EZB startet mit weiterer Zinssenkung ins Jahr

    Analyse

    Erneute Zinssenkung im Euroraum:Wie die EZB auf die Wirtschaftslage reagiert

    Boerse Valerie Haller
    von Valerie Haller
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    Die EZB senkt weiter die Zinsen. Der schwachen Konjunktur in der Eurozone könnte das helfen. Was bedeutet das für Sparer und Hausbauer?

    Die Europäische Zentralbank am 23.07.2022 in Frankfurt
    Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins im Euroraum erneut.
    Quelle: ZDF/Thomas Dewald

    Donald Trump hat Europa bislang nicht mit Strafzöllen überzogen, wie manche befürchtet hatten. Die Europäische Zentralbank (EZB) jedoch scheint kein Risiko eingehen zu wollen und will die Wirtschaft durch eine weitere Zinssenkung stützen - um 0,25 Prozentpunkte auf 2,75 Prozent, das fünfte Mal seit vergangenem Sommer.
    Für Volkswirte war die Zinssenkung keine Überraschung. Die Zeit der großen Preissteigerungen ist vorbei. Die EZB hat deshalb wieder mehr Spielraum für niedrigere Zinsen. Die könnten hilfreich sein, wenn mögliche Handelskonflikte, besonders jetzt nach der Wahl des neuen US-Präsidenten, die Konjunktur in der Eurozone weiter unter Druck setzen.

    Unter Leitzinsen versteht man die von der zuständigen Zentralbank festgelegten Zinssätze, zu denen sich Geschäftsbanken bei einer Zentral- oder Notenbank Geld beschaffen oder anlegen können. In der Eurozone ist die Europäische Zentralbank (EZB) zuständig für die Festlegung der Leitzinsen. Davon setzt die EZB drei fest: Einlagenzins, Hauptrefinanzierungssatz und Spitzenrefinanzierungssatz.

    Für Sparer ist der Einlagenzins wichtig. Zum Hauptrefinanzierungssatz können sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen. Der Spitzenrefinanzierungssatz dient Geschäftsbanken zur kurzfristigen Beschaffung von Geld. Vorrangiges Ziel der Zentralbanken ist es, ein stabiles Preisniveau mit einer niedrigen Inflationsrate sicherzustellen.

    Die EZB strebt dafür ein Inflationsziel von zwei Prozent in der mittleren Frist an. Um die Inflationsrate bei einer vorgegebenen Zielgröße zu halten, kann die Zentralbank die Leitzinsen anheben ("restriktive Geldpolitik") oder auch senken ("expansive Geldpolitik"). 

    Quelle: Glossar des Bundesfinanzministeriums, AFP

    EZB-Präsidentin Christine Lagarde sieht in naher Zukunft keinen starken Aufschwung. Im Gegenteil. Es bestünden nach wie vor Risiken für das Wachstum, sagte Lagarde. "Die Konjunktur stagnierte im vierten Quartal. Sie dürfte auch in nächster Zeit schwach bleiben". Die Zinssenkung nun soll das schwache Wachstum stützen. "Das wird die Baubranche entlasten, mehr Investitionen ermöglichen, die Verbraucher ermuntern und dem Arbeitsmarkt in Europa helfen", meint Christian Dustmann, Direktor vom Forschungsinstitut der Rockwool Foundation.
    nahaufnahme: Christine Lagarde
    Ein Blick hinter die Kulissen bei der EZB-Präsidentin Christine Lagarde.12.09.2024 | 9:37 min

    Weniger Zinsen für Sparer

    Die erneute Zinssenkung hat Folgen beispielsweise für Sparer. Die Banken bekommen dadurch weniger Zinsen für überschüssiges Geld, das sie bei der EZB parken. Infolgedessen senken sie in der Regel auch die Tages- und Festgeldzinsen für ihre Kunden. Da ist allerdings jetzt schon nicht viel zu erwarten. Laut dem Vergleichsportal Verivox lagen die Zinsen für Festgeld mit zweijähriger Laufzeit im Schnitt bei 2,24 Prozent. Das sei der tiefste Stand seit zwei Jahren. Auch auf Tagesgeld sanken die Zinsen demnach auf im Mittel 1,56 Prozent.
    Positiv jedoch: Niedrigere Zinsen helfen tendenziell der Wirtschaft. Dadurch werden Kredite in der Regel günstiger. Unternehmen können leichter Geld für Investitionen aufnehmen und ohne Investitionen kein Wachstum. Auch Privatleute kommen günstiger an Finanzierungen. Bauzinsen beispielsweise sind im Zuge der Zinssenkungen in den vergangenen Monaten etwas gesunken.

    USA stark, Europa schwach

    In den USA bietet sich ein völlig anderes Bild als in Europa. Dort ist die Wirtschaft robust, die Arbeitslosigkeit gering. Die amerikanische Notenbank hat gestern daher auch keine Notwendigkeit gesehen, die Zinsen dort weiter zu senken. "Wir müssen uns nicht beeilen," sagte Fed-Chef Jerome Powell gestern. Donald Trump dürfte das nicht gefallen haben. Er will, dass die Zinsen weiter fallen und fordert dies auch immer wieder unverblümt. Trump mischt sich damit in die Notenbank-Politik ein, deren Unabhängigkeit als hohes Gut betrachtet wird. Noch scheint sich Powell von Trumps Einfluss nicht beeindrucken zu lassen.
    David Sauer
    Trump "fordert, dass die EU-Staaten mehr amerikanische Autos kaufen, mehr Gas und Öl, sonst gebe es Zölle", erklärt David Sauer, ZDF-Korrespondent zu Trumps Rede in Davos.24.01.2025 | 3:48 min

    Wie es jetzt weitergehen könnte

    Vermutlich war das in der Eurozone nicht die letzte Zinssenkung in diesem Jahr. Denn die aktuellen Wirtschaftsdaten für die Eurozone malen ein düsteres Bild. Kaum Wachstum in der Eurozone. Umfragen unter Unternehmen lassen auch auf wenig Schwung in nächster Zeit hoffen. Deutschland, jahrelang Zugpferd der Eurozone, ist inzwischen eher ein Bremsklotz in Europa und erlebte gerade das zweite Jahr in Folge eine Rezession. Wie stark die EZB die Zinsen lockern wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. Volkswirte rechnen mit zwei bis fünf weiteren Zinssenkungen. 
    Valerie Haller ist Reporterin im ZDF-Börsenstudio.
    Im Hintergrund steht ein rotgefärbtes Gebäude an dem die Leuchtschrift "Lehman Brothers" angebracht ist. Davor liegen drei Schwarz-Weiß-Fotos: Die New Yorker Skyline, ein Banker der nach oben schaut und mehrere Personen mit aufgespannten Schirmen bei einer Demonstration mit dem Banner "Rettungs Schirm Lehman-Opfer".
    2008 erschüttert eine Nachricht die Wall Street: Lehman Brothers, die viertgrößte Investmentbank der Welt, ist pleite. Die globale Wirtschaft schlittert in eine Finanzkrise.03.06.2024 | 44:49 min

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    Quelle: dpa

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