Backhandwerk auf dem Rückzug:Wer backt morgen das Brot?
von Roman Leskovar
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"Wer backt morgen das Brot?" - Das fragt der Bäckerei-Monitor der NGG-Gewerkschaft. Es zeigt sich: Das klassische Bäckerhandwerk schrumpft, während die Brotindustrie expandiert.
Brot ist in den vergangenen Jahren teurer geworden (Symbolbild).
Quelle: dpa
Bei Beumer & Lutum wird noch ordentlich Hand angelegt, wenn Brot und Brötchen entstehen. Teig anrühren, kneten und in den Backofen schieben. Die Berliner Bio-Bäckerei ist im Laufe der Zeit kräftig gewachsen. An normalen Tagen wird in der großen Backstube in Neukölln im Drei-Schicht-System gewerkelt. 164 Mitarbeiter umfasst der Betrieb.
Mit viel weniger, heißt es hier, lässt sich das Bäckerhandwerk kaum noch bestreiten. Das Problem zeige sich bereits beim Nachwuchs: "Wenn man im ländlichen Raum unterwegs ist und einen Meister hat, einen Gesellen, einen Azubi, dann ist das schwierig", sagt Andre Wiegandt, der stellvertretender Produktionsleiter bei Beumer & Lutum.
Da ist die Zeit immer knapp. Und wenn dann jemand krank ist, wird es kompliziert. Das ist einfach kein Zukunftsmodell.
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Andre Wiegandt, der stellvertretender Produktionsleiter bei Beumer& Lutum
Vor allem Kleinstbetriebe müssen dicht machen
Der Bäckerei Monitor der Branchengewerkschaft NGG bestätigt einmal mehr, was jeder sehen müsste, der mit offenen Augen durch Deutschland läuft. 30 Prozent der Bäckereien, vor allem die Kleinstbetriebe, haben in den vergangenen zehn Jahren dicht gemacht, 20.000 Arbeitsplätze gingen verloren.
Dass gleichzeitig der Gesamtumsatz auf knapp 22 Milliarden gestiegen ist, klingt nur auf den ersten Blick paradox. Der Chef der NGG Gewerkschaft Guido Zeitler liefert die Erklärung:
Der Trend geht hin zu Großfilialisten, Betriebe, die 250 und mehr Beschäftigte haben. Da findet eine massive Umsatzverschiebung hin zu den Großen statt.
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Guido Zeitler, Chef der NGG-Gewerkschaft
Der Umsatz der gesamten Backwarenbranche mit 282.000 Beschäftigten sei 2023 zwar auf 21,8 Milliarden Euro gestiegen - die Zahl der Betriebe des klassischen Bäckerhandwerks sei allerdings in den vergangenen zehn Jahren um 30 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum seien 20.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, heißt es in der Analyse der NGG in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung.
Brot und Brötchen sind in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich teurer geworden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts von Ende April stiegen die Preise für die Backwaren von 2019 bis 2023 um gut ein Drittel. Die Backwarenbranche klagt - wie andere Branchen - über hohe Energiekosten, Personalmangel und viel Bürokratie.
Quelle: dpa
Zu begutachten ist die Verschiebung in immer mehr Verkaufsstellen, die nur noch vorgefertigte Rohlinge fertigbacken. Dass zuletzt auch die Zahl der Beschäftigten wieder leicht anstieg, ist für die Gewerkschaft trotzdem kein positiver Trend. Denn entstanden seien vor allem Minijobs.
"Diese Entwicklung zeigt eine Verschiebung zu weniger stabilen und tendenziell schlechter abgesicherten Arbeitsverhältnissen", sagt Zeitler weiter.
Wir fordern die Arbeitgeber auf, zukunftsfähige Jobs mit Tarifbindung und guten Arbeitsbedingungen anzubieten.
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Guido Zeitler, Chef der NGG-Gewerkschaft
Preiskampf, Billig-Konkurrenz und Fachkräftemangel setzen Bäckereien unter Druck. Das klassische Bäckerhandwerk verschwindet mehr und mehr - zum Nachteil der Verbraucher.26.10.2021 | 33:32 min
Bäckereien unter Zeitdruck und Stress
Zum Thema Arbeitsbedingungen präsentiert der Bäckerei Monitor weitere alarmierende Zahlen. 86 Prozent der Befragten im Bäcker-Handwerk erleben sehr häufig Zeitdruck und Stress.
Um das mit Erfahrungen zu unterlegen, sind bei der Präsentation der Ergebnisse Betriebsräte aus mehreren Bäckereien anwesend. Deren Schilderungen liefern ein ernüchterndes Bild. Melanie Fürst ist bei Schäfer's Brot beschäftigt und beklagt die schlechten Gehälter:
Die Bezahlung ist nicht so, wie sie sein sollte. Wenn man bedenkt, dass in vielen Bäckereien Mindestlohn gezahlt wird. Wir sind ein bisschen drüber. Aber das ist nicht das, wovon man leben kann.
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Melanie Fürst, Betriebsrätin Schäfer's Brot
Während viele traditionelle Bäckereien verschwinden, expandieren andere. Die Zahl der großen Lieferbäckereien wie Harry Brot oder Lieken Urkorn, die Supermärkte mit abgepacktem Brot beliefern, und Großfilialisten wie Schäfers, Kamps oder Steinecke ist der Analyse zufolge von 2014 bis 2024 um rund 20 auf 133 gestiegen. 55 von insgesamt 8.100 Betrieben hätten mit jeweils über 50 Millionen Euro Umsatz einen Marktanteil von 36 Prozent.
Auch bei der Zahl der Beschäftigten gibt es eine Verschiebung zu Großbetrieben. Hier arbeiten mittlerweile fast 62.000 - 9.000 mehr als noch vor zehn Jahren. Bei kleineren und mittleren Unternehmen ging die Zahl dagegen um 26.000 auf 139.000 zurück.
Quelle: dpa
Personalmangel und hohe Arbeitsbelastung
Ihre Kollegin Chrysa Grigoriadou von der Hofpfisterei bemängelt die resultierenden Folgen des Fachkräftemangels: "Wir sehen bei uns auch eine hohe Fluktuation."
Es kündigen immer wieder Mitarbeitende, weil sie den Personalmangel nicht mehr ertragen, die Doppelschichten, die Mehrbelastung.
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Chrysa Grigoriadou
Es gibt aber auch Lichtblicke beim Thema Personal insbesondere beim Nachwuchs. Nach jahrelanger Talfahrt steigen die Zahlen wieder. Besonders hoch fällt der Zuwachs bei Migranten aus, deren Bedeutung im gesamten Back-Handwerk laut Monitor immer wichtiger wird.
Was insbesondere in der Politik noch nicht überall angekommen zu sein scheint:
Über 50.000 Menschen - ein Viertel aller Beschäftigten - hat einen Migrationshintergrund. Ohne die Kolleginnen und Kollegen würde die Branche nicht mehr laufen.
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Guido Zeitler, Chef der NGG-Gewerkschaft
"Deswegen ist diese Debatte, die wir momentan sehr polarisiert in Deutschland führen, wirklich schädlich", so Zeitler. Die Frage wer morgen unser Brot backt, lässt sich also leicht beantworten. Immer häufiger die Zugewanderten.
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