Frühjahrsgutachten: Knatsch bei den Wirtschaftsweisen
Frühjahrsgutachten:Knatsch bei den Wirtschaftsweisen
von Britta Buchholz
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Selten wurde das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen mit so viel Neugier erwartet - das liegt an der Lage der Wirtschaft - und an einer Sachverständigen.
Die fünf Wirtschaftweisen präsentieren wenig Erfreuliches: Sie rechnen nur noch mit einem geringen Wachstum von 0,2 Prozent für das Jahr 2024. Im Herbst hatten sie noch 0,7 Prozent vorhergesagt. "Das sind schwache Zahlen", sagt Martin Werding, Professor für Sozialpolitik. Seine Kollegin Veronika Grimm diagnostiziert einen Exportrückgang und eine schwache Binnenkonjunktur. Die Aussichten: Kaum besser - so dürften die Exporte 2024 nur etwas an Fahrt gewinnen. Bei der Inflation sieht es rosiger aus. Ulrike Malmendier referiert, dass die Energiepreise nicht die Inflation beschweren. Die fünf Wirtschaftsweisen glauben an bessere Aussichten bei der Inflation - dank sinkender Zinsen.
Was nach Einigkeit auf dem Podium klingt, löst sich auf, als die Journalisten Fragen stellen. Denn die erste Frage dreht sich nicht um die neusten Zahlen, sondern um die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Das liegt an Querelen, die in den letzten Monaten den Sachverständigenrat beschäftigen.
Uneins über Strategie im Güterverkehr
Der aktuelle Streitpunkt kurz erklärt: Zukünftig soll der Güterverkehr in Deutschland neu organisiert werden - einig waren sich die fünf Ökonomen, dass eine weitere Verlagerung auf die Schiene nicht zu einer signifikanten und nachhaltigeren Veränderung des Transports der Güter führen wird.
Es sollen mehr Güter auf die Schiene kommen. Aber das Schienennetz ist marode.23.04.2024 | 7:53 min
Uneinig waren sich die Wirtschaftsweisen aber, welche Alternativen es geben kann. Vier von fünf plädierten für mehr Elektromobilität und hier besonders durch einen Ausbau der Ladeinfrastruktur. Nur die Wirtschaftsweise Veronika Grimm gab ein Minderheitsvotum ab, indem sie auch den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur forderte.
Interessenkonflikte bei Grimm?
Diese Diskussion ist deshalb brisant, weil Grimm seit kurzem Aufsichtsratsmitglied bei Siemens Energy ist. Das allein hatte vor allem intern in den letzten Wochen für intensive Diskussionen gesorgt, vor allem im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte zwischen ihrem Mandat als Aufsichtsratsmitglied bei Siemens Energy und als Mitglied des Sachverständigenrats. Die vier anderen Wirtschaftsweisen haben sowohl bei Kanzler Olaf Scholz als auch bei Wirtschaftsminister Robert Habeck diese Doppelfunktion angemahnt.
Veronika Grimm sieht das anders. Schon zuvor machte die Energiemarkt-Expertin klar, sie treffe selbst keine Entscheidungen bei Siemens Energy. Themen, die das Unternehmen direkt betreffen würden, würde sie nicht kommentieren. Gegenüber dem ZDF sagt Veronika Grimm:
Das Minderheitsvotum ist verfasst auf der Basis von vielen wissenschaftlichen Studien, die ich einordne und diskutiere, das kann jeder lesen.
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Veronika Grimm
"Wer meint, das nicht lesen zu wollen auf der Grundlage, dass ich in einem Aufsichtsgremium Mitglied bin, kann das auch lassen." An einen Rücktritt denke sie nicht.
Ich werde auf jeden Fall meine Tätigkeit im Aufsichtsrat nicht niederlegen und auch nicht die im Sachverständigenrat und bin froh über die inhaltliche Debatte, die wir da führen.
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Veronika Grimm
Rechtliche Bedenken einer Doppelfunktion gibt es bisher nicht, den Sachverständigen ist es freigestellt, Aufsichtsratsmandate anzunehmen. Eine Rechtsanwaltskanzlei soll nun verbindliche Regeln für den zukünftigen Umgang unter den Wirtschaftsweisen festlegen. Ein "Compliance Codex" - wann dieser vorgelegt werden wird, konnte Monika Schnitzer allerdings nicht beantworten.
Prognose für 2024: Wachstum bleibt schwach
Zurück zum Wesentlichen: Die Vorhersagen für das kommende Jahr sind nicht erbaulich. Ähnlich der jüngsten Konjunkturprognose des Bundeswirtschaftsministeriums gibt es zwar verbesserte Aussichten für die Konjunktur- nur bleiben die Aussichten insgesamt trübe.
Das Schlüsselwort ist Wachstum - und das schwächelt massiv. Die Wachstumsaussichten verbleiben auf einem nach wie vor sehr geringen Niveau. Gründe: der geringe Konsum und zu wenig Investitionen. Die traditionell exportorientierte deutsche Wirtschaft leidet nach wie vor unter den geopolitischen Verzerrungen und einem schwachen Wachstumsfahrt besonders der chinesischen Wirtschaft.
US-Zölle auf E-Autos aus China erhöhen Druck auf EU
Die gerade von der US-Regierung verkündete Erhöhung der Zölle auch auf Autos mit Elektro-Antrieb wird die Aussichten noch verschlechtern, denn es ist davon auszugehen, dass China die produzierten Kraftfahrzeuge in andere Märkte und damit insbesondere nach Europa verkaufen wird. So steigt der Wettbewerbsdruck auf europäische Produzenten und damit auch deutsche Unternehmen weiter.
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All das wird die Diskussion weiter befeuern mit welchen Maßnahmen Deutschland der Flaute entgegentreten kann. Die FDP will eine Wirtschaftswende vorantreiben, finanziert durch Einsparungen auch im Sozialen. SPD und Grüne plädieren für mehr Investitionen, finanziert durch eine Reform der Schuldenbremse. "Sparanstrengungen könnten die Erholung belasten", meint Ökonom Achim Truger. Ohne "an die Schuldenbremse zu gehen", werde es schwierig werden.
Vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltslage ist das Frühjahrsgutachten sicherlich Nährboden für neue Spannungen. Innerhalb der drei Ampel-Partner. Bei den fünf Wirtschaftsweisen soll es nun ruhiger werden.
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