Wegen Mindestlohn und Tarifen:Niedriglohnquote halbiert - doch reicht das?
von Dennis Berger
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Millionen Menschen in Deutschland verdienen heute mehr als vor zehn Jahren. Besonders im Osten sank die Niedriglohnquote drastisch. Doch Experten sehen Nachholbedarf.
Immer weniger Menschen in Deutschland arbeiten für einen Niedriglohn. Besonders stark ist der Rückgang im Osten. (Symbolbild)
Quelle: dpa
Die Zahl der Niedriglohnjobs in Deutschland hat sich zwischen 2014 und 2024 um 1,3 Millionen verringert. Das Statistische Bundesamt berichtet, dass zuletzt noch 6,3 Millionen Beschäftigte mit weniger als 13,79 Euro brutto pro Stunde auskommen mussten - das sind knapp 16 Prozent aller Jobs.
Auffällig: Im Osten halbierte sich der Anteil der Niedriglohnjobs fast - von 35 auf 18 Prozent. Im Westen war der Rückgang geringer.
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Mindestlohn als Gamechanger
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 war laut Experten entscheidend für das Schrumpfen des Niedriglohnsektors. Vorher lag der Anteil der Niedriglohnjobs bei 21 Prozent. Mit dem Mindestlohn von damals 10,00 Euro brutto pro Stunde begann eine schrittweise Verbesserung. Besonders stark wirkte der Effekt 2022, als der Mindestlohn auf 12,00 Euro stieg.
Studien des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen zeigen, dass der Mindestlohn sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland den Niedriglohnsektor verkleinerte. Doch seit 2023 stagniert die Entwicklung.
Die nachfolgenden Erhöhungen des Mindestlohns waren sehr gering und dürften keine deutliche Wirkung auf den Niedriglohnsektor haben.
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Dr. Thorsten Kalina, Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen
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Deutlicher Rückgang im Osten
Warum hat sich die Niedriglohnquote in Ostdeutschland fast halbiert? "Eine zentrale Erklärung für den Rückgang des Niedriglohnrisikos in Deutschland sehe ich in der Annäherung der Ostlöhne an das Westniveau", so Arbeitsforscher Kalina. Es bestehen aber immer noch große Unterschiede, wodurch das Niedriglohnrisiko in Ostdeutschland höher bleibt als im Westen.
Dafür gibt es Gründe: In Ostdeutschland arbeiten mehr Beschäftigte in Bereichen mit hohem Niedriglohnrisiko wie Landwirtschaft, Baugewerbe und Handel. Im Westen gibt es mehr Großunternehmen, die oft bessere Löhne zahlen, während im Osten der Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen höher ist.
Knapp 40 Prozent der deutschen Bevölkerung sind laut einer neuen Studie mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden. Im Osten der Republik ist es sogar jeder Zweite.
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Tarifbindung stärken
Trotz Fortschritten bleibt Deutschland im internationalen Vergleich zurück. Im Gegensatz zu nordischen Ländern oder Frankreich ist der Niedriglohnsektor hierzulande noch groß. "Um den großen Niedriglohnsektor in Deutschland zu verkleinern, reicht der gesetzliche Mindestlohn nicht aus. Neben dem Mindestlohn muss auch die Tarifbindung erhöht werden", sagt Kalina. In großen Niedriglohnbranchen wie Einzelhandel, Gastronomie oder Gastgewerbe fehlen allgemein gültige Tarifverträge, sodass oft schlechtere Löhne gezahlt werden.
Starke Gewerkschaften könnten helfen. Aktuelle Zahlen des IAQ zeigen: Die niedrigsten Branchenmindestlöhne 2025 liegen bei 13 Euro für Ungelernte im Maler- und Lackiererhandwerk oder bei 13,95 Euro für Gerüstbauer. Der höchste Branchenmindestlohn liegt bei 20,86 Euro in der Entgeltgruppe 2 der beruflichen Weiterbildung.
Gewerkschaften können demnach deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegende Mindestlöhne durchsetzen.
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Dr. Thorsten Kalina, Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen
Ende Januar starteten die Verhandlungen für 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Verdi fordert 8 Prozent mehr Lohn und zusätzliche freie Tage.24.01.2025 | 1:35 min
Raus aus dem Niedriglohn?
Was bedeutet das für die sogenannten Niedriglöhner? Ein Ausweg aus dem Niedriglohnsektor ist Bildung. Gesetzliche Mindestlöhne könnten Anreize für Arbeitgeber schaffen, in die Weiterbildung der Beschäftigten zu investieren.
Generell sind die Chancen, aus einem Niedriglohnjob aufzusteigen, aber eher gering. Jüngeren gelinge dies häufiger als Älteren oder Geringqualifizierten, sagt Arbeitsforscher Kalina.
Dennis Berger arbeitet im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
Quelle: dpa
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