Handball-WM: Spielt Dänemarks Bester Gidsel zu viel?

Jede Minute scheint jetzt wichtig. Jedenfalls im Falle des Mathias Gidsel, dem Welthandballer in Reihen des dänischen Co-Gastgebers der Handball-WM. Er ist der Superstar im Team des nächsten deutschen Gegners (20.30 Uhr, live in der ARD).

Sein Konterfei ist in ganz Dänemark überlebensgroß auf Werbetafeln sichtbar. Insofern fast logisch, dass die langen Spielzeiten des Ausnahmespielers in den dänischen Medien eine hitzige Debatte auslösen.

Dass Nationalcoach Nikolaj Jacobsen seinen zentralen Spieler im Rückraum sehr lange auf dem Spielfeld ließ - 42 Minuten gegen Algerien, 49 gegen Tunesien und gar 50 gegen Italien -, obwohl sein Team sämtliche Partien vorzeitig entschied, ließ einige Experten den Kopf schütteln.

Ihre Kritik: Aufgrund der hohen Belastung, die der in der Bundesliga bei den Füchsen Berlin beschäftigte Linkshänder ohnehin in den Knochen hat, könnte Gidsel am Turnierende ausgelaugt sein.

Jacobsen macht keinen Hehl daraus, dies alles für eine Luxusdebatte zu halten. Dem 53-Jährigen, der sein Team zu drei WM-Titeln in Folge geführt hat, schwollen bei diesem Thema die Halsadern. Wenn es nach Gidsel selbst gegangen wäre, argumentierte Jacobsen wütend, hätte er immer durchgespielt. Sein Star sei immer sauer auf ihn, wenn er ihn auswechsele.

Tatsächlich sind die dicken Schlagzeilen ein Ausdruck für die herausragende Form des Titelverteidigers in diesem Turnier. Sportlich gibt es schließlich nichts zu mäkeln an den stark besetzten Dänen.

Der Rückraum um Gidsel und Simon Pytlick spielt bisher mit den Gegnern, indem er mit Hochgeschwindigkeit und absurd genauen Pass-Sequenzen durch die gegnerischen Deckungsreihen bricht.

Exakt das haben sie sich auch für das erste Hauptrundenspiel gegen Deutschland vorgenommen. "Für uns ist das eines der wichtigsten Spiele bei dieser WM", sagt Gidsel:

Gidsel freilich muss bei dieser WM auch andere Aufgaben lösen. Neben Kreisläufer Magnus Saugstrup (SC Magdeburg) und Pytlick (SG Flensburg-Handewitt) soll er das Vakuum füllen, das in der Hierarchie des dänischen Teams nach den Rücktritten der Legenden Niklas Landin und Mikkel Hansen entstanden ist. "Unsere gesamte Teamkultur hatte sehr viel mit den beiden zu tun", beschreibt Trainer Jacobsen die große Zäsur.

Dabei kommt Gidsel eine überragende Rolle zu - obwohl er so gar nicht dem Typ robuster Handballprofi entspricht. Mit seinem äußerst filigranen Spiel, das auf einer überragenden Technik und einem perfekten Timing für die Situation beruht, hat er die Koordinaten des Rückraumspiels verschoben.

Gidsel habe mit seinem Auftritt bei der WM 2021, als der WM-Debütant zum MVP gewählt wurde, gar eine Revolution des Handballs ausgelöst, finden Experten wie Ex-Profi Lars Krogh Jeppesen.

Offen ist, wie Gidsel, der als sensibel und reflektiert gilt, mit seiner neuen Aufgabe klarkommt. "Ich kann mich nicht mehr hinter Landin verstecken", sagte er bei der WM. Er könne nicht mehr der Junge aus Westjütland sein, der sich nur um sich gekümmert habe.

Die Partie gegen die Deutschen ist jedenfalls für den Superstar des dänischen Handballs eine Bewährungsprobe. Denn wenn die Dänen überraschend unterliegen sollten gegen den großen Nachbarn, wird es in den dänischen Medien nicht mehr um die Minuten des Mathias Gidsel gehen. Sondern um größere Dinge.