Christine Lagarde als "Queen of Euro": Fünf Jahre EZB-Chefin

    Fünf Jahre als EZB-Chefin im Amt:Christine Lagarde: Bilanz der "Queen of Euro"

    von Isabel de la Vega
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    "Es wird einfach sein", hatten die Vorgänger Christine Lagarde beim Amtsantritt noch versichert, erinnert sich die EZB-Chefin im ZDF-Interview. Sie hatten sich krachend geirrt.

    EZB-Chefin Christine Lagarde spricht auf einer Pressekonferenz im Schloss Brdo
    Beim Amtsantritt 2019 konnte noch keiner ahnen, welche Herausforderungen auf die neue EZB-Chefin Lagarde zukommen würden. Heute blickt sie auf fünf Jahre Amtszeit zurück.
    Quelle: dpa

    Für Preisstabilität zu sorgen, das ist die vorrangige Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB). Als Christine Lagarde am 1. November 2019 ihr Amt antrat, lag die Inflationsrate im Euro-Raum deutlich unterhalb der Zielmarke der EZB von zwei Prozent - und die neue Aufgabe schien machbar.

    Von Corona-Krise und Ukraine-Krieg überrascht worden

    "Doch dann wurden wir überrascht", erinnert sich Lagarde an den schwierigsten Moment ihrer Amtszeit, "...von Covid und kompletten Lockdowns ganzer Bereiche unserer Wirtschaft."

    Es gab eine totale Störung der Lieferketten, den schrecklichen Angriff Russlands auf die Ukraine und seine Auswirkungen auf die Energiepreise. Und dann schoss die Inflation nach oben.

    Christine Lagarde, EZB-Chefin

    Christine Lagarde (M), Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), nimmt an einem monetären Dialog im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments teil.
    Die EZB senkt den Leitzins zum zweiten Mal in Folge und reagiert damit auch auf die stärker als erwartet gesunkene Inflationsrate. Die Sorge um die europäische Wirtschaft bleibt.17.10.2024 | 1:08 min
    Bislang hatten im volkswirtschaftlichen Disput die Anhänger der sogenannten "Falken" die ultralockere Geldpolitik der EZB mit ihren ausgedehnten Anleiheankäufen kritisiert. Doch dann gab es viele Kritiker, die der EZB-Chefin vorwarfen, nicht entschieden genug gegen die Inflation anzugehen.

    Inflation steigt 2022 auf mehr als zehn Prozent

    Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba, kritisiert: "Der größte Fehler war, sich Ende 2021 noch hinzustellen, als die Inflationsraten bei fünf Prozent lagen und zu sagen: 'Inflation, sehen wir nicht! Das ist alles nur Übergang' (...)." Lagarde sei zu langsam mit dem Beginn der Zinserhöhungen gewesen, habe die Inflation sich noch nach oben entwickeln lassen und dann zu viel gemacht, ergänzt Traud.
    Geldpolitik-Experte Volker Wieland nimmt Lagarde in Schutz: "Diese Verzögerung wurde von vielen EZB-Ratsmitgliedern propagiert. Das sollte man nicht nur Präsidentin Lagarde anlasten."
    Im Euroraum kletterte die Inflation im Oktober 2022 auf 10,6 Prozent. Benzin, Lebensmittel, Heizung: Die Preise schossen hoch - die Regierungen schnürten Subventionspakete und die Verbraucher den Gürtel enger.
    SGS Slomka Neuhann
    Die gesunkene Inflationsrate habe den Ausschlag für die Zinssenkung gegeben. Man habe laut EZB-Chefin Lagarde der Inflation "das Genick gebrochen", so Florian Neuhann (ZDF). 17.10.2024 | 2:20 min

    Lagarde baute Prognoseabteilung in der EZB um

    Im Rückblick gibt Lagarde zu, dass die Inflationsprognosen der EZB verbesserungsbedürftig waren:

    Es war schwierig, für volkswirtschaftliche Modelle und Prognosen, dies alles vorherzusehen. Unsere Modelle konnten es nicht.

    Christine Lagarde, EZB-Chefin

    So lautet die Einsicht der EZB-Chefin, die die Prognoseabteilung umbaute und nun auf ein "datenbasiertes", schrittweises Vorgehen ausrichtete.

    Leitzins seit 2022 mehrfach erhöht

    Im Juli 2022 erhöhte die EZB erstmals seit elf Jahren den Leitzins. Binnen kürzester Zeit folgten neun weitere Erhöhungen - und auch diese schnelle Abfolge sorgte dann vor allem in der Bauwirtschaft für Kritik. Dutzende Bauunternehmen und Projektentwickler von Immobilien gingen pleite, weil Geld zu teuer wurde und die Kalkulationen mit den schnell ansteigenden Zinsen nicht mehr mitkamen.
    Mittlerweile scheint die Zielmarke zwei Prozent wieder realistisch - einmal abgesehen von der Dienstleistungsinflation. Diese bleibt hoch, auch bedingt durch höhere Löhne und Versicherungsprämien. Bleiben weitere Schocks aus, könnte der Euro im kommenden Jahr in ruhigere Gewässer kommen. Lagardes Vorgehen gegen die Teuerung aber wird umstritten bleiben.
    nahaufnahme: Christine Lagarde
    Die Europäische Zentralbank steht vor der zweiten Zinssenkung in diesem Jahr. Was wird EZB-Präsidentin Lagarde gegen die Inflation unternehmen? Ein Blick hinter die Kulissen.12.09.2024 | 9:37 min

    Lagarde eint die EZB

    Was der smarten EZB-Chefin aber gelungen ist: mehr und besser zu kommunizieren - auch nach innen. Der Rat als Entscheidungsgremium der EZB ist weniger verzankt als noch zu Zeiten von Mario Draghi. Das ist vielleicht auch dem beharrlichen Charme der Französin zu verdanken, die als ehemalige Synchronschwimmerin in der französischen Nationalmannschaft den Teamgeist hochhält: "Ich bin kein Einzelkämpfer", betont Lagarde im ZDF-Interview.

    Ich versuche wirklich, alle Perspektiven zusammenzuführen und Menschen mitzunehmen.

    Christine Lagarde, EZB-Chefin

    "Du kannst nicht auf den Hügel steigen und sagen: Wir ziehen in die Schlacht und dann drehst Du Dich um und merkst: Da ist ja niemand mehr."
    Die erste große Schlacht gegen die Teuerungsrate ist geschlagen. In drei Jahren endet Christine Lagardes Amtszeit und dann erst ist gewiss, wie nachhaltig und erfolgreich sie war.
    Isabel de la Vega ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Hessen.

    Risikofaktor Inflation
    :EZB senkt Leitzins - eine Gratwanderung

    Die EZB senkt den Leitzins weiter. Dabei ist sie vorsichtig. Denn sie wandelt auf schmalem Grat zwischen mauer Wirtschaft und einer noch zu hohen Inflation. Eine Analyse.
    von Mischa Ehrhardt
    Das Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main.
    Analyse

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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