Herbstgutachten: Institute erwarten Rezession

    Deutschland hinkt hinterher:"Erholung aufgeschoben, aber nicht aufgehoben"

    von Anne Sophie Feil
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    Wirtschaftsinstitute erwarten, dass die deutsche Konjunktur 2024 wieder schrumpft. Andere EU-Länder wie Spanien sind widerstandsfähiger und flexibler. Was läuft dort besser?

    Vorstellung der Wirtschaftsdiagnose Herbst 2024
    Deutsche Wirtschaftsinstitute prognostizieren für das Jahr 2024 einen leichten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Erst ab 2025 könne wieder mit einem Zuwachs gerechnet werden.26.09.2024 | 2:23 min
    In ihrem Herbstgutachten malen die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute ein düsteres Bild. 2024 soll das zweite Rezessionsjahr in Folge werden. Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) beschreibt, die Stimmung in vielen Unternehmen sei "dramatisch schlecht" und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland seien unattraktiv.
    Eine besondere Herausforderung für die deutsche Konjunktur sehen die Wirtschaftsforscher im Strukturwandel der industrielastigen deutschen Wirtschaft. Ökonomen und Wirtschaftsverbände fordern deshalb Impulse aus der Regierung. Insbesondere die Planungsunsicherheit sei ein Problem für Unternehmen und Verbraucher.

    Die Wirtschaftspolitik ist bislang eher Teil des Problems als Teil der Lösung.

    Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute

    Erfolgsmodell Spanien

    Während die deutsche Wirtschaft mit strukturellen Problemen, wie der hohen Abhängigkeit von energieintensiven Industrien und schwachen Exporten kämpft, scheinen andere Länder der Eurozone den globalen Krisen besser zu trotzen.
    SGS Neuhann + Slomka
    "Unsere Kernindustrien stecken in einer großen Transformation", so ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann. Es sei eine "strukturelle Krise", welche morgen nicht vorbei sei.26.09.2024 | 2:47 min
    Besonders Spanien zeigt, wie eine widerstandsfähige und flexible Wirtschaft aussehen kann. In der ersten Jahreshälfte 2024 verbuchte Spanien ein branchenübergreifend robustes Wirtschaftswachstum. Während Deutschland in der Riege der leistungsstarken Volkswirtschaften Schlusslicht beim Wachstum ist, erwartet die OECD für Spanien ein Wirtschaftsplus von 2,8 Prozent - das stärkste Wachstum Europas.

    Mehr Branchendiversifizierung und sinnvolle Investitionen

    Ein wesentlicher Unterschied zwischen Spanien und Deutschland liegt im geringen Anteil energieintensiver Industrien. Stattdessen tragen die boomende Tourismusbranche und ein starker Dienstleistungssektor maßgeblich zum Aufschwung bei. Und trotz hoher Lebenshaltungskosten und Inflation bleibt auch der private Konsum in Spanien stabil. Auch in die Bauindustrie wird viel investiert.
    Die Regierung investiert viel in langfristige und nachhaltige Projekte. Spanien erhält dabei knapp 70 Milliarden Euro aus dem Aufbau- und Resilienzplan der EU. Das Geld soll dazu verwendet werden, Spanien nachhaltiger, moderner und digitaler zu machen. Das Land setzt außerdem stark auf Elektromobilität und Erneuerbare Energien. Auch seine Bahninfrastruktur modernisiert Spanien in großem Stil. All das setzt wirtschaftliche Impulse, die Deutschland auch gut gebrauchen könnte.
    BDI-Chef Siegfried Russwurm im Berlin-direkt-Interview
    BDI-Präsident Russwurm fordert einen anderen Umgang mit dem Thema Industriepolitik. Einer Studie zufolge sei ein Fünftel der deutschen Industrie "akut gefährdet", sagt er im ZDF.15.09.2024 | 4:44 min

    "Gute Gründe, dass die deutsche Wirtschaft an Fahrt gewinnt"

    Obwohl die konjunkturelle Lage für 2024 düster eingeschätzt wird, gibt es aber auch für Deutschland Hoffnung. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), sieht die wirtschaftliche Erholung in Deutschland nicht aufgehoben, sondern lediglich aufgeschoben.

    Die Stimmung ist nach wie vor deutlich schlechter als die wirtschaftliche Realität.

    Marcel Fratzscher, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin

    Der Experte sieht jedoch auch "gute Gründe, dass die deutsche Wirtschaft 2025 und 2026 deutlich an Fahrt gewinnen wird". Er setzt vor allem auf die Erholung des privaten Konsums. Die Inflation sei deutlich gefallen und Lohnerhöhungen seien in Verhandlung. Steigen die Reallöhne, wächst auch die Kaufkraft der Verbraucher und kurbelt die Wirtschaft an. Zudem sorgen weiter sinkende Zinsen dafür, dass Unternehmen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten wieder mehr investieren dürften.
    Bayern, Augsburg: Das Logo von Weltbild ist am Hauptsitz des Versandhändlers zu sehen
    Die Dauerflaute der deutschen Wirtschaft stellt viele Firmen vor existenzbedrohende Herausforderungen. Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist deutlich gestiegen. 19.08.2024 | 1:32 min
    Doch um langfristig wieder wettbewerbsfähig zu werden, benötigt Deutschland tiefgreifende Reformen. Die Bürokratie sei zu kleinteilig, merken DIHK und Bund Deutscher Industrie (BDI) an. Und es brauche mehr Anreize für technologische Innovation und eine investitionsfreundliche Unternehmenssteuerreform.
    Wenn Politik und Wirtschaft die notwendigen Weichen rechtzeitig stellen, kann die deutsche Wirtschaft also bald wieder auf die Erfolgsspur zurückkehren.

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    Quelle: ZDF

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