Wirtschaft funkt SOS: Verbände trommeln zum "Warntag"
FAQ
Hunderte Verbände und Firmen:Wirtschaft funkt SOS mit bundesweitem "Warntag"
von Stephanie Barrett
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Zahlreiche Verbände und Unternehmen nehmen an einem bundesweiten "Wirtschaftswarntag" teil. Sie fordern weitreichende Reformen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.
Mögliche neue Zölle aus den USA und die Rezession stellen die deutsche Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Viele Unternehmen könnten ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren.21.01.2025 | 2:15 min
Mehr als 100 Verbände und Hunderte Unternehmen haben heute zu einem sogenannten "Wirtschaftswarntag" aufgerufen. In Berlin, Hamburg und München wollen sie "auf die dramatische Lage der deutschen Wirtschaft aufmerksam machen und Druck auf die nächste Bundesregierung ausüben", wie das Aktionsbündnis Wirtschaftswarntag in Berlin erklärt.
Auch eigentlich konkurrierende Verbände, wie der Außenhandelsverband BGA, der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung oder die Stiftung Familienunternehmer, haben sich dem breiten Feld von Wirtschaftsakteuren angeschlossen.
Was sind die Forderungen am "Wirtschaftswarntag"?
Das Bündnis erwartet nichts anderes als einen Reset in der Wirtschaftspolitik. Die Liste der Forderungen ist lang. Darunter: ein umfassender, alle bisherigen Versuche weit übersteigender Bürokratieabbau, Steuersenkungen für Unternehmen und Arbeitnehmer mindestens auf EU-Durchschnitt, international wettbewerbsfähige Energiepreise für alle Unternehmen in Deutschland. Eine Agenda für mehr Wachstum.
Alles, was Wachstum stärkt, muss Priorität bekommen.
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Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
Finanzielle Spielräume sind begrenzt, ergo müssen im Haushalt klare Prioritäten gesetzt werden. Dringend erforderlich: öffentliche Investitionen in moderne Infrastruktur. Der Standort müsse wieder attraktiver für Investoren und ausländische Fachkräfte werden.
Wie dramatisch ist die Lage der Wirtschaft?
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist bitterernst. In Kommunen brechen Gewerbesteuereinnahmen ein, weil Unternehmen dichtmachen. Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist inzwischen so hoch wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. In der Industrie herrscht Stellenabbau in großem Stil.
Die Stahlfirma Thyssenkrupp will in den kommenden Jahren 11.000 Stellen abbauen. Die IG Metall kündigt erbitterten Widerstand an.25.11.2024 | 1:31 min
Jeden Monat gehen in Deutschland inzwischen 10.000 Industriearbeitsplätze verloren, zeigt das Institut für Berufsforschung IAB. Kein Wunder, dass auch Verbraucher sich beim Geldausgeben zurückhalten: Laut ifo-Institut lässt die wachsende Sorge um den Arbeitsplatz die Sparneigung steigen. Dieses Geld fehlt der Wirtschaft.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erwartet, dass die deutsche Wirtschaftsleistung 2025 zum dritten Mal schrumpft, während sie im Euroraum voraussichtlich um 1,1 Prozent wächst - die Weltwirtschaft sogar um 3,2 Prozent. Deutschland bleibt damit konjunkturell eines der Schlusslichter.
Bruttoinlandsprodukt schrumpft 2024 leicht
ZDFheute Infografik
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Inzwischen kämpft Deutschland nicht mehr nur mit den bekannten hausgemachten Problemen. Der Export-Europameister ist zunehmend mit scharfer Konkurrenz aus Asien konfrontiert. Chinesen verdrängen Maschinen und Produkte "Made in Germany" aus den Märkten, weil sie schlicht billiger produzieren können.
Für den BDI sind die Probleme Ergebnis einer anhaltenden Standortschwäche, mit der die Wirtschaft bereits seit 2018 zu kämpfen hat. Im Vorfeld des "Warntags" betonte BDI-Chef Peter Leibinger:
Jahrelang haben Regierungen wichtige Reformen hinausgeschoben, Investitionen zurückgehalten und sich mit dem Status Quo begnügt.
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BDI-Chef Peter Leibinger
Der Krieg in der Ukraine und die allgemein hohe Inflation belasten die deutsche Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt für 2024 ist im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Prozent geschrumpft.15.01.2025 | 1:40 min
Wie lauten die Forderungen an die EU?
Mit Blick nach Brüssel fordern sämtliche Wirtschaftsverbände: Deutschland müsse wieder eine selbstbewusstere Führungsrolle in der EU einnehmen und dafür sorgen, dass Europa sich strategisch unabhängiger mache. Deutschland solle seine Verhandlungsmacht nutzen, um seine Interessen effektiv zu vertreten und Allianzen für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit Europas zu schmieden. Deshalb müsse Deutschland mit einer ehrgeizigen wirtschaftspolitischen Agenda vorangehen.
In Deutschland trägt die Industrie so viel zur Wirtschaftsleistung bei wie in kaum einer anderen großen Volkswirtschaft. Inklusive Bau arbeiten neun Millionen Menschen in der Produktion, viele weitere Stellen hängen daran, weshalb IG Metall-Chefin Christiane Benner feststellt: "Ohne Industrie ist Deutschland ein armes Land." Ohne Deutschland ist aber auch Europa arm.
Für die EU ist die deutsche Industrie ein zentraler Faktor: sie ist eng verflochten mit den Volkswirtschaften der europäischen Nachbarn. Damit sind jeweils mehrere hunderttausend Arbeitsplätze verbunden. Gerät der deutsche Wirtschaftsmotor ins Stottern, schwanken auch die benachbarten Industrien. Wenn Europa wirtschaftlich jedoch nicht mehr stark ist, dann wird es geopolitisch auch nicht mehr an den großen Tischen sitzen.
Zum Beispiel könne die EU ausländischen Produzenten vorschreiben, in Europa Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. "Für alle industriellen Produkte, die in Europa vermarktet werden, muss es einen verpflichtenden Anteil europäischer Komponenten geben", fordert IG-Metall-Vizechef Jürgen Kerner.
Wenn etwa chinesische oder amerikanische Hersteller in Europa Autos verkaufen wollten, müssten sie auch in Europa produzieren beziehungsweise hier gefertigte Teile einbauen.
Wer Europa als Markt sieht, muss anteilig für Beschäftigung verantwortlich sein.
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Jürgen Kerner, IG-Metall-Vizechef
Der Stellenabbau in der Autoindustrie sorgt für schlechte Arbeitsmarktzahlen. Doch Bochum zeigt, wie das Ende eines großen Autobau-Standorts zum Neuanfang werden kann.03.01.2025 | 1:48 min
So eine Strategie steht zwar im Widerspruch zum freien Handel. China und die USA machen aber gerade das schon seit langem und erlegen ausländischen Herstellern Auflagen aller Art auf; die USA führten nach der Finanzkrise 2008 Buy-American-Regeln ein.
Wo sind Hoffnungsfunken?
Die Hoffnung der deutschen Wirtschaft liegt auf der Wahl einer handlungsfähigen Regierung in Berlin, die endlich Reformen und Entbürokratisierung liefert. Die aktuelle politische Unsicherheit lähmt derzeit jegliche Investitionen.
Dabei verfügt Deutschland über alle Zutaten für den Erfolg: leistungsstarke und qualifizierte Fachkräfte und Manager, sowie Unternehmen, die international wirklich erfolgreich sind. Sie fühlen sich jedoch zunehmend sabotiert von der Politik in Berlin.
Quelle: dpa
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