Mit Pleitewelle verschärft sich Wohnungsnot in Deutschland
Insolvenzen in Immobilienbranche:Pleitewelle verschärft Wohnungsnot
von Thadeus Parade
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Immer mehr Immobilien-Entwickler geraten wegen hoher Zinsen und hoher Baukosten in finanzielle Schieflage. Das hat dramatische Folgen für Käufer und den Wohnungsmarkt.
Tausende von Menschen hatten in den Traum der eigenen Wohnung investiert, dafür zum Teil bereits mehrere hunderttausend Euro anbezahlt - Kredite aufgenommen, Erspartes und Geerbtes reingesteckt. Durch die Insolvenz der Project Immobilien GmbH droht nun alles zu platzen:
Mehrere Größen auf dem Immobilienmarkt sind pleite
Es ist ein Schicksal von weit über tausend anderen, das in den Chatgruppen der sozialen Netzwerke anonym gepostet wurde. Die Project Immobilien GmbH unterhält Baustellen in fast allen größeren deutschen Städten - und überall herrscht derzeit Stillstand.
Es ist nicht der einzige namhafte Projektentwickler auf dem Immobilienmarkt, der Pleite gegangen ist: Centrum, Development Partners, Euroboden oder die Gerchgroup - alles große Namen, die es ebenfalls erwischt hat. Jahrelang funktionierte deren Geschäftsmodell glänzend: Grundstücke kaufen, Baurecht herstellen, Bauen und schließlich verkaufen - nun aber will keiner mehr investieren oder kann es sich aufgrund hoher Zinsen nicht mehr leisten.
In Immobilien zu investieren, ist eine scheinbar sichere Geldanlage. Weder Zinsschwankungen noch Börsencrashs entwerten das Eigenheim. Trotzdem kann ein Immobilienkauf zu Verlusten führen.
15.05.2021 | 43:26 min
Hohe Zinsen und Baukosten als Gründe für Insolvenzen
Extrem hohe Zinsen, hohe Baukosten und ein Investmentmarkt, der komplett zum Erliegen gekommen sei: All das seien Gründe, weswegen die Gerchgroup Insolvenz angemeldet habe, verkündete jüngst deren Chef Mathias Düsterdick auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz.
Es ist die neunte Zinserhöhung in Folge. Doch während die Banken von der EZB für ihr dort geparktes Geld wieder 3,75 Prozent Zinsen erhalten, gehen Sparer oft leer aus. Warum?
von Klaus Weber
FAQ
Prognose: Bautätigkeit wird weiter zurückgehen
Nach Meinung des Immobilienexperten Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft ist das erst der Anfang:"Wir haben einen unglaublich kleinteiligen Markt mit rund 16.000 Bauträgern in Deutschland und da werden wir noch mehr Insolvenzen erleben." Und das bedeute auch, dass die Bautätigkeit zurückgeht, so Voigtländer.
Allein in Düsseldorf ist Weiterbau von 500 Wohnungen offen
Durch die Pleitewelle drohen halbfertige Rohbauten zu Bauruinen zu werden, Wohnungen, die die Planungsdezernenten in den Städten eigentlich geplant hatten.
Cornelia Zuschke steht am Düsseldorfer Rheinufer mit Sorgenfalten auf der Stirn. Allein in der Landeshauptstadt von NRW stehen mit der jüngsten Immobilien-Pleitewelle über 500 Wohnungen auf der Kippe. "Von daher ist das natürlich eine sehr schwierige Situation, weil es eben auch zum Teil halbfertige Projekte gibt, die vielleicht nicht fertig gestellt werden und die vielleicht von denen, die schon gekauft haben, fertig gestellt werden müssen", sagt die Planungsderzernentin der Stadt. Sie hofft, dass die Rohbauten "weiter entwickelt werden, von wem auch immer".
Die Baubranche steckt in der Krise. So mancher Bauträger geht in die Insolvenz. Tipps, wie man sich als Bauherr beim Bau eines Hauses für den Fall einer Pleite wappnen kann.
von Claudia Krafczyk
mit Video
Von ihrem ursprünglichem Ziel, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, ist die Bundesregierung schon lange abgerückt. Mit etwas Glück werden 2023 rund die Hälfte erreicht. Die Zahlen des Analystenhauses "bulwiengesa" jedenfalls sind alarmierend: Demnach sind im ersten Halbjahr 2023 neue Wohnungsbaubrojekte um 54 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen.
Das Hochhaus, in dem bis letztes Jahr das Wiesbadener Finanzamt untergebracht war, steht so gut wie leer. Weil das Land die Immobilie anmietet ist weiter ein Betrag von 3,4 Millionen Euro pro Jahr fällig.12.08.2023 | 2:34 min
Pleitewelle treibt Kauf- und Mietpreise in die Höhe
Die Pleitewelle dürfte also nicht nur Kauf- und Mietpreise weiter in die Höhe treiben, sondern die Wohnungskrise insgesamt befeuern. Düstere Aussichten, prognostiziert Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie: "Die Formel ist eigentlich ganz einfach. Denn wenn nicht genug gebaut wird, gibt es zu wenige Wohnungen am Wohnungsmarkt für viele tausend Menschen, die Wohnungen suchen." Derzeit fehlten über 700.000 Wohnungen am deutschen Mietmarkt, erläutert Müller.
Thadeus Parade ist Reporter im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.
Der Traum vom Eigenheim ist für viele Familien heute in weite Ferne gerückt. Doch in den 80ern soll der Immobilienerwerb noch schwieriger gewesen sein. Wie kann das sein?