Wachstumsprognose: Katzenjammer in der Wirtschaft

    Ifo-Institut senkt Prognose:Katzenjammer in der Wirtschaft und kein Ende

    Sina Mainitz
    von Sina Mainitz
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    Die deutsche Wirtschaft steckt fest. Führende Institute senken ihre Wachstumsprognosen. Wo liegen die Probleme und was macht Hoffnung?

    Baden-Württemberg, Waldenburg: Ein Arbeiter fertigt einen explosionsgeschützen Schaltkasten in einer Produktionshalle des Unternehmens Stahl
    Bei der deutschen Wirtschaft läuft es nicht rund: Wirtschaftsinstitute erwarten Stagnation.
    Quelle: dpa

    Es sind mal wieder ernüchternde Nachrichten, die heute vom Münchner ifo-Institut und anderen Wirtschaftsinstituten kommen. Wegen schwacher Investitionen und schlechter Auftragslage senken sie erneut ihre Konjunkturprognosen für die deutsche Wirtschaft.
    Der kranke Patient deutsche Wirtschaft will nicht genesen. Timo Wollmershäuser von ifo-Institut erklärt:

    Die deutsche Wirtschaft steckt fest, und sie dümpelt in einer Flaute, während andere Länder den Aufwind spüren.

    Timo Wollmershäuser, ifo-Institut

    Dabei wurden ein Wachstumschancengesetz verabschiedet und Rekordinvestitionen für eine "Wirtschaftswende" beschlossen.
    Prof. Jörg Rocholl
    Es werde "erwartet", dass die Stagnation mit "Ausreißern nach oben und nach unten auch nochmal weitergehen wird", analysiert Prof. Jörg Rocholl, Wirtschaftswissenschaftler.05.09.2024 | 4:33 min

    Wirtschaft: Gründe fürs stockende Wachstum

    Warum stagniert die Wirtschaft trotzdem? Für Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld, der unter anderem auch Finanzminister Christian Lindner berät, steht fest: "Wir haben in Deutschland eine Überlagerung der Konjunktur durch strukturelle Probleme. Wir haben hohe Arbeitskosten, Energiekosten, Regulierungskosten und hohe Steuern", sagt er im Gespräch mit ZDFheute.

    Deshalb investieren viele nicht mehr in Deutschland. Die Regeln sind zu kompliziert.

    Lars Feld, Wirtschaftswissenschaftler

    Stagnation statt Wachstum. Die deutsche Stärke ist nun seit Jahren auch deren Schwäche: Die Energiekrise trifft einen Industriestandort wie Deutschland härter als viele andere Länder. Hierzulande gibt es Sondereffekte, die die größte Volkswirtschaft Europas stärker treffen als beispielsweise Spanien.
    Autofertigung
    Rente, Steuern, E-Autos - die Ampel-Koalition beschließt eine umfangreiche Wachstumsinitiative mit 49 Maßnahmen.05.09.2024 | 2:27 min

    Wirtschaftsinstitute sehen BIP-Stagnation

    Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands dürfte dieses Jahr auf dem Niveau von 2023 verharren. So sieht es das Münchner Ifo-Institut. Im Juni war es noch von einem Wachstum von 0,4 Prozent ausgegangen.
    Auch das IWH in Halle rechnet nur noch mit Stagnation, während das Essener RWI zumindest ein Mini-Plus von 0,1 Prozent erwartet. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hatte schon gestern seine Vorhersage gekappt und geht sogar davon aus, dass das BIP um 0,1 Prozent schrumpfen wird.
    "Aus der konjunkturellen Erholung wird vorerst nichts. Die deutsche Wirtschaft setzt ihren Ritt auf der Rasierklinge zwischen Rezession und minimalen Wachstum fort. Der schwache Welthandel ist eine schwerwiegende Belastung für die exportabhängige deutsche Industrie", meint Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Für Ulrich Kater, Chefökonom der Dekabank, steht fest:

    Die Hoffnungen auf einen Aufschwung bleiben zwar erhalten, verschieben sich aber immer mehr in Richtung des kommendes Jahres. Hoffnungsträger sind vor allem die weiter steigenden Einkommen der Verbraucher in den kommenden Monaten.

    Ulrich Kater, Chefökonom Dekabank

    Ein Grund für die maue Prognose sind die oft beklagten Investitionsbedingungen. Der Wille ist bei vielen da, an der Umsetzung der Innovation hapert es dann meistens. Für das ifo-Institut steht fest:

    Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel, Corona-Pandemie, Energiepreisschock und eine veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft setzen etablierte Geschäftsmodelle unter Druck und zwingen Unternehmen, ihre Produktionsstrukturen anzupassen.

    Timo Wollmershäuser, ifo-Institut

    Bayern, Augsburg: Das Logo von Weltbild ist am Hauptsitz des Versandhändlers zu sehen
    Die Dauerflaute der deutschen Wirtschaft stellt viele Firmen vor existenzbedrohende Herausforderungen. Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist deutlich gestiegen. 19.08.2024 | 1:32 min

    Lichtblick: Großaufträge für Industrie

    Einen Lichtblick gibt es aber auch: Die deutsche Industrie hat dank Großaufträgen einen überraschenden Start in die zweite Jahreshälfte hingelegt. Die Bestellungen wuchsen im Juli um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat und damit bereits das zweite Mal in Folge, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte.
    Ein Tropfen auf den heißen Stein oder wirklich der Durchbruch? Ökonomen sind sich da einig: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Es bleibt die Frage: Wie kann das Ruder nach jahrelangem Katzenjammer endlich wieder herumgerissen werden?
    "Es gibt diverse Punkte, an denen wir nachbessern müssen. Wir haben einen zu stark regulierten Arbeitsmarkt mit hohen Lohnzusatzkosten" erklärt Wirtschaftswissenschaftler Feld. "Aber auch beim Bau- und Umweltrecht muss nachgebessert werden - und beim Datenschutz."

    Wir werden bei KI und Digitalisierung nur vorankommen, wenn wir hier die Gesetze ändern.

    Lars Feld, Wirtschaftswissenschaftler

    Wirtschaft: Konsum springt nicht an

    Zurückhaltung herrscht nicht nur bei Investoren, sondern auch bei den Menschen auf der Straße und damit verbunden beim Konsum. Er will einfach nicht anspringen und den Konjunkturmotor ins Laufen bringen. Feld sagt, die Zeitschrift "Economist" bezeichnet es als "German Angst". Die wirtschaftspolitische Angst in Deutschland sei so viel größer als im Rest der Welt.
    Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft lässt weiterhin auf sich warten. Auch für das kommende Jahr sind die Institute pessimistisch.

    Lichtblick: Sinkende Inflationsrate

    Einen Lichtblick sehen die Forscherinnen und Forscher aber in der sinkenden Inflationsrate.
    Inflationsrate
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    Lag sie 2023 noch bei durchschnittlich 5,9 Prozent, so dürfte sie im laufenden Jahr auf etwa 2,2 Prozent fallen. In den beiden kommenden Jahren soll sie weiter sinken auf rund 2,0 Prozent.
    Dann müssen diese Mut machenden Zahlen nur noch in den Köpfen ankommen und den Konsum ankurbeln. Eine Vitaminkur für die deutsche Wirtschaft wäre in vielerlei Hinsicht wünschenswert.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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    Quelle: Mit Material von Reuters

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