Zahl der Erwerbslosen steigt:Wie die Konjunkturflaute den Arbeitsmarkt bremst
von Frank Bethmann
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Die Wachstumsschwäche färbt zunehmend auf den Arbeitsmarkt ab. Trotzdem ein zweigeteiltes Bild: 1,6 Millionen Stellen gelten als unbesetzt. Perspektivisch fehlen Arbeitskräfte.
Der Anstieg der Arbeitslosenzahl in Deutschland hat sich weiter fortgesetzt. Im Vergleich zum Vorjahresmonat liegt die Zahl um 176.000 höher.30.08.2024 | 0:24 min
Die Zahl der Menschen ohne Job ist im August erneut gestiegen. Saisonbereinigt gegenüber Juli um 63.000 auf 2,872 Millionen. In einem Ferienmonat ist das nicht unüblich. Auch in der Vergangenheit bewegte sich in der Sommerpause die Zahl häufig nach oben.
In diesem Jahr kommt aber hinzu, dass die Arbeitslosigkeit auch in Folge der schwachen Konjunktur steigt. Der Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland hat im August weiter nachgelassen.
In allen Wirtschaftszweigen, ausgenommen die Energie- und Wasserwirtschaft, sei die Arbeitskräftenachfrage zum Vorjahresmonat gesunken - "und zwar zum Teil in zweistelliger prozentualer Höhe", signalisiert der Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit (BA).
In Deutschland sind fast drei Millionen Menschen arbeitslos. Dabei werden Arbeitskräfte dringend gesucht. Wo liegt das Problem? Wollen oder können die Menschen nicht arbeiten?30.04.2024 | 1:40 min
Alarmierend: Unternehmen zurückhaltend mit Neueinstellungen
Ein durchaus alarmierendes Zeichen, gilt der Arbeitsmarkt doch bislang, trotz der Wirtschaftsflaute, als relativ stabil. Die Anzeichen mehren sich allerdings, dass die konjunkturelle Schwäche immer stärker auf die Beschäftigung überschwappt.
Die Unternehmen sind laut des Ifo-Beschäftigungsbarometers so zurückhaltend mit Neueinstellungen wie zuletzt vor dreieinhalb Jahren, als die Corona-Pandemie das Land im Griff hatte. Klaus Wohlrabe, Ifo-Konjunkturexperte und Leiter der Umfrage bestätigt:
Besonders in der Industrie werden Jobs abgebaut
Besonders verschlechtert hat sich die Lage in der einst so starken Industrie. Wer wenig neue Aufträge bekommt, dem fehlt auch die Zuversicht - und der streicht bereits jetzt zusammen.
Einstellungsstopp, Kurzarbeit, Jobabbau. Die Lage ist vor allem in der Automobilindustrie angespannt, weil der Absatz bei den E-Autos eingebrochen ist. Doch nicht nur dort. Auch in der Bauwirtschaft und in der Logistik wackeln Tausende Stellen.
In Zwickau ist die einzige deutsche Autofabrik, die die Gesamtproduktion auf E-Mobilität umstellte. Doch der Hype um E-Autos ist vorbei und die Fabrik steht vor Schwierigkeiten.30.08.2024 | 2:11 min
Hinzu kommt: In der Chemiebranche verlagern zunehmend mehr Konzerne ihre Produktion ins Ausland. Mit dem Ergebnis, dass hierzulande Zehntausende Stellen gestrichen werden, unter anderem bei BASF, Covestro oder Evonik.
Zweigeteilter Arbeitsmarkt: 1,6 Millionen offene Stellen
Doch dies allein beschreibt den deutschen Arbeitsmarkt nur unzureichend. Denn während also dort rausgeschmissen wird, sucht man in anderen Wirtschaftszweigen händeringend Personal. Wahr ist nämlich auch: Trotz Wirtschaftsflaute sind 1,6 Millionen Stellen unbesetzt in Deutschland.
Rund 250.000 Fachkräfte fehlen allein im Handwerk, vom Kfz-Mechatroniker über Optiker, Pfleger, Sanitärexperten bis hin zum Zahntechniker. Auch Gaststätten- und Hotelbetreiber suchen - vor allem Kellner und Köche.
Ebenso meldet die Pharmaindustrie Zehntausende offene Stellen. Hier herrscht ein großer Engpass vor allem bei Biotechniker*innen und Laborant*innen.
In jedem siebten Berufsbild fehlen Fachkräfte. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wollen Politik und Unternehmen in Zukunft auf Menschen im Rentenalter setzten.04.06.2024 | 1:29 min
Personalmangel verhindert stärkeres Wachstum
Dieser Personalmangel verhindert mittlerweile, haben die sogenannten Wirtschaftsweisen analysiert, dass die Konjunktur überhaupt noch kräftig wachsen kann. Geradezu paradox.
Es fehlt in Teilen der Wirtschaft das Wachstum, weil das Personal nicht vorhanden ist. Und ohne dieses Wachstum fehlt in anderen Teilen die Zuversicht, um neu einzustellen.
Besserung ist in den kommenden Monaten nicht zu erwarten. Doch die Trendwende, die man sich bereits jetzt erhofft, wird kommen, nur später, sagen die Arbeitsökonomen. Dafür reicht ein Blick auf die Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland.
In diesem Jahr rutschen gut 450.000 mehr Beschäftigte in das Rentenalter, als Jüngere auf dem Arbeitsmarkt nachrücken, rechnet Ulrich Walwei vor, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Tendenz steigend. Bis 2035 summiert sich das Minus auf 7,2 Millionen Arbeitskräfte.
Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juli stärker gestiegen als sonst, im Vorjahresvergleich sind rund 200.000 Menschen mehr auf Jobsuche. Und auch an Auszubildenden mangelt es. 31.07.2024 | 1:33 min
Arbeitsmarkt steht vor gewaltigen Veränderungen
Menschen die ihren Job verloren haben oder die seit Jahren versuchen wieder in Beschäftigung zu kommen, wird das nicht trösten, aber der deutsche Arbeitsmarkt steht vor gewaltigen Veränderungen. Die richtigen Leute zu finden, wird künftig noch sehr viel schwerer, als es heute bereits ist.
Darüber sollten vor allem die Konzerne nachdenken, die aktuell mit milliardenschweren Abfindungsprogrammen zigtausende Mitarbeiter in Altersteilzeit oder Vorruhestand schicken.