Turnskandal: Von alten Glaubenssätzen und einem Neuanfang

    Kim Bui zum Turnskandal:Von alten Glaubenssätzen und einem Neuanfang

    Houben Luisa
    von Luisa Houben
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    Nur mit Härte zum Erfolg? Im aktuellen sportstudio sprechen Ex-Turnerin Kim Bui und Sportpsychologin Jeannine Ohlert über Missstände im Turnen. Und wie es besser gehen kann.

    Ehemalige Turnerin Kim Bui zu Gast im aktuellen Sportstudio.
    Ex-Turnerin Kim Bui und Sportpsychologin Jeannine Ohlert plädieren für: Spaß beim Training statt Bestrafung und Erniedrigung.08.03.2025 | 23:03 min
    "Nur unter Druck entstehen Diamanten". Ein Glaubenssatz, der aus jungen Athletinnen Medaillengewinnerinnen machte. Und Narben hinterließ.
    "Das ist nicht mehr passend", sagt Ex-Turnerin Kim Bui im aktuellen sportstudio. Sie ist eine von vielen Leistungsturnerinnen, die von Essstörungen, Demütigungen und Drohungen im Training berichten.
    Ihre eigene Geschichte machte sie 2022 öffentlich. Seit Ende 2024 melden sich weitere Betroffene zu Wort. Der Vorwurf: Sie hätten an den Stützpunkten in Stuttgart und Mannheim "körperlichen und seelischen Missbrauch" erlebt.

    Ich finde es stark, dass so viele Turnerinnen und Turner den Mut gefunden haben, sich zu öffnen und ihre Geschichte zu erzählen.

    Kim Bui, Ex-Turnerin

    Drei Turnerinen auf dem Olympischen Podium
    Körperlicher und mentaler Missbrauch, das soll den Alltag der Leistungsturnerinnen im Kunst-Turn-Forum Stuttgart geprägt haben. Für die Betroffenen ist es ein systemisches Problem.08.01.2025 | 2:33 min

    Sportpsychologin: Kontraproduktive Trainingsmethoden

    Seit Anfang des Jahres macht der Turnskandal Schlagzeilen. Und es stellt sich die Frage: Wann ist Training zu harsch? Wann psychischer Missbrauch?
    Wenn es keine Kritik zur Sache ist, sondern gegen den Menschen, erklärt Sportpsychologin Jeannine Ohlert im aktuellen sportstudio.

    Wenn ich die Person klein mache, sie beschäme, lächerlich mache, dann ist es psychische Gewalt.

    Jeannine Ohlert, Sporthochschule Köln

    Diese Methoden seien kontraproduktiv.

    Mehr Spaß statt Demütigungen

    Kim Bui hat sie erlebt. Sie litt als aktive Turnerin unter einer Essstörung. Das häufige Wiegen im Training habe diese befeuert. Sich gegen Demütigungen zu wehren, sei nicht leicht gewesen.
    Zu groß die Angst vor Nachteilen, davor, von Wettkämpfen ausgeschlossen zu werden oder als "Nestbeschmutzer" zu gelten. Dazu käme das Abhängigkeitsverhältnis zu Trainerinnen und Trainern in sehr jungen Jahren.
    Wer es zu Weltmeisterschaften oder gar Olympia schaffen will, fängt häufig schon als Kind an, hart zu trainieren.
    Kim Bui | ehemalige Leistungsturnerin
    Die ehemalige Leistungsturnerin Kim Bui setzt sich gegen den Machtmissbrauch von Trainern im Turnsport ein. Darüber spricht sie im moma-Interview.04.02.2025 | 4:35 min
    Auch Eltern seien oft in einer schwierigen Position, findet Bui. Eltern würden Trainern, Vereinen und Verbänden vertrauen. Ihr eigener Vater habe damals "keinen Sand ins Getriebe" streuen wollen.Turnen war ihr großer Traum. Ihre Leidenschaft.
    "Leistungssportler sind bereit, viel zu geben, sich dafür aufzuopfern," sagt Bui. Ihre intrinsische Motivation dürfe nicht ausgenutzt werden, um über ihre psychischen Grenzen zu gehen.
    Zoe Meißner
    Auch gegen den Turn-Stützpunkt Mannheim gibt es schwere Vorwürfe. Zoé Meißner habe mit 13 Jahren aufgehört, "weil man nicht auf die Ärzte gehört und mich kaputt trainiert hat".11.02.2025 | 1:33 min
    Stattdessen käme es darauf an, Sportlerinnen und Sportler dazu zu erziehen, mündig zu sein und selbst Verantwortung zu übernehmen, erklärt Sportpsychologin Ohlert: "Das führt dazu, dass sie längerfristig im Sport bleiben, motivierter sind und bessere Leistungen bringen." Entscheidend sei auch, dass das Training Spaß mache.

    Im Fokus der Vorwürfe: Trainerinnen und Trainer

    In Stuttgart ermittelt mittlerweile das Landeskriminalamt gegen einen ehemaligen Turntrainer. Auf konkrete Vorwürfe gegen Trainerin Claudia Schunk reagierte diese gegenüber dem SWR mit einem Statement: "...dass es nie meine Absicht war, die Turnerinnen zu belasten und dass, sollten meine Verhaltensweisen gleichwohl so wahrgenommen worden sein, mir dies leidtut."

    Ich finde, das so eine Aussage, das, was passiert ist, nicht entschuldigt.

    Kim Bui, ehemalige Olympiateilnehmerin

    "Nur mit Härte zu Erfolg und Leistung". Noch so ein Glaubenssatz, mit dem auch Trainerinnen und Trainer aufgewachsen sind. Auch auf ihnen lastet der Druck des Leistungssports. Es geht um Medaillen, Förderungen und Status.
    Turnen
    Die schweren Vorwürfe gegen den Deutschen Turner Bund häufen sich. Immer mehr Turnerinnen und Turner berichten von Machtmissbrauch, Essstörungen und psychischem Druck.04.02.2025 | 1:42 min
    Dass Erfolg auch anders möglich ist, müsse erstmal in den Köpfen ankommen, sagt Sportspychologin Ohlert. Dafür brauche es Schulungen.

    Man kann das lernen, man kann umdenken.

    Jeannine Ohlert, Sporthochschule Köln

    Wichtig für Veränderungen sei außerdem, eine unabhängige Meldestelle, der Betroffene vertrauen können und die ein Mandat habe, einzugreifen.
    Turnerin
    Ehemalige Spitzen-Turnerinnen erheben schwere Vorwürfe gegen den Deutschen Turner Bund. Turnen trotz Knochenbrüchen und andere katastrophale Trainingsbedingungen bringen den Bund in Bedrängnis. Der verspricht eine gewissenhafte und kritische Aufarbeitung.08.01.2025 | 1:43 min

    Hoffnung auf einen Kulturwandel

    Kim Bui wünscht sich vor allem eine Trainer-Athleten-Beziehung auf Augenhöhe. Vom Deutschen Turner-Bund (DTB) fordert sie klare Ziele, gute Kommunikation und eine aufrichtige Aufarbeitung. In der Hoffnung, dass alte Glaubenssätze für allemal Geschichte sind.
    Einen Anfang soll der Einsatz von Aimee Boorman machen. Sie trainierte schon Ausnahme-Erfolgs-Turnerin Simone Biles. Der DTB konnte Boorman für sich gewinnen. Sie übernimmt nun das Training in Stuttgart. Und soll mal gesagt haben: "Es ist nur Turnen!"

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    Quelle: Reuters

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