selbstständiger ist groß

    Dabei spielen Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige durchaus eine wichtige Rolle in der deutschen Wirtschaft. 2,6 Millionen Kleinstunternehmen gab es 2021 in Deutschland und sie haben mehr als sieben Millionen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. 3,8 Prozent aller Erwerbstätigen waren 2022 Solo-Selbstständige.
    Für Henze selbst ist das Unternehmertum aber trotz aller Herausforderungen auch eine persönliche Bereicherung. Er hat das Unternehmen Jimdo mitgegründet, das heute mehr als 200 Beschäftigte hat.

    Expertin Volkmann: "Gründergeist wecken"

    Gründungen sind der Motor unserer Volkswirtschaft, sagt Christine Volkmann. Doch damit in Deutschland wieder mehr Menschen gründen, reiche es nicht aus, nur die Rahmenbedingungen zu verbessern: "Wir müssen den Gründergeist wecken. Dazu am besten frühzeitig beginnen. Wir müssen in die Schulen gehen."
    Aktuell sind es aber vor allem private Initiativen, die entsprechende Programme in Schulen anbieten.

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