EM 2024 in Ostdeutschland: Nur Leipzig profitiert

Leipzig schmückt sich für die Fußball-Europameisterschaft. Am gestrigen Dienstag wurde das für die EM-Anforderungen umgebaute Stadion präsentiert, ebenso die Fanzone auf dem Augustusplatz und das internationale Medienzentrum auf der Neuen Messe, von wo aus das TV-Signal aller Spiele in die Welt geht und auch die Videoschiedsrichter strittige Situationen begutachten.

Die ersten Fans reisen dieser Tage an. Insgesamt rechnen die Leipziger Organisatoren während des Turniers mit einer halben Million Gäste in der Messestadt. Vor allem natürlich an den vier Spieltagen. Etwa 15 Millionen Euro hat die Stadt in die Austragung der vier Spiele investiert, darunter auch nachhaltig in Infrastruktur wie bei der Sanierung des Stadionvorplatzes.

Dafür spülen die Gäste aus ganz Europa Geld in die Kassen. Durch Gastronomie, Übernachtungen, Einzelhandel und Dienstleistungen könnten laut einer Potenzialanalyse knapp 60 Millionen Euro in der Region bleiben.

"Wenn man davon ausgeht, dass allein etwa 40.000 holländische Fans kommen, dazu portugiesische, kroatische, italienische und tschechische Anhänger und die Franzosen nicht zu vergessen, ist das ein wesentliches Argument zu begründen, warum wir so viel Steuergeld in die Hand nehmen", erklärte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Er geht davon aus, "dass ein Vielfaches des Eingesetzten zurückkommt".

Doch Leipzig setzt nicht nur auf wirtschaftliche Effekte. Der positive Imageeffekt, "den Leipzig und Sachsen aufgrund der politischen Situation dringend benötigt", lasse sich "pekuniär gar nicht beziffern", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Henning Zülch.

Allein mit einem Topspiel wie Frankreich gegen Niederlande könne eine unheimliche Strahlkraft von Leipzig ausgehen, erklärt Zülch. "Diese positive Stimmung wird nicht nur nach außen wirken, sondern auch nach innen", schätzt der Professor von der Leipziger Wirtschaftshochschule HHL ein. Der Verlauf der EM könne sogar auf die politische Stimmungslage im Freistaat vor den Landtagswahlen im September einwirken.

Doch Leipzig ist der einzige ostdeutsche Standort bei der Euro. Von den 24 Teilnehmerteams schlagen auch nur zwei ihre Zelte in Ostdeutschland auf: Kroatien in Neuruppin in Brandenburg und England in Blankenhain bei Weimar in Thüringen. Das hängt auch damit zusammen, dass es weniger geeignete Camp-Anlagen und Stadien gibt. Die Leipziger Arena ist mit 42.000 Sitzplätzen das kleinste Stadion der EM. Doch größere gibt es von Rostock bis ins Erzgebirge nicht.

"Weder die EM-Spiele in Leipzig, noch die Euro in Deutschland lösen die strukturellen Probleme, die wir in Ostdeutschland haben", sagte Hermann Winkler, Vize-Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV).

Winkler ist froh, dass immerhin der Fußball-Leuchtturm Leipzig vertreten ist. "Wir versprechen uns mehr Zulauf in unsere Vereine im NOFV-Gebiet. Doch neue Mitglieder und neues Engagement stellen uns auch vor Probleme, weil die Sportanlagen in den Ballungszentren hoffnungslos überlastet sind", betont Winkler.

Dass die Bundesregierung im Jahr der Heim-EM alle Sportstättenprogramme "auf Null" gekürzt habe, hält der frühere CDU-Politiker für einen "politischen Skandal". Das treffe insbesondere auch den Osten, wo eben Fußballplätze fehlen. Realismus statt Euphorie in den nicht mehr so neuen Bundesländern also, die bis auf die Region Leipzig weit weniger von der Großveranstaltung profitieren als die westdeutschen Standorte.